Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer hat die Arbeit der Polizei kritisiert. Foto: dpa

Ein 21-jähriger Asylbewerber aus Gambia steht unter Verdacht, in Tübingen mehrere Frauen vergewaltigt zu haben. Der Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) glaubt, dass ein frühzeitiger Massengentest einen Teil der Taten hätte verhindern können. Doch tatsächlich hat die Staatsanwaltschaft dies versucht.

Tübingen - Nach der Festnahme eines mutmaßlichen Seriensextäters in Tübingen hat der Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) die Arbeit der Polizei kritisiert. „Nach meiner Meinung hätte schon der erste Bericht einer Zeugin, dass ein junger Schwarzafrikaner versucht hat, sie zu vergewaltigen, gereicht, um DNA-Proben aller schwarzen Asylbewerber in der Stadt zu nehmen“, schrieb Palmer auf Facebook. „Das wären in Tübingen keine 100 Personen gewesen.“ Aufgrund der damaligen Tatumstände sei die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei dem Täter um einen Flüchtling handeln müsse, groß gewesen.

Besonderen Schutz gefordert

Dem 21-jährigen Gambier werden bisher vier Taten zwischen Mai 2015 und Februar 2017 zur Last gelegt. Eine 35-jährige Frau hatte den Mann im vergangenen März angezeigt. Sie sei von ihm in seiner Asylbewerberunterkunft vergewaltigt worden. Die Polizei nahm daraufhin eine Speichelprobe. Das Ergebnis kam in dieser Woche. Demnach stehe fest, dass der Mann auch für eine vollendete und zwei versuchte Vergewaltigungen im Jahr 2015 verantwortlich sei. Betroffen waren Frauen im Alter von 22 bis 33 Jahren, die auf offener Straße ins Gebüsch gezerrt, auf dem Heimweg im Alten Botanischen Garten überfallen oder bis nach Hause begleitet und zum Sex genötigt worden waren.

„Ich erwarte vom Staat einen besonderen Schutz vor Übergriffen von Menschen, die wir aus Humanität in unser Land gelassen haben“, sagte Palmer. Dies sei nötig, sonst wären viele bald nicht mehr bereit zu helfen. Bei straffällig gewordenen Flüchtlingen müsse man „manche Rücksichten fallen lassen“. Kriminell gewordene Asylbewerber sollten nach Verbüßung der Hälfte ihrer Haftzeit abgeschoben werden. „Das Gesetz lässt das zu“, sagte Palmer. Die bei Facebook erhobene Forderung, „erweiterte Sicherheitsvorkehrungen“ zu treffen, relativierte er dagegen im Gespräch: „Es werden jetzt ja tatsächlich mehr Polizisten eingestellt; das hätte nur schon früher geschehen sollen.“ Im Laufe der Legislaturperiode will die Landesregierung 1500 zusätzliche Stellen schaffen. Unabhängig von den Vergewaltigungen hat Tübingen zwei weitere städtische Polizisten angestellt, um für mehr Präsenz im Zentrum zu sorgen.

Besonderen Schutz gefordert

Viele Menschen unterstützen Palmers Forderungen, wie man den zahlreichen Kommentaren auf Facebook entnehmen kann. Allerdings lässt sich vieles in der Praxis oft nicht verwirklichen. Erstens würden für kriminelle Asylbewerber die gleichen „Abschiebungshemmnisse“ gelten wie für alle anderen, sagt Carsten Dehner, der Sprecher des Stuttgarter Innenministeriums. So werde in das Bürgerkriegsland Syrien derzeit niemand abgeschoben. Daneben räumt Dehner ein, dass gerade Gambia ein Staat sei, der wenig mit Deutschland kooperiere – wenn ein Asylbewerber angebe, keinen Ausweis zu besitzen, sei es oft unmöglich, Ersatzpapiere zu beschaffen. Nach Völkerrecht müsse Deutschland aber nachweisen, dass es sich um einen gambischen Staatsbürger handle. Es sei mittlerweile eine Bundesstelle eingerichtet worden, die sich um solche Fälle kümmere.

Die von Palmer geforderten DNA-Reihenuntersuchungen hatte es nach den beiden ersten Fällen im Jahr 2015 übrigens gegeben. Sie waren von der Tübinger Staatsanwaltschaft beantragt und vom Amtsgericht genehmigt worden. Damals habe man zwar nicht pauschal alle schwarzen Asylbewerber zur Speichelprobe gebeten, sondern den Kreis aufgrund „bestimmter Prüfmerkmale eingegrenzt“, betonte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Tatjana Grgic. Dennoch seien in beiden Fällen mehr als 100 Leute angeschrieben beziehungsweise vorgeladen worden.

Das Echo war mäßig. „Viele wurden nicht angetroffen, einige verweigerten sich“, sagte Grgic. Nach Paragraf 81h der Strafprozessordnung ist die Teilnahme an solchen Reihenuntersuchungen freiwillig. „Wir hatten 30 Proben, im zweiten Fall ein paar mehr“, sagte Grgic. Ob der Verdächtige damals angesprochen wurde, ist unklar. Eine Probe gab er jedenfalls nicht ab. Die Opfer hätten den Täter als etwa 30-jährigen Mann beschrieben, sagte ein Polizeisprecher. Möglicherweise sei der damals noch nicht einmal 20 Jahre alte Mann deshalb durch das Raster gefallen. Mittlerweile sitzt er in Untersuchungshaft. Zu den Vorwürfen äußerte er sich bisher nicht.