Innerhalb der deutschen Florettmannschaft kann von einer klaren Linie keine Rede sein. Foto: AFP

Weil Bundestrainer Andrea Magro entlassen wird, gehen die deutschen Florettfrauen auf die Barrikaden und wenden sich schriftlich an DOSB-Präsident Alfons Hörmann. Jetzt wurde den Athletinnen ein Maulkorb verpasst.

Stuttgart - Der Fechttrainer Andrea Magro pflegt einen eigenwilligen Stil. Um etwas Schwung in den Trainingsalltag zu bringen, wird jeder Konzentrationsfehler bestraft – und das geht so: Die Frau, die schusselt, muss ein Schmuck- oder Kleidungsstück ablegen. Von dieser dann doch eher anrüchigen Trainingseinheit vom 7. Oktober 2016 existiert ein Video. Darin steht eine deutsche Florettfechterin barfuß, in langer Sporthose und im BH da. Kichernd schicken sich die Athletinnen das Filmchen im Internet hin und her. „NN fast nackt“ – so lautet ein Kommentar.

Seit Mittwoch ist Andrea Magro nicht mehr Trainer der deutschen Florettfrauen. Das grenzwertige Trainingsspiel soll zwar nicht der Grund für die Kündigung gewesen sein, doch hielt der Vorfall den italienischen Klingenmeister sicher nicht fest im Sattel. „Der Film ist von der Entscheidung abgekoppelt, allerdings ist er nicht zu tolerieren“, sagt Sven Ressel, der Sportdirektor des Deutschen Fechter-Bundes (DFeB). Man habe wegen der freizügigen Trainingsmethode auch ein Personalgespräch geführt. Der Bundestrainer entschuldigte sich. Es geht ja auch um die Sicherheit. Ohne Schutzkleidung ist das Fechten nicht so lustig.

Zum Rauswurf führte, dass Andrea Magro zu teuer war. Kolportierte 13 000 Euro soll er im Monat verdient haben – fast das doppelte wie seine Kollegen. „Es geht um eine betriebsbedingte Kündigung, die rein monetäre Gründe hat, nicht mehr und nicht weniger“, sagt Ressel, der in der Angelegenheit, wie er selbst sagt, inzwischen „sehr dünnhäutig“ reagiert. Denn der Rauswurf des Trainers hat die Nationalmannschaft in eine tiefe Krise gestürzt.

Der Fechtclub Tauberbischofsheim zieht die Reisleine

Erst wird ein Coach bis 2020 verpflichtet – und dann vor die Tür gesetzt. Der Fechtclub Tauberbischofsheim und der DFeB haben sich das üppige Salär für Magro geteilt, ein seltsames Konstrukt, dass ein Kenner der Szene ohnehin „nie verstanden“ hat. Nun zog der im Herbst in Tauberbischofsheim neu angetretene Vorstand die Reißleine, weil er den von seinen Vorgängern üppigen Altvertrag nicht mehr finanzieren wollte. So kam es gemeinsam mit dem DFeB zur Kündigung, gegen die Magro gerichtlich vorgeht.

Die zwei Fecht-Institutionen geben kein gutes Bild ab. Eskaliert ist die Situation, weil die National-Fechterinnen unbedingt mit Magro weiterarbeiten wollten. Ende Juli findet die Heim-WM in Leipzig statt, ein neuer Coach könnte da einen irritierenden Kurswechsel bedeuten, fürchten sie. In ihrer Not wandten sich Carolin Golubytskyi, Eva Hampel, Sandra Bingenheimer, Leonie Ebert und Anne Sauer in einem Schreiben an Alfons Hörmann, den Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Darin heißt es: „Wir. . . hängen in der Luft, sind enttäuscht und entsetzt . . . Wir fühlen uns vom eigenen Verband hingehalten und vom eigenen Verein verkauft.“

Nach dieser Aktion hängt der Haussegen schief. Der Wortführerin Anne Sauer und ihren Kolleginnen wurde ein Maulkorb verpasst. „Es gab im September eine Kündigungsoption, und die wurde nicht gezogen, deshalb ist es unverständlich, dass es jetzt Mitten in der Saison getan wird“, nur so viel will Sauer erzählen. „Uns wurde geraten, dass wir abwarten sollen, was jetzt passiert“, sagt sie und begründet damit ihre – unfreiwillige – Verschwiegenheit.

Magro: eigentlich nicht sonderlich erfolgreich

Der ganze Rummel, der nach dem SWR-Beitrag über die Ereignisse auf den DFeB hereinprasselt, sei nicht mehr ertragbar, sagt Ressel aufgebracht. In Richtung seiner um Mitspracherecht bettelnden Athletinnen findet er ebenso deutliche Worte. „Die Fußballer des FC Bayern können sich auch nicht ihren Trainer aussuchen. Wenn da eine Entscheidung getroffen wird, dass der Trainer nicht mehr der Trainer ist, dann ist er auch nicht mehr der Trainer.“ Im Fechten werde das jetzt auf einmal hochgekocht, und da werde Andrea Magro als der „Guardiola des Fechtsports“ bezeichnet – „also da sollte man einfach mal ein paar Schritte zurückgehen, weil das auch nicht Realität entspricht“, ärgert sich Ressel.

Besonders erfolgreich war der Wundermann, der 2008 die Italienierin Valentina Vezzali zum Olympia-Sieg führte, mit den deutschen Florettfrauen nicht. „Wir haben mit Leonie Ebert ein Riesentalent, aber die Entwicklung der anderen Fechterinnen ist nicht so, dass man sagen kann, dass wir da sehr zufrieden sind“, sagt Ressel. Am Montag soll ein neuer Trainer präsentiert werden. Gute Karten für den Zuschlag soll der Italiener Giovanni Bortolaso haben. Ob sie davon etwas weiß? „Nein“, sagt Anne Sauer.