Auch nach Schulende sind noch rund 200 Demonstranten dabei, wenn in Balingen für mehr Klimaschutz protestiert wird. Foto: Nölke

Steckt hinter "Fridays for Future"-Protesten mehr als Schule schwänzen? Schüler und Eltern melden sich zu Wort.

Region - Jugendliche gehen auf die Straße und demonstrieren für mehr Klimaschutz, während sie genüsslich ihr Vesper aus der Plastikverpackung essen oder auf ihren Smartphones herumdrücken: Dieses Bild haben wohl viele Internetnutzer vor Augen, wenn sie sich im Netz mit gehässigen und spöttischen Kommentaren zum Thema Fridays-for-future auslassen. Was ist wirklich dran an diesen Vorwürfen der Doppelmoral?

schwarzwaelder-bote.de hat mit Klimademonstranten aus der Region, wie auch mit einigen Eltern gesprochen und gefragt, ob sich an der Lebensweise der jungen Aktivisten etwas verändert hat? Verzichten sie wegen der Klimabilanz etwa auf das Fliegen und was halten eigentlich die Eltern vom Protest ihrer Kinder?

Wie hat sich der Klimastreik auf das Einkaufsverhalten ausgewirkt?

Die befragten Schüler sind sich einig: Beim Einkaufen achten sie jetzt mehr auf die Verpackungen. Jonas Spreng aus Rottweil erzählt, dass er seine eigenen Dosen oder Behältnisse mit in den Laden nimmt. Er freut sich auch über den neuen Unverpackt-Laden in Zimmern ob Rottweil. 

Leonie Luippold aus Balingen-Dürrwangen hat ihr Verhalten, laut eigener Schilderung, stark verändert. In ihrem Bad, so verrät sie uns, findet sich keinerlei Plastik mehr. Luippold nutzt Zahnpastatabs, festes Shampoo und einen Edelstahlrasierer. Den Einkauf tätigt auch sie mit eigenen Taschen auf dem Wochenmarkt.

In den Urlaub mit dem Flieger?

Sima Garanpour aus Albstadt-Ebingen gesteht beim Thema Urlaub, dass sie mit Blick auf ihre persönliche Klimabilanz auch nicht perfekt sei. Sie selbst fliege jährlich zu ihrer Verwandtschaft, was für sie, bei einer Strecke von über 5000 Kilometern, nicht anders machbar sei. Dennoch versuche sie bei kleineren Ausflügen auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen. Sie spricht dabei aber einen Punkt an, der für sie als Nichtverdienerin eine große Rolle spielt: die Kosten. Für sie als Schülerin seien die Zugkosten enorm hoch, erklärt sie. Dies sei auch für viele ihrer Freunde ein Problem.

Kai Schmelzle sieht das wiederum anders: Wenn seine Familie mit dem Flieger in den Urlaub geht, bleibe er zu Hause - und auch mit dem Auto fahre er nicht weiter als 400 Kilometer zum Privatvergnügen. Daheim könne es auch schön sein, sagt er.

Wieso sind Klimaaktivisten keine Schulschwänzer?

Der Rottweiler Jonas Spreng hat den Eindruck, dass es sich bei den Demonstranten, die jetzt noch auf die Straße gehen, um den "harten Kern" handelt. "Die Menschen, die weiterhin mit uns auf die Straße gehen, sind wirklich überzeugt von dem, was sie tun." Er glaubt fest daran, dass es den Beteiligten um den Protest als solchen geht und nicht um Schule schwänzen. "Bei der letzten Demo in Rottweil nahmen etwas mehr als 100 Aktivisten teil - trotzdem waren wir mindestens so laut wie bei der ersten Demo, als wir mehr als 500 Personen waren."

Leonie Luippold verweist im Bezug auf den Vorwurf des Schulschwänzens auf den vergangenen Streik in Balingen. Dieser habe am Nachmittag stattgefunden und trotzdem über 200 Jugendliche auf die Straße gelockt. Für Luippold ist der Vorwurf damit entkräftet.

Und was sagen die Eltern?

Thomas Klaute, Vater aus Freudenstadt, erzählt schwarzwaelder-bote.de, dass sein Sohn wie auch seine Tochter regelmäßig an den Demonstrationen teilnehmen - auch wenn diese freitagnachmittags, samstags und sogar in den Ferien seien. Zu Hause gebe es zwar noch Plastik, das Vesper komme aber in die Vesperdose, die wiederverwendet werde. Auch die Getränke würden beide in Glasflaschen mitnehmen.

Eine Mutter aus Albstadt bemerkt eine große Veränderung bei ihren Kindern: Das "Mamataxi" würde seit den Protesten nicht mehr so oft angefordert. Ihre beiden Töchter, die aktiv an den Demonstrationen mitwirken, versuchten mit Bus und Bahn oder zu Fuß vom einen Ort zum anderen zu kommen. Getränke gebe es nur noch aus Mehrwegflaschen. Beim Einkauf achteten beide Mädels darauf, dass in den Einkaufswagen weniger Plastik komme. Und auch beim Thema Reisen konnten die Töchter ihre Eltern überzeugen: Zwar gehe es mit dem Flugzeug in den Urlaub, jedoch erfolge die Anreise an den Frankfurter Flughafen mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

Eines stört die Mutter ganz besonders: das "Verallgemeinern". Die Vorwürfe, dass sich die Demonstranten nach den Protesten selbst wenig umweltbewusst verhielten, sind ihrer Meinung nach unangebracht. Sie hält es für falsch, alle über einen Kamm zu scheren:  "Die" Jugendlichen gebe es eben genauso wenig wie "die" Erwachsenen.