Maria läuft am 58-jährigen Angeklagten im Gerichtssaal im Freiburger Landgericht vorbei. Foto: Seeger

Monika Beisler über Prozess. Hätte Verschwinden von Maria vor Jahren aufgeklärt werden können?

Freiburg - Zwischenbilanz nach drei langen Verhandlungstagen vor dem Freiburger Landgericht: "Wir kommen nach Hause und legen uns erst einmal schlafen, bevor wir überhaupt was essen können." Für Monika Beisler und ihre 19 Jahre alte Tochter Maria ist der Strafprozess gegen den 58-Jahre alten Bernhard H. aus Blomberg in Nordrhein-Westfalen eine körperliche und seelische Herausforderung. "Es ist bedeutend anstrengender als wir vorher dachten", so Monika Beisler im Interview mit dem Schwarzwälder Boten. "Ein regelrechter Ausnahmezustand."

Das habe für sie, so lässt Beisler durchblicken, auch damit zu tun, dass der Angeklagte keinerlei Einsicht oder gar Schuldbewusstsein für seine Taten an den Tag zu legen scheint. "Mir war bis zur Verhandlung eigentlich auch nicht so bewusst, dass nicht nur meine Tochter und meine Familie seine Opfer sind, sondern auch seine Familie. Dass ein Mensch so viele Leben so massiv stört. Ich hab mich regelrecht erschlagen davon gefühlt."

Bernhard H. wird vorgeworfen, im Mai 2013 die damals 13 Jahre Maria h. aus Freiburg entführt zu haben. Mehr als fünf Jahre lang waren die beiden wie vom Erdboden verschwunden. Mittlerweile steht zudem der Vorwurf im Raum, dass Bernhard H. auch seine mittlerweile erwachsene Stieftochter als Kind sexuell missbraucht haben soll. Die Frau brach am vergangenen Freitag auf dem Weg in den Gerichtssaal zusammen und konnte nicht vernommen werden.

Bernhard H. manipulierte Maria

Bernhard H. habe eine Taktik aus Lügen und Manipulation verfolgt im Umgang mit Maria, berichtet die Mutter: Er habe ihr zunächst eingeredet, dass nicht er sondern in Wirklichkeit sie selbst die Schuld und Verantwortung dafür trage, dass sie beide 2013 aus Freiburg flüchten mussten. Später habe er ihr weisgemacht, dass die Polizei sofort ihren Aufenthaltsort wisse und ihn einsperren würde, wenn sie auch nur einen Zeitungsartikel im Internet anklicke.

An dem fraglichen Tag ihres Verschwindens aus Freiburg hatte Maria ihr Handy im Auto vergessen, als sie mit ihrem Begleiter ein Restaurant besuchte. So konnte sie ihre Mutter nicht zurückrufen, als diese wissen wollte, wo sie stecke. Und das, so Monika Beisler, habe der Mann in den Jahren danach immer wieder als psychologisches Druckmittel eingesetzt. Schlimmer noch: Er habe sich gegenüber dem Teenager als regelrechter Retter inszeniert. "Er scheint zu glauben, dass man einen Teenager beschützt, indem man ihn mitnimmt und missbraucht."

Der Prozess zeige, dass Bernhard H. bis heute voll hinter seinem Verhalten stehe. Der Mann sei längst nicht so naiv, wie er sich vor Gericht darzustellen versuche, ist Monika Beisler überzeugt. Im Gegenteil: Er sei gerissen und vor allem manipulativ. Ihre Tochter habe er über Jahre abgeschirmt. Und so nach Strich und Faden belügen können. Bis heute wirke der Schuldkomplex in Maria nach. Sowohl sie, als auch ihre Tochter seien nach wie vor in therapeutischer Behandlung, um mit den Folgen der Kindesentziehung klar zu kommen, erzählt die Mutter.

Heute wisse sie, dass Maria immer vorgehabt habe, mit 18 nach Freiburg zurückzukehren. Bernhard H. habe ihrer Tochter erzählt, dass bis dahin Gras über die Sache gewachsen sei und er nicht mehr ins Gefängnis müsse. Den endgültigen Entschluss, den Mann zu verlassen, habe Maria getroffen, als sie Zugang zum Internet bekommen habe. Dort habe ihre Tochter gesehen, dass sie noch immer nach ihr suche, erzählt Monika Beisler. "Erst als sie sich Smartphones zulegen mussten, da ihre alten Klapphandys nicht mehr funktionierten, erfuhr Maria von der Suche im Netz." Sie habe dann ihre Tasche gepackt und sei weggegangen, als Bernhard H. arbeiten gewesen sei.

Freundin hätte Verschwinden aufklären können

Wenige Tage darauf habe eine ältere Frau aus Marias sizilianischem die Polizei eingeschaltet und so für die Verhaftung von Bernhard H. gesorgt. Die Familie stehe mit der Frau weiter in Kontakt. "Die Oma", wie sie in der Familie bis heute heißt, hat Maria sogar schon in Freiburg besucht: "Sie hat gesagt, sie wolle wissen, dass hier alles in Ordnung ist, sonst hätte sie Maria wieder mit nach Italien genommen", erzählt Monika Beisler und lacht. Neben ihr sitzt Hündin Bianca, die von Maria als Welpe auf Sizilien aufgenommen und von RTL-Fernsehreportern mit großem Aufwand nach Freiburg transportiert wurde. Die anhängliche Hündin, Marias italienische Sprachkenntnisse und "die Oma" in Italien sind wohl die einzigen positiven Dinge, die aus Marias Wanderjahren bleiben werden.

Dabei hätte man, so ist Monika Beisler überzeugt, schon das Verschwinden ihrer Tochter 2013 nach wenigen Stunden aufklären können. Dazu hätte nur eine Freundin des Mädchens, die als Alibi für das Treffen mit Bernhard H. gedient habe, auspacken müssen. Die zwischenzeitlich 19-Jährige, die am Freitag vor Gericht aussagte, sei nicht nur im Besitz der Handynummer von Bernhard H. gewesen, sie habe mit dem Mann sogar noch Nachrichten ausgetauscht. Doch die Freundin habe dicht gehalten, sich mit Bernhard B. sogar noch über die Ermittler lustig gemacht. Als sie die Sache später unter Tränen gebeichtet habe, habe Bernhard H. sein Handy bereits ausgeschaltet gehabt, eine Ortung sei nicht mehr möglich gewesen.

Am Donnerstag geht der Prozess gegen den Mann weiter, Ende Juni soll das Urteil ergehen. Ihm drohen zehn Jahre Haft. Die Staatsanwaltschaft sieht zudem die Bedingungen für eine Sicherungsverwahrung nach Ende seiner Haftzeit gegeben.