Julia Reichs Wandergruppe auf dem Gipfel des Kilimandscharo, dem Uhuru-Peak. Foto: Schwarzwälder Bote

Interview: In Tansania hat die Empfingerin ihr Bachelor-Thema gefunden / Kilimandscharo bestiegen

Empfingen. Die Empfingerin Julia Reich hat in Tansania die Inspiration für das Thema ihrer Bachelorarbeit im Studienfach Politikwissenschaften gefunden. Von ihren Erlebnissen in einer Kleinstadt des ostafrikanischen Landes, Begegnungen mit den Menschen in Tansania und der abenteuerlichen Besteigung des Kilimandscharo erzählt sie im Gespräch mit unserer Zeitung.

Warum haben Sie für Ihre Bachelorarbeit Tansania besucht?

Im Frühjahr 2017 hatte ich mich bereits dazu entschlossen, nach Tansania zu reisen, um den Kilimandscharo im Sommer zu besteigen. Ich wollte die Semesterferien vor dem Schreiben meiner Bachelorarbeit nutzen, um diese große Herausforderung anzugehen. Parallel dazu hatte ich mich mit meinem Dozenten, Professor Franz Walk, an der Freien Universität Berlin in Verbindung gesetzt, um mit ihm ein Thema für meine Bachelor-Arbeit zu finden. Während unseres ersten Austausches zur Themafindung, hatte ich unter anderem erwähnt, dass ich im Sommer nach Tansania reisen werde.

Wie kam der Kontakt nach Tansania zustande?

Wie es der Zufall so mag, hatte mein Dozent zu diesem Zeitpunkt Besuch aus Tansania in Berlin. Sein langjähriger Freund, der Pastor Akyoo Kleopa, war gegenwärtig in Berlin zu Besuch, um am Deutschen Evangelischen Kirchentag vom 24. bis 28. Mai 2017 teilzunehmen. Anlässlich des 500-jährigen Reformationsjubiläums kamen unter dem Motto "Du siehst mich" Menschen aus aller Welt und unterschiedlicher Religionen zusammen, um gemeinsam über verschiedene Fragen und Schwerpunktthemen wie Flucht und Migration, Zusammenhalt in Deutschland und Europa und religiöse Pluralität und Reformation zu diskutieren. Nach unserem ersten Treffen hat er mich daher direkt mit Pastor Kleopa noch in Berlin in Kontakt gebracht, und wir kamen auf die Idee meine Reise nach Tansania zu nutzen, um vor Ort für meine Bachelor-Arbeit zu recherchieren, um diese Feldforschung dann als Thema mit in meine Arbeit einfließen lassen zu können.

Wie hat Ihre Arbeit für die Bachelorarbeit in Tansania ausgesehen?

Da ich mich selbst regionalspezifisch vor allem für den afrikanischen Kontinent und die gegenwärtigen Fluchtbewegungen interessiere, hatten wir nur eine grobe Vorstellung; die restliche Inspiration und Ideenfindung sollte sich dann vor Ort ergeben. Da Pastor Kleopa neben seiner Tätigkeit als Pastor auch Leiter verschiedener Grundschulen ist, hatte ich die Möglichkeit, mir das Schulsystem und verschiedene Schulen in Tansania vor Ort genauer anzuschauen. Ich durfte ihn dabei während seiner Tätigkeit als Pfarrer wie auch Schulleiter zehn Tage lang begleiten und konnte so zu einer Ideenfindung für meine Bachelorarbeit kommen.

Wie lautete dann letztendlich Ihr Thema?

Inspiriert durch Akyoo Kleopas Arbeit vor Ort in Tansania habe ich meine Bachelor-Arbeit schließlich unter dem Titel: "Eine vergleichende Untersuchung zur Bildungspolitik an ausgewählten Beispielen privater Bildungsträger in der BRD und der Republik Tansania" geschrieben.

Gewohnt haben Sie bei einem protestantischen Pfarrer. Wie ist denn das Verhältnis zwischen der protestantischen und der katholischen Gemeinde?

Tansania hat circa 53 Millionen Einwohner. Laut Daten der Weltbank gehören etwa 61 Prozent dem christlichen Glauben an, 35 Prozent zählen zum muslimischen Glauben – die Insel Sansibar, die zu Tansania gehört, hat einen muslimischen Anteil von mindestens 98 Prozent – und ein geringer Teil folgt traditionellen Religionen. Laut der tansanischen Regierung sind die meisten Christen katholisch (über 50 Prozent) während etwa 40 Prozent dem protestantischen Glauben folgen. Das Christentum ist vor allem im Binnenland stark verbreitet.

Was ist der geschichtliche Hintergrund?

Der protestantische Glaube wurde vor allem durch die deutsche Kolonialvergangenheit und der damit zusammenhängenden Missionsgeschichte durch die Lutheranische Kirche geprägt, die die größte evangelische Kirche im Land darstellt. Auch Pastor Kleopa ist ein protestantischer Pfarrer und lebt und arbeitet in der Region Arusha am Fuße des Kilimandscharo, die einen starken deutschen protestantischen Einfluss in der Vergangenheit erfahren hat und die Religion bis heute noch stark prägt.

Wie stark ist die Zusammenarbeit zwischen den christlichen Kirchen?

Laut Pastor Kleopa gibt es eine gute und enge Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen christlichen Kirchen, was vor allem auch durch die Regierung unterstützt wird, die jegliche Diskriminierungen auf Basis der Religion untersagt. Religiös geprägte Schulen, von denen es sehr viele in Tansania gibt, sind daher offen für Schüler mit jeglichen Glaubensrichtungen.

Was ist in der Kirchengemeinde, die Sie in Tansania besucht haben, anders als in einer deutschen Gemeinde?

Der Aufbau eines protestantischen oder auch katholischen Gottesdienstes ist weltweit gleich. Ein evangelischer Gottesdienst in Tansania entscheidet sich daher nicht groß vom Ablauf eines evangelischen Gottesdienstes in Empfingen beispielsweise. Ich würde jedoch sagen, dass die Religion noch einen größeren Stellenwert im Leben der Menschen hat und man auch viel mehr junge Leute in der Kirche sieht, was in Deutschland leider nicht mehr sehr häufig der Fall ist. Ich glaube auch, dass die Rolle und der Stellenwert eines Pastors in der Gesellschaft in Tansania noch mit viel mehr Respekt und Wertschätzung verbunden ist. Beispielsweise habe ich den Pfarrer bei einem Hausbesuch zu einer Familie begleitet, die einen internen Familienstreit mit verschiedenen Angehörigen hatten und den Pfarrer als Streitschlichter dazu geholt haben, um Rat und Hilfe zu erfragen.

Was haben Sie in Tansania erlebt, das Sie zuvor nie erwartet hatten?

Besonders überrascht war ich, dass viele ihr Smartphone als Bibel oder Gesangsbuch während des Gottesdienstes genutzt haben, um die jeweilige Bibelstelle zu öffnen oder den Liedtext abzulesen, welcher gesungen werden sollte. Bibel-Apps sind weit verbreitet und werden viel stärker auch im Alltag genutzt, da zum Beispiel nicht jeder eine Bibel oder ein eigenes Gesangsbuch besitzt. Diese Verbindung von Tradition und moderner Digitalisierung fand ich sehr beeindruckend und könnte bei uns in Deutschland auch noch viel intensiver genutzt werden.

Zum Thema Kilimandscharo: Welche Gipfel haben Sie bestiegen, und was war das für ein Erlebnis?

Mit der lokalen Reiseagentur "Tanzania Travellers" habe ich die sechstägige Machame-Route bis zum höchsten Punkt des Kilimandscharos, den Uhuru-Gipfel, auf 5895 Metern Höhe bestiegen. Von der Kleinstadt Moshi aus legt man täglich mehrere hundert Höhenmeter zurück, um sich langsam an die Höhenluft akklimatisieren zu können. In der fünften Nacht macht man sich schließlich um Mitternacht von der Barafu-Hütte (4650 Meter Höhe) auf den Weg, um den Gipfel zu besteigen. Nach einem sechsstündigen durchgehenden Fußmarsch in kompletter Dunkelheit und meines Empfindens nach schrecklicher Kälte, kommt man morgens um 6 Uhr zum Sonnenaufgang oben auf dem Gipfel an. Schafft man es bis dorthin, vergisst man jegliche Anstrengung und Kälte und genießt nur noch den fantastischen Rundblick vom höchsten Punkt Afrikas und die letzten Überbleibsel der noch vorhandenen Gletscher.

Es heißt, dass am Kilimandscharo jedes Jahr Dutzende Menschen beim Versuch, den Gipfel zu erklimmen, sterben.

Ich glaube, dass der Kilimandscharo technisch keine großen Herausforderungen birgt und daher recht einfach von jedem, der nicht ganz unfit ist, bestiegen werden kann. Leute, die dabei ums Leben kommen, ignorieren meist die Anzeichen der Höhenkrankheit oder ignorieren die Anweisungen der erfahrenen Bergbegleiter. Man muss sicherlich einen starken Willen haben, um den langen nächtlichen Fußmarsch bis zum Gipfel zu überstehen, aber das Erlebnis und auch das Gefühl, es geschafft zu haben, ist es allemal wert. Ich glaube, man sollte sich öfters einfach mal etwas zutrauen und dann einfach machen – am Ende bleibt meist eine positive unvergessliche Erfahrung. Die Fragen stellte Daniel Begemann.

 Julia Reich ist 25 Jahre alt, kommt aus Empfingen, hat in Sulz ihr Abitur gemacht und Anfang dieses Jahres ihr Studium der Politikwissenschaften in Berlin an der Freien Universität abgeschlossen. Jetzt arbeitet sie im internationalen Steuerbereich bei KPMG in Berlin. Im Sommer 2017 war sie auf einer siebenwöchigen Reise in Ostafrika (Äthiopien, Uganda, Kenia und Tansania) und hat während dieser Zeit circa drei Wochen in Tansania verbracht, um für ihre Bachelorarbeit vor Ort beim Pastor Akyoo Kleopa in einer Kleinstadt vor Arusha zu recherchieren und dann den Kilimandscharo von Moshi aus zu besteigen.

 Beim Empfinger Frühstück am kommenden Dienstag, 17. Juli, um 9 Uhr im evangelischen Gemeindehaus in Empfingen ist Julia Reich als Referentin zu Gast.