Eine Neufassung des Bebauungsplans Autobahnkreuz soll eine Erweiterung der Shell-Tankstelle in Empfingen verhindern. Archiv-Foto: Hopp Foto: Schwarzwälder Bote

Interview: Ein Rechtsanwalt erklärt, welche Rolle der neue Bebauungsplan Autobahnkreuz im Streit mit dem Konzern spielt

Empfingen. Die Gemeinde Empfingen hat eine Chance, die von Shell geplante Erweiterung der Tankstelle mit bis zu 50 Lkw-Parkplätzen noch zu verhindern. Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt der Anwalt Reinhard Sparwasser, den die Gemeinde zur Beratung hinzugezogen hat, was jetzt getan werden muss.

Warum genügt der Bebauungsplan Autobahnkreuz Südost in Empfingen nicht, um Shell daran zu hindern, die Zahl ihrer Lkw-Stellplätze auf 50 zu erhöhen?

Der aktuelle Bebauungsplan wurde vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg für nichtig erklärt. Er muss durch einen neuen ersetzt werden. Er soll die nötige städtebauliche Ordnung gewährleisten, die planerischen Vorstellungen der Gemeinde zur Geltung bringen und die Anwohner vor weiterem Lärm schützen. Ohne Bebauungsplan ist die Erweiterung vielleicht zulässig, sobald die bis Ende Juli befristete Veränderungssperre ausgelaufen ist. Darauf wartet Shell sicher schon. Rechtzeitig vorher muss der neue Bebauungsplan in Kraft getreten sein. Daran sind dann die Erweiterungspläne von Shell zu messen, und daran werden sie auch scheitern. Ohne den Bebauungsplan läuft es auf einen Gutachterstreit hinaus, ob die Tankstelle nach der Erweiterung zu laut ist oder nicht. Darauf will es die Gemeinde nicht ankommen lassen und lieber ihre Bürger vorsorglich schützen.

Was muss jetzt Ihrer Meinung nach getan werden, um die Erweiterung der Tankstelle abwenden zu können?

Der Bebauungsplan muss in Kraft getreten sein, bevor die Veränderungssperre ausläuft. Gleichzeitig kann man einen besseren Standort suchen und Shell anbieten. Das kann sogar auf Gemeindegebiet sein. Nur dauert das noch. Darauf wird Shell nicht freiwillig warten. Deshalb wird das Bebauungsplanaufstellungsverfahren jetzt vorangebracht.

Sie erwähnten in der Gemeinderatssitzung das Stichwort Normenkontrollverfahren. Was genau geschieht bei einem Normenkontrollverfahren?

Eine Normenkontrollklage nach Paragraf 47 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist das Rechtsmittel der Wahl, um einen Bebauungsplan zu Fall zu bringen. Im Erfolgsfall erklärt der Verwaltungsgerichtshof einen Bebauungsplan für nichtig. Er kann dann nicht mehr angewandt werden. Ein Bauwilliger kann aber auch direkt auf eine Genehmigung klagen. Dann ist zwar die Verwaltung erst einmal an den Bebauungsplan gebunden. Ein Gericht könnte aber auf Verpflichtungsklage auf Erteilung der Genehmigung einen Bebauungsplan auch indirekt ("inzident") prüfen und verwerfen, also unangewendet lassen. Es könnte dann die Verwaltung zur Erteilung der begehrten Baugenehmigung verpflichten. Die Normenkontrollklage geht aber schneller.

Sehen Sie eine realistische Chance, dass eine kleine Gemeinde wie Empfingen sich gegen den Weltkonzern Shell durchsetzen kann?

Das ist keine Frage der Größe, sondern der Planungshoheit und ihrer Grenzen. Grundsätzlich bestimmt die Gemeinde auf ihrem Gebiet durch den Bebauungsplan, was gebaut werden kann und was nicht. Daran hat sich auch ein Weltkonzern zu halten. Die Gemeinde möchte ihre Bürger vor Verkehrschaos und einer weiteren Verlärmung schützen. Das ist abzuwägen gegen die Erweiterungsinteressen des Tankstellenbetreibers und das Interesse derer, die den erweiterten Rasthof künftig nutzen könnten. Der Bedarf an Lkw-Stellplätzen entlang der Hauptverkehrsadern liegt auf der Hand. Das Lager von Handel und Gewerbe liegt heute praktisch auf der Straße. Die Frage ist hier wie so oft: Wo bringt man diese Nutzung am besten unter?   Die Fragen stellte Daniel Begemann.