Ein Impfpass wird mit einem Aufkleber zum Nachweis der Impfung versehen. Eine Balingerin ist wegen Urkundenfälschung angeklagt, weil sie ein Impfbuch mit falschen Nachweisen in einer Apotheke vorgelegt haben soll. Foto: Murat

Eine 60-jährige Balingerin soll Ende November 2021 in einer Bisinger Apotheke ein Imfbuch mit falschen Eintragungen vorgelegt haben – deshalb ist sie wegen Urkundenfälschung angeklagt. Der Prozess ist am Dienstag in Hechingen.

Balingen/Hechingen - In einem der bundesweit wohl ersten Fälle muss sich an diesem Dienstag eine Balingerin am Amtsgericht Hechingen wegen des Vorwurfs der Urkundenfälschung im Zusammenhang mit der Vorlage eines gefälschten Impfbuchs verantworten.

Die 60-Jährige soll nach Angaben des Gerichts gegenüber unserer Redaktion am 29. November in der Bisinger Heidelbergapotheke ein Impfbuch vorgelegt haben, in dem sich zwei Eintragungen zu tatsächlich nicht erfolgten Impfungen gegen Covid-19 befanden. So habe die Angeschuldigte nach Überzeugung der Hechinger Staatsanwaltschaft erreichen wollen, dass ihr ein digitaler Impfausweis ausgestellt wird.

Strafrecht angepasst

Wenige Tage vor dieser mutmaßlichen Tat hatte der Gesetzgeber das Strafrecht vor dem Hintergrund zahlreicher ähnlich gelagerte Fälle angepasst. Bis dato war der Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse – etwa eines Impfbuchs mit gefälschten Einträgen – gemäß Paragraf 279 des Strafgesetzbuchs nur dann strafbar ist, wenn diese gegenüber Behörden oder Versicherungen verwendet wurden. So hatte das Landgericht Osnabrück mit Beschluss vom 26. Oktober festgestellt, das Vorzeigen eines gefälschten Impfausweises in einer Apotheke zur Erlangung eines digitalen Impfzertifikats sei nach der derzeitigen Rechtslage kein strafbares Handeln, es sei von einer sogenannten Strafbarkeitslücke auszugehen. Seit dem 24. November 2021 ist derweil die Verwendung solcher gefälschten Zeugnisse laut Paragraf 279 "im Rechtsverkehr" strafbar. Davon umfasst sein kann nun auch die Vorlage etwa eines gefälschten Impfausweises in Apotheken mit dem Ziel, einen QR-Impfcode zu erhalten.

Staatsanwaltschaft strebt Musterprozess an

Trotz dieses einschlägigen Spezialparagrafen ist die Balingerin nun wegen Urkundenfälschung angeklagt – ein Umstand, der zunächst verwirrt, auf den zweiten Blick allerdings auf eine mögliche Strategie der Hechinger Staatsanwaltschaft hindeutet: Das Amtsgericht soll in diesem Fall entscheiden, ob außer wegen des Vorwurfs des Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse auch eine Verurteilung wegen Urkundenfälschung gemäß Paragraf 267 in Betracht kommt.

Die Hechinger Staatsanwaltschaft hatte zuletzt auch Anklage gegen einen Mann aus Rottweil zum Landgericht erhoben, der Anfang November und damit vor der Verschärfung des Paragrafen 279 ein gefälschtes Impfbuch in einer Apotheke vorgelegt hatte. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft in diesem Fall, der nach dem früheren Wortlaut des Paragrafen 279 nicht strafbar ist: Urkundenfälschung.

Verhandlung im beschleunigten Verfahren

Fraglich ist, ob das Landgericht Hechingen diese Anklage über diesen „Umwegs-Paragrafen" zulässt, darüber brüten die Richter gerade. Die Staatsanwaltschaft will wegen der besonderen Bedeutung des Falls und vieler ähnlich gelagerter Taten höchstrichterlich durch den Bundesgerichtshof klären lassen, ob es sich um eine Urkundenfälschung handelt, wenn jemand – insbesondere vor der am 24. November in Kraft getretenen Verschärfung des Paragrafen 279 – in einer Apotheke ein gefälschtes Impfbuch vorgelegt hat. Das Gesetz sieht bei einer Verurteilung wegen Urkundenfälschung höhere Strafen als wegen des Vorwurfs des Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse vor.

Der nun anstehende Prozess gegen die Balingerin könnte in dieser Hinsicht einen ersten Hinweis geben. Weil die Verhandlung im sogenannten beschleunigten Verfahren durchgeführt wird, droht der Frau maximal eine Freiheitsstrafe von einem Jahr oder Geldstrafe. Ein Amtsgericht in der Pfalz hatte zuletzt – nach Aktenlage, ohne Verhandlung – bereits mehrere Strafbefehle wegen Urkundenfälschung in Fällen erlassen, in denen die Angeschuldigten gefälschte Impfausweise vorgelegt hatten.