Die neue Regel gilt für Ehepartner, Eltern minderjähriger Kinder oder Söhne und Töchter unter 18. Foto: dpa

CDU, CSU und SPD haben sich verständigt: Von August an dürfen Bürgerkriegsflüchtlinge Angehörige nachholen – insgesamt maximal 1000. In Härtefällen darüber hinaus greift eine existierende Regelung weiter.

Berlin - Der Bundestag wird am Donnerstag die vollständige Aussetzung des Familiennachzugs bei subsidiär geschützten Flüchtlingen lockern. Darauf haben sich Union und SPD im Rahmen ihrer Koalitionsgespräche verständigt. Diese sollen zwar erst am Wochenende abgeschlossen werden, in der Flüchtlingspolitik hatte es jedoch besonderen Zeitdruck gegeben: Am gleichen Tag stimmt der Bundestag über eine Anschlussregelung für den Mitte März nach zwei Jahren auslaufenden Nachzugsstopp ab. Es geht dabei vor allem um die Angehörigen von rund 175 000 Bürgerkriegsflüchtlingen, die weder asylberechtigt sind noch den Schutz der Genfer Konvention genießen.

Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Unionsfraktion hatte quasi unbefristeten Charakter. „Bis zum Inkrafttreten der Neuregelung des Familiennachzugs“, wie es dort heißt, wäre es weiterhin unmöglich gewesen, dass Eltern ihre Kinder nachholen oder umgekehrt. Die Sondierungsvereinbarung, wonach es von August an ein Kontingent von 1000 Angehörigen pro Monat geben soll, war im eigentlichen Gesetzestext der Union gar nicht erwähnt, sondern tauchte nur in den Erläuterungen dazu auf: „Die gesetzliche Neuregelung soll bis zum 31. Juli 2018 erarbeitet werden.“

Die Sozialdemokraten hatten daher befürchtet, über den Tisch gezogen zu werden – weil CDU und CSU im Sommer bei einer existierenden Regelung einen Rückzieher hätten machen können. Die Union wiederum, die in ihrem „Regelwerk zur Migration“ eine anhaltende Aussetzung des Nachzugs versprochen hatte, wollte nicht Gefahr laufen, im März ohne Anschlussregelung dazustehen – sonst hätten wieder alle Familienmitglieder von „Subsidiären“ nachziehen können. Zur Einigung mit der SPD trug auch bei, dass ohne gemeinsamen Gesetzesänderungsantrag die AfD für den reinen Unionstext hätte stimmen können, was CDU und CSU vermeiden wollten.

In der Summe werden nicht mehr Menschen einreisen

Das neue Gesetz, das unabhängig von einem Zustandekommen der großen Koalition am Donnerstag verabschiedet werden soll, beinhaltet nun – wie von der SPD gewünscht – das konkrete Sondierungsergebnis. Bis zu einer detaillierteren Neuregelung, heißt es im Text, „längstens jedoch bis zum 31. Juli“, bleibt der Nachzug bei den Bürgerkriegsflüchtlingen ausgesetzt.

Von August an wird Ehepartnern, minderjährigen Kindern oder eben den Eltern von Jungen und Mädchen unter 18 „aus humanitären Gründen“ die Einreise nach Deutschland gestattet, „bis die Anzahl der nach dieser Vorschrift erteilten Aufenthaltserlaubnisse die Höhe von monatlich 1000 erreicht hat“. Mit diesem Kontingent erlischt der alte Rechtsanspruch aus der Zeit vor der Aussetzung. Das hält Unionsfraktionsvize Stephan Harbarth aus Sicht seiner Partei für „entscheidend“: „Auch in Zukunft wird es keinen Anspruch auf Nachzug zu subsidiär Schutzberechtigten geben – die Aufnahme erfolgt allein aus humanitären Gründen.“

In der Summe werden auch nicht mehr Menschen nach Deutschland einreisen: CDU und CSU hatten in den Sondierungen durchgesetzt, dass mit den 1000 nachziehenden Angehörigen pro Monat parallel die freiwillige Aufnahme von 1000 Migranten aus den EU-Außengrenzstaaten Griechenland und Italien entfällt. Eine umfassende Härtefallregelung, wie sie SPD-Chef Martin Schulz dem sozialdemokratischen Parteitagvor zehn Tagen versprochen hatte, beinhaltet die jüngste Einigung (noch) nicht.

SPD-Arbeitsgemeinschaft Migration zeigt sich unzufrieden

Unions-Fraktionschef Volker Kauder verwies am Dienstag in Berlin auf eine bestehende Härtefallregelung, „die fortgeführt wird“. Paragraf 22 des Aufenthaltgesetzes findet also über die vereinbarten 1000 Angehörigen hinaus Anwendung. Dort heißt es: „Einem Ausländer kann für die Aufnahme aus dem Ausland aus völkerrechtlichen oder dringenden humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden.“ Schulz sprach aus diesem Grund davon, dass seine Partei „eine Regelung 1000 plus“ durchgesetzt habe.

Zahlenmäßig spielt die jetzige Härtefallregelung bisher aber nur eine untergeordnete Rolle. 2017 haben die deutschen Auslandsbotschaften bis zum 4. Dezember nach Angaben der Bundesregierung 66 entsprechende Visa erteilt. In weiteren 113 Fällen wurde ein Visumsverfahren eingeleitet. 117 Antragsteller erhielten außerdem einen weiteren Anhörungstermin.

Die SPD-Abgeordnete Eva Högl kündigte an, ihre Partei wolle in den weiteren Koalitionsgesprächen noch dafür sorgen, dass die Botschaften die Regel „etwas weitgehender interpretieren“ oder diese im Wortlaut erweitert wird: „Das ist jetzt alles in den nächsten Stunden und Tagen noch Verhandlungssache zwischen den Verhandlungspartnern.“

Die SPD-Arbeitsgemeinschaft Migration teilte in Gestalt ihres Bundeschefs Aziz Bozkurt bereits mit, er sehe mit dem aktuellen Verhandlungsstand die Parteitagsforderung nicht erfüllt: „Man sollte dies den Delegierten, die engagiert um jede Formulierung gerungen haben, nicht als Erfolg verkaufen.“