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Wissenschaftler haben eine Erklärung für die Zusatzkilos bei ehemaligen Rauchern gefunden. Aufhören zu Rauchen lohnt sich dennoch.

Zürich - Das Leben eines Rauchers ist nicht einfach – auch dann nicht, wenn er aufhört. Denn neben Entzugserscheinungen zeigen sich dann oft neue Fettpolster. Lange dachte man, das liegt an dem Verzicht auf das anregende Stoffwechselgift Nikotin. Doch eine aktuelle Studie des Universitätsspitals Zürich hat eine ganz andere Erklärung.

Die Schweizer Forscher untersuchten jeweils vier Stuhlproben von 20 Teilnehmern: fünf Nichtrauchern, fünf Rauchern und zehn Personen, die eine Woche nach Studienbeginn einen Rauchstopp einlegten. Im Visier hatte man die Darmflora. Bei den Rauchern und Nichtrauchern veränderte sie sich binnen acht Wochen fast gar nicht. Bei den Neu-Abstinenzlern jedoch stellte sie sich geradezu dramatisch um: Die Stämme der Bakterien Proteobacteria und Bacteroidetes legten zu, die der Firmicuten und Actinobacteria gingen zurück. Gleichzeitig nahmen die Rauchstopper selbst um durchschnittlich 2,2 Kilogramm zu. Und das, obwohl sie ihr Ess- und Trinkverhalten kaum verändert hatten – abgesehen von einem verstärkten Alkoholkonsum zum Ende der Studie.

Diese Ergebnisse entsprächen früheren Laborversuchen, erklärt Studienleiter Gerhard Rogler. Darin hatte man den Kot fettleibiger Mäuse in den Darm normalgewichtiger Artgenossen transplantiert und anschließend beobachtet, dass neben dem Gewicht der behandelten Tiere auch deren Proteobacteria- und Bacteroidetes-Stämme zunahmen. Es spricht also vieles dafür, dass diese Darmflora-Truppen die Nahrung effizienter zersetzen und dadurch dem menschlichen Körper mehr Energie zuführen. Nimmt ihre Zahl nach einem Rauchstopp zu, bleiben mehr Kalorien übrig. Diese werden in den Fettdepots geparkt.

Nikotin kann Stimmung Depressiver aufhellen

Bleibt die Frage, ob man dieses neue Darmmilieu nicht wieder so verändern kann, dass es weniger dick macht. Beispielsweise durch den Verzehr probiotischer Joghurts. Oder auch durch das Kot- oder Fäkaltransplantat eines schlanken Menschen.

Die Probiotik-Variante hält Experte Gerhard Rogler für chancenlos, die üblichen Joghurtkulturen könnten nicht gezielt die Dickmacher im Darm ausschalten. Für die Stuhlverpflanzung sei das zwar „prinzipiell vorstellbar“, doch noch wisse man zu wenig über diese Methode.

Rogler rät daher zu einem Klassiker der Gewichtskontrolle: „Am besten hilft immer noch, die Zeit, die man sonst ins Rauchen investiert hat, mit Bewegung zu verbringen.“ Drei Stunden Sport pro Woche seien doch allemal besser, als sich den Kot eines anderen Menschen implantieren zu lassen.

Oder man hofft einfach auf die Statistik. Französische Suchtmediziner ermittelten nämlich, dass über 20 Prozent der Ex-Raucher im ersten Monat ihrer Abstinenz nicht etwa zu-, sondern sogar abnehmen. Nach einem Jahr sind es immerhin noch 13 Prozent.

Eine mögliche Erklärung: Aus der Hirnforschung weiß man, dass Nikotin in den Botenstoffwechsel eingreift und dadurch die Stimmung depressiv veranlagter Menschen aufhellen kann. Nicht umsonst ist die Quote der Depressiven unter Rauchern überdurchschnittlich hoch. Hören sie mit dem Tabakkonsum auf, kehren auch die depressiven Symptome zurück – und dazu gehört auch der Appetitverlust.

Ein frischgebackener Ex-Raucher kann also von tiefer Traurigkeit befallen sein, dafür aber – aufgrund seines fehlenden Appetits – wenigstens vom Übergewicht verschont bleiben. Sozusagen ein Jammertal mit der Schlankheit als kleinem Hoffnungsschimmer. Es ist eben niemals einfach, ein Raucher zu sein.