"Vocal Recall": Matthias Behrsing (Pianist), Alice Köfer (Sopran), Dieter Behrens (Tenor) und Bernhard Leube (Bass, von links) überzeugten im Bürgersaal mit erstklassiger Musik, gepaart mit herrlichem Wortwitz. Foto: Günther Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur im Museum: "Vocal Recall" bieten Konzerterlebnis der besonderen Art / Streifzug durch die Charts

Total genial: Die vier Berliner Künstler der Gruppe Vocal Recall boten dem zahlreich erschienenen Publikum im Dornstetter Bürgersaal ein Konzerterlebnis der Extraklasse.

Dornstetten. Der ehrwürdige Bürgersaal, üblicherweise der Ort für Gemeinderatssitzungen, verwandelte sich in einen Konzertsaal mit ausgezeichneter Akustik. Eigentlich nicht weiter verwunderlich, denn mit Matthias Behrsing (Pianist), Alice Köfer (Sopran), Dieter Behrens (Tenor) und Bernhard Leube (Bass) waren studierte Musiker nach Dornstetten gekommen, die ihr Handwerk beherrschen.

Jedoch bot die zweite Veranstaltung der beliebten Reihe "Kultur im Museum" nicht nur beste Musikdarbietungen, bei denen buchstäblich jede Note saß. Vielmehr kredenzte das Gesangstrio auch eine Fülle interessanter Texte, teilweise als Rap dargeboten, witzige Wortspiele und geistreiche Gedichte.

Wunderbare Töne erfassen auch den letzten Winkel im Bürgersaal

Die musikalischen Streifzüge durch die größten Chart-Erfolge der Welt reichten von Beethoven bis Nena, stets begleitet von temperamentvoller Bewegung. Herrlich das gesungene Statement der Gruppe zum geplanten neuen Großflughafen ihrer Heimatstadt. Dazu hatten die drei Konzert- und Opernsänger Beethovens "Freude schöner Götterfunken" umgetextet zu "Freu‘ dich auf den Großflughafen". Und – was ja durchaus auch für die Großbaustelle in Baden-Württembergs Hauptstadt gilt – zu "Seid verschlungen, Millionen". Geradezu pantomimische Einschübe verliehen den Darbietungen zusätzlich Schwung und Tiefe.

Aber auch aktuelle gesellschaftspolitische Entwicklungen wurden singend angeprangert. Da trällerte Alice Köfer zu Melodien aus Bizets Carmen "An allem sind die Grünen schuld", oder das Trio beklagte: "Wenn das Benzin zu teuer ist." Auch die aktuelle Wohnungsnot wurde unter dem Motto "Lebt denn der alte Hausmeister noch" musikalisch aufgearbeitet.

Die Zuhörer waren sichtlich angetan davon, welche Wohlklänge und welches Klangvolumen durch dreistimmigen A-cappella-Gesang mit Klavierbegleitung erzeugt werden können. Drei ausgebildete Stimmen, sensibel begleitet von Matthias Behrsing am Piano, füllten den Bürgersaal bis in den letzten Winkel mit wunderbaren Tönen. Und während Alice Köfer herzerfrischend singend vom gemeinsamen Urlaub schwärmte, in dem sie mit ihren Mitstreitern zusammen "durch den Spreewald gurken möchte", besang Bernhard Leube eine Reise nach Bayern, bei der er eine unbekannte Kultur, exotische Küche und eine fremde Sprache erlebt hatte.

Auch bekannte Gassenhauer wie "Ein Stern (der deinen Namen trägt)" oder "Tanze Samba mit mir" wurden neu interpretiert, und Nenas "99 Luftballons" wurden bei "Vocal Recall" zu "99 Wurstkartons", mit denen sich ein Vegetarier herumschlagen muss.

Höhepunkt des Konzertabends aber waren die gesungenen Nöte eines Steuerpflichtigen, der seine Steuererklärung ablegen muss. In einem klanggewaltigen mehrstimmigen Choral – herrlich dabei auch die Solopartien von Wagnersänger Bernhard Leube – verdeutlichten die Künstler, welche Tücken es dabei zu umschiffen gilt. Gekonnt wurde auch das Publikum mit einbezogen, um die elektrische Zahnbürste, den Rasierapparat sowie Alices Köfer Kontaktlinsen als berufsbedingte Sonderausgaben zu bescheinigen. Im Gegenzug dazu deklarierten die Künstler die Kosten der Eintrittskarten als Weiterbildungsmaßnahme.

Als begabter Poet entpuppte sich im Laufe des Abends Tenor Dieter Behrens, der zwischen den Gesangstücken Gedichte im Stil von Joachim Ringelnatz oder Eugen Roth vortrug. Überhaupt war das Konzert neben dem Gesang auch geprägt von Sprache: Rap, Wortwitz, Wortspiele und Gedichte. Diese gelungene Kombination wirkte bei den Besuchern noch lange nach. Insofern ist der Name "Vocal Recall" durchaus Programm.