Das Gasthaus Lamm um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert: Über der Eingangstüre ist die Erinnerungstafel zu sehen, die der Erbauer des Hauses, Hofbäcker Fidel Schmider, anbringen ließ. Foto: Stadtarchiv Donaueschingen Foto: Schwarzwälder Bote

Historisches: Gastwirtschaft war verbunden mit Marie-Antoinette – und musste der Bundesstraße weichen

Zwei Dinge erinnern noch an das ehemalige Gasthaus "Lamm": der Lamm-Platz beim Bräustüble und die Erinnerungstafel an die Brautfahrt von Marie-Antoinette, Gemahlin des späteren französischen Königs Ludwig XVI. von Wien nach Versailles vom 21. April bis 16. Mai 1770.

Donaueschingen. Marie-Antoinette machte am 3. Mai 1770 mit ihrer Begleitung – 235 Personen, insgesamt 57 Wagen, die meisten sechsspännig, und 350 Zug- und Reitpferde – Station in Donaueschingen. Hofbäcker Fidel Schmider durfte für die Verpflegung der Reisenden die Brötchen liefern.

Für Schmider war dies vermutlich nicht nur ein lukrativer Auftrag, sondern auch eine besondere Ehre. Jedenfalls ließ er die Kunde von diesem besonderen Ereignis in Stein meißeln und in Form einer Gedenktafel über der Eingangstüre des Gasthauses "Lamm" mit folgendem Text anbringen: "Anno 1770 den 3. May wurde ich Fidelis Schmider anhero berufen, den ersten Mundsemmel zur Hochfürstlichen Tafel zu backen woran der Königin von Frankreich Majestät Maria Antonia speiste. Darnach erbaute ich dieses Haus Anno 1783."

Es könnte sein, dass sich das "Lamm" aus der Hofbäckerei von Fidel Schmider entwickelt hat, der als Hofbäcker 1780, 1781 und 1783 nachweisbar ist. Wie den im F.F.-Archiv verwahrten Unterlagen entnommen werden kann, war es nämlich im 18. Jahrhundert durchaus üblich, dass Bier nicht nur in Gastwirtschaften, sondern auch von Bäckern, Metzgern und anderen ausgeschenkt wurde.

Erbaut wurde das Haus von Fidelis Schmider, wie bereits erwähnt, 1783. Der Beginn als Gastwirtschaft wird im Jahr 1807 gesehen. Seine Blütezeit soll das "Lamm" in der Kaiserzeit gehabt haben. Es dürfte also seine Bedeutung als Gastronomie- und Beherbergungsbetrieb in den Jahren erlangt haben, als Donaueschingen sich anschickte, in Konkurrenz zu Bad Dürrheim mit der am Aasener Kapf geförderten Sole einen Kurbetrieb aufzubauen. Wirte im "Lamm" waren von 1843 bis 1850 Hermann Boll und nach diesem bis 1867 der Schützenwirt Buri. Dieser wollte das "Lamm" verkaufen und bot es für 15 000 Gulden dem Haus Fürstenberg an. Dieses zeigte allerdings kein Interesse, sodass das Grundstücksgeschäft nicht zustande kam.

Handelseinig muss Buri aber mit Johann Dullenkopf geworden sein, der 1874 als Eigentümer der Immobilie genannt wird. 1896 ist dessen Witwe Louise Dullenkopf Eigentümerin, die aber bald in Zahlungsschwierigkeiten geriet. Im Juli 1897 kam es zur Zwangsversteigerung, bei welcher der Schwiegersohn von Louise Dullenkopf das "Lamm" für 80 000 Mark ersteigerte. 1902 war Betreiber der Pension "Lamm" Carl Dullenkopf.

1936 ist in den einschlägigen Akten als Eigentümer des "Lamm" das Ehepaar Karl und Adelheid Kurth vermerkt. Dieses verkaufte das Haus im April 1940 an die Doggererz AG Blumberg. Im Juli 1941 wechselte das Haus erneut den Besitzer: Doggererz verkaufte an das Haus Fürstenberg. Den Kaufpreis bezahlte allerdings die Brauerei, die in den Kaufvertrag eingetreten war. Jetzt wurde das Haus an den Reichsfiskus zur Nutzung für eine Dienststelle der Luftwaffe vermietet. Der Gewölbekeller diente während des Krieges als Luftschutzkeller.

1949 ging das Eigentum wieder von der Brauerei an das Haus Fürstenberg über. Jetzt wurde das "Lamm" überwiegend von der Pfarrei St. Johann genutzt. Im Erdgeschoss waren das Pfarramt und die Pfarrbücherei untergebracht, ebenso die Kreisgeschäftsstelle des Caritasverbandes für den Landkreis Donaueschingen sowie ein Tagesschülerheim und schließlich auch noch ein Büro für den Ortsausschuss der Gewerkschaft. Der Saal im ersten Obergeschoss wurde für öffentliche Veranstaltungen genutzt, und im oberen Stockwerk wohnten mehrere Familien.

Mit dem zunehmenden Autoverkehr – die Straße an der Stadtkirche war damals noch Bundesstraße – erwies sich das Lamm als großes Verkehrshindernis. Das Straßenbauamt entwickelte deshalb Pläne, die Straße in diesem Bereich und in der Karlstraße beim Gasthaus "Sonne" zu begradigen. Zur Verwirklichung erwarb die Stadt 1956 das "Lamm" mit dem Ziel des Abbruchs, der im Oktober des gleichen Jahres erfolgte.

Gaststätten in der Region, die Kultstatus erworben haben, eine interessante Geschichte zu erzählen haben oder schlicht früher ein besonderer Treffpunkt waren und heute vielleicht gar nicht mehr existieren – sie stehen im Fokus dieser Serie. Sie beleuchtet jeweils die Geschichte der Gaststätte und deren Entwicklung. Was hat sich dort abgespielt, warum war die Kneipe ein besonderer Treffpunkt? Die Serienteile erscheinen in loser Abfolge. Bereits erschienen ist ein Artikel über das ehemalige Gasthaus "Jagdschloss Wartenberg" auf dem gleichnamigen Berg bei Geisingen.