Matthias Lieb, Landesvorsitzender des Verkehrsclubs Deutschland, vor einer Folie zur Kappung der Gäubahn. Foto: Jürgen Lück

Matthias Lieb legt im Horber Kloster den Finger in den Bahn-Irrsinn. Der Landesvorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland spricht Klartext: „Die Chancen für die Gäubahn-Durchfahrt Hauptbahnhof sind jetzt besser!“

Das Kloster proppenvoll. Gäste unter anderem Kristina Sauter (OGL) und Dieter Rominger-Seyrich (SPD). Zwei Urgesteine, die für die Horber Hochbrücke gekämpft hatten.

Nicht nur ihre Sorge: Warum läuft’s beim Straßenbau rund, während bei Gäubahn und Stuttgart 21 der Wurm drin ist? Im Kloster zog VCD-Landeschef Matthias Lieb eine Knallhart-Analyse und erklärt die Hintergründe.

Stuttgart 21 Lieb: „Als S 21 entschieden wurde, war die Deutsche Bahn gewinnorientiert. Der Bund sollte die Infrastruktur tragen. Die Bahn sagte nicht, was gebaut werden muss. Die Politik entschied nicht richtig.“ Heute werde versucht, die schlimmsten Folgen der „unzureichenden Planung“ abzumildern.

Kappung der Gäubahn Stuttgart-Vaihingen/Umstieg auf die S-Bahn bis Hauptbahnhof. Die ursprüngliche Streckenführung über die Rohrer-Kurve (S-Bahn Strecke) zum Flughafen macht die Gäubahn zu langsam für den Deutschlandtakt. Stattdessen zehn Kilometer Pfaffensteigtunnel für eine Milliarde Euro (Kostenstand: 2015), damit die Gäubahn frühestens ab 2032 fix zum Flughafen kommt.

Gäubahn: Schein-Kompromiss. Lieb: „Das Angebot bis Bondorf war früher besser als jetzt. 2007 kürzte Ministerpräsident Stefan Mappus. Alle Strecken – Stuttgart-Heilbronn, Karlsruhe oder Aalen – haben inzwischen einen Metropolexpress im Halbstundentakt.“ Auf der Gäubahn nicht. Lieb: Hier gibt’s den IC ohne Aufpreis. Das Land subventioniert dafür DB-Fernverkehr (hier muss die Bahn Gewinne machen!). Nachteil: Nur Stundentakt. Der IC hält an (fast) jeder Milchkanne.“

S-Bahn-Verlängerung Horbs OB Peter Rosenberger kämpft (auch als Vize-Vorstand der IG Gäubahn) für die Verlängerung der S-Bahn bis Horb. Die anderen Gäubahn-Anlieger für die Verlängerung bis Rottweil und Singen. Nicht vor 2027 zu stemmen.

Nachteil: S-Bahn hat keine Klos. Langsam. Vorteil: S-Bahn könnte bis Hauptbahnhof ohne Umstieg fahren. Beste Lösung: Metropolexpress alle 30 Minuten bis Stuttgart – möglichst ab Singen.

Durchfahrt bis Hauptbahnhof Lösung: Die Gäubahn fährt über Panorama-Bahn in Stuttgart über das bisherige Gleis bis Hauptbahnhof bis 2032. Die IG Gäubahn will das jetzt von unabhängigen Gutachtern prüfen lassen.

Die Bahn hatte bisher gesagt: Zu teuer. Der VCD wirft der Bahn deshalb „Faktenschummel“ vor.

Matthias Lieb: „In diesem Jahr soll die Brücke für die Gäubahn-Schienen am Nordbahnhof für die Einfahrt in den Hauptbahnhof Stuttgart für 600.000 Euro ertüchtigt werden. Macht es gleich richtig!“ Laut Bahn-Studie von 2018 kostet es 1,8 Millionen Euro, hier so umzubauen, dass das Gäubahn-Interim weiter bis Hauptbahnhof fahren kann, ohne die S-Bahn zu stören.

Widerstand der Landehauptstadt Stuttgart sagt: Das verzögert neues Rosensteinviertel auf dem Gleisvorfeld. Allerdings: Vor 2032 könne man dort ohnehin nichts bauen, so Stuttgarts Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne). Der VCD-Landesvorsitzende: „Landesverkehrsminister Hermann setzt jetzt auf das Nahverkehrsdreieck. Damit braucht Stuttgart keine Bedenken mehr zu haben, dass der Bau der Ergänzungsstation ihre Baupläne verzögert.“ Erhöht die Chance des Gäubahn-Interims.

Panoramastrecke Die Gäubahn fährt derzeit über die Panoramabahn. Land, Stadt und Bahn wollen die bis Nordbahnhof zwischen 2025 und 2027 unter Vollsperrung sanieren. VCD-Landeschef Lieb: „Das muss vor 2025 passieren.“ Problem: Bisher wird die Panoramastrecke auch als Ausweichstrecke genutzt – auch diesen Sommer wieder.

Es bleibt also echt kompliziert. Übrigens: Stuttgart 21 sorgt in ganz Deutschland für Bahnchaos, wie Lieb klarmacht: „Stuttgart 21 ist um Milliarden Euro teurer geworden. Dieses Geld fehlt in der Zwischenzeit natürlich für andere dringend notwendige Bahn-Projekte. Das spricht keiner offen aus – aber wer Zug fährt, der spürt es!“