Der Bietigheimer Rapper Bausa beim Auftritt am Freitagabend im Wizemann. Foto: Lichtgut/Oliver Willikonsky

Businessplan Hip-Hop: Bausa bringt am Freitag beim Konzert Wizemann den Teen-Spirit mit dem Lebensgefühl der Twentysomethings zusammen, umschifft aber eine plumpe „Hauptsache, ihr habt Spaß“-Haltung.

Stuttgart - Der nächste bitte: In rasantem Tempo bringt die deutsche Hip-Hop-Szene augenblicklich einen Newcomer nach dem anderen hervor. Die Ankunft des Genres im Mainstream liegt zwar schon rund zwei Jahrzehnte zurück, aber noch immer gedeiht der Markt für fette Beats, coole Sprüche und eine lässige Attitüde prächtig und ermöglicht Karrieren im Zeitraffer: in maximalem Tempo zu maximalem Erfolg. Fast aus dem Nichts heraus avancieren Youngster wie Nimo, Capo oder Tua zu millionenschweren Stars – zwar (noch) nicht in Euro gemessen, aber in Internet-Klicks.

Im Fall von Bausa, dem aktuellen Überflieger unter den heimischen Branchenneulingen, purzelt gar der eine oder andere Rekord. Mit „Was du Liebe nennst“ gelang dem 1989 in Saarbrücken geborenen und in Bietigheim lebenden Musiker der am längsten auf Position eins der nationalen Singlehitparade platzierte deutschsprachige Titel seit zehn Jahren und der am häufigsten dort platzierte deutschsprachige Hip-Hop-Song aller Zeiten. Und der Videoclip zum Hit wurde allein auf Youtube inzwischen über fünfzig Millionen Mal angeklickt. Logische Folge: ausverkaufte Hallen für den „Baui“ allerorts – auch am Freitagabend im Wizemann.

Innenansichten ins Lebengefühl der Hip-Hop-Gemeinde

Während sich Lena nebenan in der großen Halle an familienfreundlichem Mädchenpop versucht, geht es im kleineren Clubbereich expliziter zu. Da ziehen schon mal Rauchschwaden durch den Saal, die deutlich wahrnehmbar nicht nur von Nikotinzigaretten stammen, worauf hin der Sicherheitsdienst eine Runde durch den Raum dreht: eine Szene wie auf dem Schulhof, wenn in der großen Pause der Aufsichtslehrer nach dem Rechten sieht. Mit gut fünfhundert Besucher steigt hier also eine Party, die Innenansichten in das Lebensgefühl der Hip-Hop-Gemeinde erlaubt – und in die Befindlichkeiten ihres Hauptdarstellers. Nach dem lange Jahre größten Bordell dieser Stadt hat Bausa sein Debütalbum benannt: ein branchenüblicher Akt der Selbststilisierung als Hallodri natürlich, aber eben auch ein Statement eines Typen, der seine Lebensfreuden nicht in eine klassische Mittelstandsvita pressen lassen will: „Dreifarbenhaus“ statt Reihenhaus.

Das kantigere, reduzierte Live-Outfit steht den Songs gut

Mitgebracht ins Wizemann hat Bausa ein paar gute Freunde aus der nationalen Hip-Hop-Community. Eine exponierte Rolle nimmt der Ulmer DJ KidSoFly ein, der für seinen Chef die nötigen Beats aus PC und Laptop fingert und die Musik deutlich wegdreht von ihren synthielastigen Studiofassungen. Grooveorientierter, zupackender tönen Tracks wie „Vermisst“, „Tropfen“ oder „Baron“ (hier mit E-Piano-Begleitung), und das kantigere, reduzierte Outfit steht ihnen gut. Ohne jede Abstriche präsent hingegen ist Bausas kerniges, tiefes Organ, dessen Charisma auch die Stimmbearbeitungssoftware Autotune nicht ruinieren kann. Umgekehrt wird sogar viel mehr ein Schuh draus: Je weniger Effekte über den Vokalparts liegen, desto eindringlicher klingt sie – ein Soundprogramm lässt sich kopieren, eine rauraspelige Ausnahmestimme wie die von Bausa nicht. Aus beiden Elementen baut Bausa Tracks zwischen Hip-Hop und dessen düsterer elektronischer Schwester Trap, mit Texten, mal vorgetragen in klassischem Rap-Stil, mal eher im Stil eines Soulsängers. Erzählt wird darin die „Baui-Story“, und erst sie erklärt den Erfolg von Bausa.

Aus dem Leben eines Schwerenöters

„Dreifarbenhaus“ bietet Einblicke in eine Seelenlandschaft voller Ängste und Hoffnungen, in das Leben eines Schwerenöters zwischen Erziehungsheim und Gelegenheitsjobs. Das Ausweg aus dieser Biografie: Hip-Hop als Sound der Straße, als sich selbst erfüllende Prophezeiung, aus dem Nichts Großes zu schaffen. Eine Story wie aus einem Hollywood-Drehbuch – nur, das sie stimmt. Dieser Traum eines Lebens nach eigenen Regeln, der Nichtunterwerfung unter das Diktat der Bürgerlichkeit: Er eint Star und Fans und macht aus dem Wizemann-Konzert ein Event, bei dem die Bühne keine Barriere bildet. Ob der Bausa-Style, dieser Sound zwischen Teen- und Twen-Spirit, ausreicht für eine Karriere über den Tag hinaus? Schnee von morgen für Bausa an diesem Abend. Jetzt ist sein Moment, 2017 sein Jahr, und das kostet er voll aus. Und seine Fans mit ihm: Wenn die Woche zuvor mal wieder hart und das Leben kein Ponyhof war, kommt ein Freitagabend wie dieser genau recht für eine große Sause.

Auch der Bietigheimer Kumpel Rin schaut vorbei

Kleinere Enttäuschungen fallen da nicht groß ins Gewicht. „Stripperin“ wird zwar ohne die entsprechende weibliche Begleitung umgesetzt – dafür mit einem umjubelten Sample aus dem Santana-Hit „Maria Maria“. Und zu gucken gibt es dennoch so manches; je länger der Abend, desto häufiger. Stehen Balladen wie „Danke“ an, erhellt ein Meer aus Smartphone-Lampen und Feuerzeugen das Wizemann, zwischendrin bringt der Bietigheimer Kumpel Rin im Duett mit Bausa den Saal zum Beben und gegen Ende der Show gibt es sogar eine echte Gitarre zu besichtigen. Anders als Kollege Casper, der indierocknahe Riffs souverän in seine Musik integriert, fremdelt Bausa aber erkennbar mit dem Kapitel Saitensounds und so wird das sperrige Ding nach wenigen Takten wieder hinter die Kulissen verbannt. Mit bewährten Beats und Moves geht es dann Richtung Finale und hin zum erwartbaren Showdown.

Fast im Alleingang zelebriert die Wizemann-Crowd „Was du Liebe nennst“ als Zugabe und auf der Bühne tanzt die komplette Bausa-Familie vogelwild mit der dazugehörigen Goldenen Schallplatte. Und doch frönt Bausa nicht in erster Linie dem oft propagierten „Hauptsache-ihr-habt-Spaß“-Lifestyle – einen kleinen Tick komplexer ist seine Botschaft schon: Es gibt schlechtere Ideen, als ein mutmaßlich dröges Leben in eine Karriere als Hip-Hop-Star zu verwandeln. Die Perspektiven stehen bis auf weiteres jedenfalls glänzend: Am 2. März spielt er erneut im Wizemann – dann im doppelt so großen Hallenbereich.