Laut polizeilicher Schätzung kamen am Samstag in der Villinger Stadtmitte gut 1200 Menschen zusammen, um sich für die Demokratie stark zu machen. Foto: Birgit Heinig

Das Wetter war am Samstag auch keine Entschuldigung, nicht ihn die Villinger Innenstadt zu kommen und sich für die Demokratie zu positionieren. Bei strahlendem Sonnenschein gingen nach polizeilicher Schätzung gut 1200 Menschen auf die Straße.

Mit den Worten „Ihr macht unser Land nicht kaputt. Wir sind viele und mehr als ihr“, wandte sich Oberbürgermeister Jürgen Roth am 79. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz/Birkenau gegen die „tiefbraunen Kräfte und ihre Gesinnungsphantasien“ und eröffnete damit den Reigen der ein Dutzend Redner.

OB Roth ist überwältigt

Er sei überwältigt von der Menschenmenge, die ein „Signal gegen Rassismus, Antisemitismus und rechte Hetze“ setze, so der OB. Stolz sei er, in so einer Stadt geboren zu sein. „Die Zukunft der Demokratie hängt von der Stärke derer ab, die sie verteidigen“, rief Roth.

„Ihr seid der Wahnsinn“. Auch Derya Türk-Nachbaur, die SPD-Bundestagsabgeordnete mit Migrationsgeschichte, ließ ihrer Begeisterung beim Blick in die vier Innenstadtstraßen voller Menschen freien Lauf. Betroffen machte ihr Bericht vom heimischen Esstisch, an dem sie mit ihrer Familie bereits den „Plan B“ besprochen habe, wohin man im Falle einer Deportation durch die AfD denn gehen könne.

Den „Luxus des Schweigens“ habe man nicht mehr, sagte die Sozialdemokratin. Denen, die mit der aktuellen Regierung unzufrieden sind, rief sie zu, dass es keine Lösung sei, bei der nächsten Wahl den Faschisten aus Protest zur Macht zu verhelfen.

„Unser politisches System wird in Frage gestellt, unsere Demokratie ist gefährdet“, mahnte der FDP-Landtagsabgeordnete Frank Bonath. Als Grund machte er den Wunsch vieler „nach einer starken Hand und einfachen Lösungen“ aus, was es beim demokratischen Austausch von Argumenten in der Regel nicht geben könne. Zur AfD sagte Bonath unmissverständlich: „Es ist richtig, dass sie demokratisch gewählt wurde, sie ist es aber nicht“.

Wer für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und eine wehrhafte Demokratie einstehe, lasse keinen Raum für Hass und Hetze, lobte die Landtagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Martina Braun, die Demonstrierenden. Demokratie sei manchmal anstrengend, gab sie zu, aber ein Garant für Freiheit. Mit Blick auf die unrühmliche deutsche Geschichte sagte sie: „Wir tragen nicht die Verantwortung für das, was passiert ist, aber für das, was noch passiert“.

Wurden die Reden immer wieder mit Applaus und Trillerpfeifenkonzert honoriert, so sorgte der Vorsitzende des CDU-Stadtverbandes Johannes Hellstern für die ersten Buh-Rufe des Tages. Er führte die in der Bevölkerung offensichtlich wachsende Zustimmung zur AfD auf „verunsicherte Menschen“ zurück und stellte die Frage: „Ist die Mitte vielleicht zu weit nach links gerückt?“.

Gestört wurde die laut Polizei ansonsten friedlich verlaufende Demonstration immer wieder von einer jugendlichen Gruppe des offenen Antifatreffens, die mit Megafon-Zwischenrufen kritisierten, dass sie von den Organisatoren nicht als Redner zugelassen worden waren. Die Rednerliste setzte sich dagegen mit Beiträgen der evangelischen Kirche, der IG Metall, der Alevitischen Gemeinde, dem Nachwuchs von SPD, CDU und Grünen, „Fridays for Future“ und „VS ist bunt“ fort.

Breites Bündnis

Schon lange vor dem offiziellen Beginn versammelten sich Bürgerinnen und Bürger jeden Alters und vieler Nationen auf dem Latschariplatz in Villingen. Die Hauptorganisatoren Nicola Schurr und Axel Killmann von „VS ist bunt“ hatten im Vorfeld zum „Großen Bündnis für Demokratie“ aufgerufen, dem sich rund 30 Organisationen, Parteien, Vereine und Kirchen angeschlossen.

Man hatte die Möglichkeit, sich mit Regenbogenfahnen und Trillerpfeifen einzudecken, noch schnell ein Protestplakat zu basteln oder seine Vorstellungen und Wünsche niederzuschreiben und an eine Wand zu pinnen. Der Plan sei, so Schurr, die Zettelsammlung in den nächsten Wochen gemeinsam mit einem Graffiti-Künstler aufzubereiten und öffentlich zu präsentieren.