Ein Bild aus besseren Tagen der Mieze "Gini". Hier ist es schön gemütlich, da kann man es aushalten, dachte sie sich wohl nach der "Hausbesetzung". Fotos: Schleeh Foto: Schwarzwälder-Bote

Tierschicksale: "Gini" sucht sich ein neues Heim / Abschied nach zwei Jahrzehnten in den Katzenhimmel

Wer Haustiere mag, egal ob Hund, Katze oder sonstige Vierbeiner, Fellknäul sowie gefiederte Geschöpfe, der baut über die Jahre eine Beziehung zu ihnen auf. Sie bereichern den Alltag, sorgen für freudige Momente.

Deißlingen-Lauffen. Auch wenn es den kleinen Biestern mal nicht so gut geht, leidet man mit ihnen, macht sich Sorgen. Und so fing alles an: In der Nachbarschaft lungerten gleich mehrere Stubentiger im Vorgarten oder bei sonnigem Wetter im Schatten der parkenden Autos. Eines Tages entschloss sich "der Katzenfreund" nach dem Einparken, die Samtpfoten mal genauer anzuschauen. Zwei der vier "Biester" zeigten ebenfalls Interesse, wagten sich zumindest einige Meter dem Zweibeiner entgegen.

Allerdings mit Vorsicht, wie es sich für Katzen gehört. Man weiß ja nie, was der andere im Sinn hat. Doch die Lockrufe fanden Resonanz. Zumindest bei der Kleinsten, die sich als die Mutter der Bande herausstellen sollte. Deren Neugier war geweckt, was wohl auch am Verlangen nach Streicheleinheiten lag. Denn in ihrem bisherigen Zuhause schien für so etwas niemand Zeit zu haben.

Streicheleinheiten zeigen Wirkung

Der Katzenliebhaber weiß natürlich, wie er die Schlitzohren rumkriegt. Wer kann da schon widerstehen, wenn man hinter den Ohren gegrault wird, dazu noch am Hals und zur Abwechslung auch Rücken und Bauch in die Streicheleinheiten einbezieht…? Keine Frage, der schnurrende Minitiger genoss es, dass man sich auf seine Bedürfnisse einließ. Mit der Zeit überwiegt die Neugier, und Miezi traut sich das Treppenhaus hoch in die Wohnung. Der Katzenfreund hatte längst vorgesorgt, Leckerli für Feinschmeckernaschkatzen bereitgestellt. Wohltuendes Schnurren beim Verzehr sind Ausdruck der Dankbarkeit des getigerten Vagabunden.

Doch ganz so leicht ist das kleine Biest dann doch nicht herumzukriegen. Irgendwo ist doch der Ausgang? Miezi schleicht sich wieder in ihr bekanntes Revier. Lauernd wurde in jenem Sommer 2013 weiterhin täglich die Lage gecheckt zum dem sich immer mehr als passablen Herbergsvater outenden Mann, der eine Wohnung ganz allein für sich hat. Miezi hat bald heraus, welches Motorengeräusch für einen leckeren Futternapf steht. Egal zu welcher Zeit der auserkorene Freund einparkte, ob mit Auto oder Motorrad, der kleine Wildfang stand schon da. Wurde es mal später, war das Miauen schon mal deutlicher: Jetzt wird es aber höchste Zeit.

Nach dem Festmahl am Abend wurde mehr und mehr die Wohnung inspiziert. Nicht schlecht, dachte sich die kleine, aber schon ziemlich betagte Katzendame. Von der Fensterbank im Schlafzimmer hat sie ihr eigentliches Zuhause im Blick. Auf der anderen Seite ein toller Balkon, der Übersicht auf das weite Revier bietet. Je nach Tageszeit freuten sich Nachbarn über Miezi und kredenzten zumindest kleine Häppchen für den Besuch. Fast wie im Schlaraffenland.

In lauer Sommernacht steigt Miezi aufs Dach

Nachdem sich die gewiefte Katzendame zunächst nicht entschließen wollte, in die eroberte Dachwohnung richtig einzuziehen, brachte der heiße Sommer 2013 die entscheidende Wendung. Bei den weitgeöffneten Dachfenstern in jenen lauen Sommernächten spitzte Miezi die Ohren, suchte und fand den Weg, um über einen Strauch aufs Dach zu gelangen. Was für eine Überraschung, als spät in der Nacht der Minitiger am Küchenfenster miaute und um Einlass bettelte. Ab nun war es klar, wie man zum leckeren Futternapf kommt, Katzen sind ja schlau.

Die betagte Katzendame wechselte von nun an gern in diese "Wellness-Oase". Das schien die würdige Residenz zu sein, die sie sich – auch ihrem Alter entsprechend – verdient hatte. Vergessen die kalten Tage und Nächte in den Wintermonaten, ohne Kümmerer an der Seite. In wolliger Decke über dem Heizkörper wurde das Kuscheln zum Hochgenuss. Diesen Platz verließ Gini nur, wenn der Magen knurrte. Zum perfekten Service gehörten natürlich auch leckere Abwechslungen im Fressnapf. Doch trotz dieser First-Class-Situation forderte das zunehmende Alter seinen Tribut.

Die Sehkraft ließ bei Miezi nach. Der Weg vom Kuschelplatz auf dem Heizkörper zum Futternapf in der Küche wurde immer beschwerlicher, der "Damenbart" übernahm eine immer wichtigere Rolle, um sich durch die Wohnung zu tasten und zu orientieren. Und doch war der Drang ungebrochen, ab und zu nach draußen zu gehen. Vor allem wenn es regnete, saß Gini gerne geschützt direkt an der Haustüre und lauschte dem Geräusch der Tropfen.

Solch eine Nacht wurde der Katzendame fast zum Verhängnis. Anders als sonst entfernte sich Gini Anfang Oktober vom Haus und tauchte hinein in die Dunkelheit. Die stundenlange Suche verlief ohne Erfolg, und auch am nächsten Morgen war von Gini nichts zu sehen.

Doch nur eine Katze? Nein, man macht sich Gedanken, was geschehen ist. Hat sie irgendwo einen Unterschlupf gefunden? Wie sich herausstellt, war ein Schutzengel mit ihr unterwegs. Die völlig orientierungslose blinde Mieze wird völlig zerzaust am Ortsrand von Lauffen von einer Nachbarin aufgelesen, die ihren Hund Gassi führte, und selbst drei Katzen ein Zuhause bietet. Vor allem dieses letzten Abenteuer der betagten Katzendame fand Anteilnahme in der Nachbarschaft. Schließlich war Gini in jedem Garten unterwegs gewesen und wusste genau, wer es gut mit ihr meinte.

Obwohl offenbar gut erholt von der schwierigen Nacht, die Schwächeanfälle häuften sich, traten in immer kürzeren Abschnitten auf. Auch der Weg zum Futternapf wurde schwerer und schwerer.

Die Lebensgeister werden schwächer

Irgendwie ließen sämtliche Instinkte bei der betagten Katzendame nach. Der Katzenfreund betrachtet traurig die Qualen. Selbst die Hilfestellungen des Zweibeiners werden nur noch widerstrebend angenommen.

Auch wenn sich der Mensch nicht als Richter über Leben und Tod sehen soll, musste eine Entscheidung getroffen werden. Wie kann Mieze Gini ein angenehmer Weg in den Katzenhimmel beschert werden? Die Erlösung kommt beim Tierarzt. Sanft schlummerte Gini in den Armen ihres Fürsorgers der vergangenen vier Jahre ein und verabschiedet sich mit drei kräftigen Schnaufern von dieser Welt.

Ein langes und außergewöhnliches Katzenleben ist beendet. Es wäre sicher interessant gewesen, von Gini erzählt zu bekommen, was sie während der 20 Jahre in den Kirchäckern in Lauffen so alles erlebt hat.