Im Darknet sind bei der Verbrechensbekämpfung die Spezialisten gefragt. Foto: dpa

Bei einem Besuch in Baden-Württemberg hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) für mehr Zusammenarbeit der Länder in der Verbrechensbekämpfung geworben. Vor allem wenn es gegen Internetkriminalität geht, sollten die Experten gemeinsam vorgehen.

Stuttgart - Spätestens seit dem Amoklauf in München im Juli ist das so genannte Darknet einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Dort, in einem besonderen Teil des Internets, hat sich der 18-jährige Todesschütze seine Waffe und die passende Munition besorgt. Das Schatten-Netzwerk, in dem die Beteiligten ihre Verbindungen untereinander nicht über Standardsuchmaschinen, sondern selbst manuell herstellen, hat viele Seiten: es ermöglicht beispielsweise in autoritären Staaten Regierungskritikern den Austausch, weil es sich der staatlichen Kontrolle entzieht. Es erleichtert aber auch den Handel mit Waffen und Drogen, Falschgeld und Kinder- und Jugendpornografie.

Für die Beamten des Landeskriminalamts Baden-Württemberg ist das allerdings nichts Neues: 2012 hat die Stuttgarter Behörde als dritte in Deutschland eine Abteilung Cyberkriminalität/Digitale Spuren eingerichtet, die Internetkriminalität bekämpfen soll. In ihr arbeiten 126 Mitarbeiter, etwa ein Viertel ermittelt im Darknet, berichtet Präsident Ralf Michelfelder dem Bundesinnenminister.

Absprache zwischen de Maizière und Strobl

Thomas de Maizière ist am Donnerstag zu seinem Antrittsbesuch nach Stuttgart gekommen und will erfahren, was der Südwesten an Besonderem für die innere Sicherheit tut. Und er will sich vor dem Treffen mit den anderen Innenministern von CDU und CSU, das am Abend in Berlin beginnt, noch einmal mit seinem Parteifreund, Landesinnenminister Thomas Strobl, absprechen. Denn am Freitag wollen die Minister eine Berliner Erklärung vorlegen, die die Bürger davon überzeugt, dass die Regierung alles für ihre Sicherheit tut. Angesichts der angespannten Sicherheitslage und den Wahlerfolgen der rechtspopulistischen AfD fordern vor allem diejenigen, die Landtagswahlen vor sich haben, klare Kante zu zeigen.

Nur wenige Minuten genügten, um vom Wohnzimmer aus abzutauchen in die Unterwelt, erklärt Thorsten Kercher, einer der Darknet-Ermittler im LKA, den Besuchern. Er und seine Kollegen können zwar beobachten, was dort alles geboten und ausgehandelt wird, wissen aber in der Regel nicht, wer die Beteiligten sind und woher sie kommen, weil ihre Zugangsdaten beim Wechsel ins Darknet verschleiert werden. Die große Kunst sei es für die Beamten, dann an der richtigen Stelle zu sein, wenn tatsächlich Waren übergeben werden oder echtes Geld fließt, sagt Präsident Michelfelder. Damit das gelinge, seien umfangreiche verdeckte Ermittlungen nötig.

Für Vernetzung und modernste Technologien

Für den Bundesinnenminister ist das sicher nichts Neues. Aber er braucht auch die Unterstützung der Beamten, wenn er erreichen will, „dass sich die Behörden besser vernetzen – über Länder- und Parteigrenzen hinweg“. Zudem müssten sie mit den modernsten Technologien ausgestattet werden, sagt er. Andernfalls seien solche Straftaten gar nicht aufzuklären.

Das Darknet sei für die Polizei kein dunkles Loch, kein rechtsfreier Raum, sagt Landesinnenminister Thomas Strobl. „Niemand darf sich im Darknet sicher fühlen.“ Der CDU-Politiker verweist auf das Anti-Terror-Paket, auf das sich Grüne und CDU vor der Sommerpause geeinigt haben und das vorsieht, 30 Computerexperten einzustellen, die unter anderem mit der arabischen Sprache und arabischen Kulturen vertraut sind.

Wie wichtig die Zusammenarbeit ist, betont de Maizière auch bei seinen Besuchen im Polizeipräsidium Stuttgart und im Kompetenzzentrum zur Koordinierung des Präventionsnetzwerks gegen (islamistischen) Extremismus in Baden-Württemberg (KPEBW), das Grün-Rot nach den Anschlägen in Frankreich im vergangenen Jahr ins Leben gerufen hat. Es verbindet eine Vielzahl von Präventionsprojekten in Kommunen und auf Landesebene und vermittelt Beratung etwa für Familien, die befürchten, dass ihr Kind in den Islamismus abgleitet oder Lehrer, die bei Schülern unerklärliche Veränderungen beobachten. Und auch für diejenigen, die sich in eine extremistische Richtung verrannt haben und wieder aussteigen wollen. „Wir begleiten derzeit mehr als 30 sehr intensive Beratungen“, sagt Kriminalrätin Belinda Hoffmann, die dort mit drei andern Kollegen arbeitet.

Einmalige Landesakademie

Das Land stellt eine halbe Million Euro für das Projekt zur Verfügung, das in den nächsten Monaten erweitert werden soll und dann auch Ansprechpartner in Fragen von Rechts- und Linksterrorismus sein wird. Die Prävention werde immer wichtiger, sagt de Maizière. Das erfordere auch ein Umdenken bei der Polizei, die ihre Aufgabe in der Vergangenheit vor allem in der Strafverfolgung gesehen habe. Wenn rechtzeitig eingegriffen werde, lasse sich die Radikalisierung vor allem junger Menschen möglicherweise verhindern. Das hätten auch die Sicherheitspolitiker erst in den letzten Jahren – und angesichts der neuen Herausforderungen etwa durch Einzeltäter – begriffen. Um das zu fördern, will das Stuttgarter Innenministerium auch eine bundesweit einmalige Landesakademie zur Deradikalisierung einrichten. Sie soll sicherstellen, dass es auch die nötigen Fortbildungen gibt.