Pferde spiegeln das Verhalten von Menschen. Gibt es eine klare körpersprachliche Ansage, folgen sie bereitwillig. Foto: Sigrun Janiel

Tiere werden nicht nur in der Gesundheitstherapie eingesetzt, sondern auch in der Erwachsenenbildung. Führungskräfte können mit Pferden ihre nonverbale Kommunikation reflektieren.

So ein Shetlandpony, das gerade mal bis zur Hüfte reicht, kann einen ganz schön fordern. Rüdiger Rossmann muss Körper und Stimme einsetzen, um den kleinen Hengst zu stoppen. Aufgabe war, gemeinsam mit dem Pferd möglichst synchron über ein gut 20 Zentimeter hohes Hindernis zu springen. Das hat Henri so gefallen, dass er danach ein bisschen Gas gegeben hat. Aber Rüdiger hat sein Gewicht nach hinten verlagert und gebremst, das hat der gescheckte Shetty verstanden, ebenfalls gebremst und läuft nun brav mit Rüdiger zurück zu Karin Walz. Sie informiert auf dem Ponyhof Müller in Denkendorf, wie ein Seminar mit Pferden zur Führungskräfteentwicklung etwa abläuft. Das Hindernisspringen mit dem Pony war die Krönung des Praxisteils, in dem Pferde als Coach fungieren. Pferde als Coach? 'Ich habe von Pferden viel gelernt', sagt Karin Walz. 'Sie sind konsequent und ehrlich.' Da gebe es keine Rollenspiele.

Tiere reagieren unmittelbar und authentisch, denn sie leben im Hier und Jetzt. Pferde spiegeln das Verhalten von Menschen wider. Sie akzeptieren ein klares Ja oder Nein. 'Ihren Respekt und ihr Vertrauen müssen Menschen aber gewinnen, die lassen sich nicht erzwingen', erklärt Walz. Die gebürtige Stuttgarterin hat Bankkauffrau gelernt und Pädagogik studiert, war viele Jahre Wirtschaftsjournalistin und begann 1997 zunächst als zusätzliches Standbein als Dozentin und Trainerin zu arbeiten. Sie ließ sich zum Systemischen Coach ausbilden und arbeitet nun seit zehn Jahren mit Pferden als Trainer für Führungskräfte. 'Einen Draht zu Pferden habe ich seit meiner Kindheit', erzählt sie.

"Viele Führungskräfte müssen erst mal runterkommen"

Die Annäherung an die Pferde geschieht in den Seminaren sachte. Immer sind Leute vom jeweiligen Pferdehof dabei, die die tierischen Coaches begleiten. Und nach einer Einweisung in Sicherheitsregeln und ein paar Brocken 'Pferdisch', was zum Beispiel die verschiedenen Ohrstellungen bedeuten, bringt Rita Müller einen Haflinger zum Striegeln und Streicheln. 'Yoga-Striegeln' nennt Karin Walz das. Es dient der Kontaktaufnahme, der Entspannung und dem Angstabbau. 'Viele Führungskräfte müssen erst mal runterkommen', weiß die Pferdefrau aus Überlingen am Bodensee. 'Pferde entschleunigen uns Menschen.' Die nächste Aufgabe ist, ein Pferd dazu zu bringen, einem freiwillig zu folgen.

Das Shetlandpony Maiglöckchen steht in seinem abgegrenzten Viereck in der Reithalle und wartet, was auf es zukommt. Unternehmensberater Rüdiger Rossmann, der noch nie mit Pferden zu tun hatte, nähert sich der Schimmel-Stute, streichelt sie am Hals und fordert sie auf mitzukommen. Das klappt ein paar Schritte, dann wendet sich das Pony ab, verliert das Interesse. Karin Walz fragt nicht, was ist schiefgegangen, sondern: was ist passiert? Die Teilnehmer sollen beobachten, wahrnehmen, sich selbst einschätzen, ihr Tun reflektieren. Praxis und Theorie wechseln sich ab. Pferde kommunizieren nonverbal, und sie haben ein Gespür für Angst, Aggression, Unsicherheit und Desinteresse einerseits sowie für Zentriertheit, Offenheit, Interesse und Führungswille andererseits. Und deshalb entscheiden sie schnell, ob sie sich einem Menschen anvertrauen und sich führen lassen oder eben nicht.

Für die nächsten Übungen stellt Rita Müller den Shetlandpony-Hengst Henri vor. Nun ist die Aufgabe, das Pferd am Strick durch einen Parcours zu führen. Im nächsten Schritt geht der Mensch am Ende des Parcours über einen am Boden liegenden Stab, das Pony soll vor dem Stab anhalten. Und noch schwieriger wird es, wenn das Pferd beide Vorderbeine über den Stab stellen soll. Karin Walz macht es vor, gibt ein paar Tipps. Dennoch ist es selbst für Menschen mit Pferdeerfahrung schwierig, alle Übungen gemeinsam mit Henri auszuführen. 'Die Teilnehmer sollen ihre Führungspotenziale erkennen', nennt Karin Walz ein Ziel. Das Pony am Strick durch die Halle ziehen zu wollen, funktioniert nicht, das merken Teilnehmer sehr schnell. Es braucht eine klare Körpersprache, mentale Präsenz und Durchsetzungsstärke, aber auch Vertrauen, Respekt, Wertschätzung, Feingefühl und Teamgeist, um die Aufgaben mit dem Partner Pferd zu meistern.

Karin Walz erzählt von einem Bank-Vorstand, der mit einem Großpferd diese Übung sehr gut hinbekam. Mit einem Pony funktionierte sie gar nicht. Der Grund: er passte sein Tempo nicht den Möglichkeiten des 'tierischen Mitarbeiters' an. 'Später sagte er mir, wenn er das schon früher gemacht hätte, hätte er manchem Mitarbeiter einiges erspart.' Natürlich lasse sich das Führungsverhalten nicht eins zu eins vom Pferd auf Mitarbeiter übertragen, weiß Walz. Führungskräfte könnten mit dem Coach Pferd aber in die Lage versetzt werden, sich selbst besser wahrzunehmen und zu reflektieren, wie sie auf andere wirken. 'Und sie müssen mal aus ihrer Komfortzone heraus', nennt sie einen weiteren wichtigen Aspekt. In Deutschland sind Gerhard und Karin Krebs als Erste 1998 auf die Idee gekommen, Pferde als Trainer für Führungskräfte einzusetzen. Sie haben das sogenannte Horse-Dream-Konzept entwickelt und 2004 die Europäische Assoziation für pferdegestützte Aus- und Weiterbildung (EAHAE) gegründet. Sie hat mittlerweile weltweit mehr als 300 Mitglieder. Zu ihnen zählt auch Karin Walz.