Wie in Assefs afghanischer Heimat saßen die Besucher der "Road Show" auf einem Teppich eng nebeneinander, bevor das Licht ausging und dadurch die passende Atmosphäre geschaffen wurde. Foto: Stocker

Afghane erzählt beruflichen Gymnasiasten die Geschichte seiner Flucht. Interaktive "Road Show" kommt gut an.

Calw-Wimberg - Wie Assef es aus seiner Heimat Afghanistan kennt, sitzen Schüler des Sozialwissenschaftlichen Gymnasiums im Berufsschulzentrum auf dem Wimberg auf einem großen Teppich eng nebeneinander. In dem Raum brennt kein Licht. So soll besser nachvollzogen werden können, was den 16-Jährigen zur Flucht veranlasst hat.

Alles vorbei

"Als die Taliban ins Dorf kamen, war alles, was ich bis dahin kannte, vorbei", erzählte Assef. Der Lehrer und der Bürgermeister seien gefangen genommen worden, bevor die Schule angezündet worden sei. Schüsse und Weinen hätten in der Folgezeit das Geschehen in seinem Dorf geprägt. "Wer nicht für die Taliban kämpft, ist ein Verräter", so Assef. Die Männer seien deshalb auf dem Platz zusammengetrieben worden.

Gebannt und sichtlich berührt folgten die Schüler des Sozialwissenschaftlichen Gymnasiums auf dem Wimberg den Ausführungen des Afghanen, die von einer deutschen Jugendlichen übersetzt wurden. Ihre Kollegen vom Biotechnischen Gymnasiums hatten für sie die Rahmenbedingungen geschaffen, damit im Berufsschulzentrum auf dem Wimberg die "Road Show – Flucht erlebbar machen" umgesetzt werden kann. Hierbei handelt es sich um ein Projekt des Vereins "Kultur und Begegnung für Menschen in unterschiedlichen Situationen" (Kubus). Die Fluchtgeschichte führte Akteure und Besucher durch verschiedene Räume im Schulzentrum sowie in einen Container im Schulhof, der eigens hierfür aufgestellt wurde.

Plötzlich schreckte sie in dem dunklen Raum ein heftiges Klopfen auf, und eine dominante Stimme trieb sie aus diesem heraus – so wie es Assef seinerzeit erlebt hat. Was folgte, war eine Odyssee, bestehend aus Zusammengepferchtsein, Angst vor Entdeckung oder dem Tod, Kampf ums Überleben sowie Hunger und Durst. Vorbei waren die unbeschwerten Zeiten im Schoß der Familie. "Ich hatte eine schöne Kindheit, bis mein großer Bruder eines Tages sagte, wir müssen gehen", hatte Assef eingangs der interaktiven Lesung gesagt, bei der die Lebensverhältnisse der 16-jährigen Lisa aus Backnang den seinen gegenübergestellt wurden.

Anfängliche Skepsis

"Nach anfänglicher Skepsis hat sich bei den Schülern eine Begeisterung entwickelt, und sie waren mit Herzblut dabei", so Klassenlehrerin Jeannette Ziegler und ihre Kollegin Johanna Kupffer. Sie sprachen von einem gelungenen Projekt, bei dem es Begegnungen mit Flüchtlingen aus unterschiedlichen Ländern gab, die ebenfalls in diese Schule gehen. "In der Küche wurde beispielsweise Bolani, afghanisches Fingerfood, zubereitet, und die Flüchtlinge erzählten von ihren jeweiligen Routen", so Ziegler. So seien unter anderem Plakate in den jeweiligen Sprachen der Herkunftsländer entstanden.

Die interaktive Lesung wurde von Flüchtlingen aus Backnang gestaltet, wie Kubus-Projektleiter Jochen Schneider erläuterte. Auf dem Wimberg begleitete außerdem ein Kamerateam der SWR-Herzenssache die Umsetzung der vom Sender unterstützten "Road Show".

"Bei diesem Projekt kommen auch unsere ganz persönlichen Empfindungen und viele einzelne Aspekte zum Ausdruck, die in den Medien sonst nicht transportiert werden", erläuterten die Darsteller aus Afghanistan, Syrien und der Elfenbeinküste, warum sie an der Road Show mitwirken. "Dadurch ist das Abstrakte der gesamten Flüchtlingssituation etwas verloren gegangen", so Jeannette Ziegler am Rande der Lesung und verwies darauf, dass sich die Haltung vieler Schüler gewandelt habe.