In der Calwer Aula informierten sich interessierte Bürger über die unechte Teilortswahl. Foto: Verstl

Gemeinderat will im Frühjahr entscheiden. Nur wenige Argumente für Beibehaltung. Mit Kommentar.

Calw - Die unechte Teilortswahl ist ein bundesweites Unikum. Es gibt sie nur in Baden-Württemberg und wurde im Gefolge der Verwaltungsreform Anfang der 1970er-Jahre eingeführt.

Sie sollte für Gerechtigkeit sorgen. Dann kommen oft komplizierte Gebilde heraus. In den ersten Jahren mag die unechte Teilortswahl auch ihren Zweck erfüllt haben. Sie sollte, um es auf einen einfachen Nenner zu bringen, vor allem kleinen Stadtteilen nach der Eingemeindung, die mit der Reform verbunden war, die Vertretung im Gemeinderat garantieren.

Das ist mittlerweile vier Jahrzehnte her. Der Prozess des Zusammenwachsens ist in den allermeisten Kommunen abgeschlossen. Auch wegen der Erfüllung von Eingemeindungsverträgen besteht keine Notwendigkeit mehr für eine solche Regelung.

Argumente für die Beibehaltung der unechten Teilortswahl, das wurde am Dienstag in der Aula beim Informationsabend mit Norbert Brugger vom Städtetag Baden-Württemberg deutlich, lassen sich kaum noch finden. Kein Wunder, dass immer mehr Kommunen im Land diese Regelung abschaffen.

Ihm sei kein Fall bekannt, so Brugger auf Nachfrage von Gemeinderat Adrian Hettwer, der dieser unechten Teilortswahl nach deren Abschaffung eine Träne nachgeweint hat.

Stadtteile bald nicht mehr im Gemeinderat vertreten?

Mit der Gerechtigkeit ist das auch so eine Sache. Das machte Brugger am Beispiel von Holzbronn, dem kleinsten Stadtteil mit seinen 750 Einwohnern, deutlich. Einerseits ist diesen Bürgern ein Sitz im Gemeinderat garantiert. Aber auch nicht mehr. Fällt die Einteilung in die fünf Wohnbezirke (Altburg, Calw, Hirsau, Holzbronn und Stammheim) weg, und alle Calwer wählen einen Gemeinderat, dann können theoretisch sieben Holzbronner in das Gremium gewählt werden.

Andererseits könnte es aber auch dazu kommen, dass niemand aus diesem Stadtteil vertreten ist. Da gab Brugger zu bedenken, dass das bei 750 zu 23 000 Einwohnern in der Gesamtstadt und insgesamt 26 Sitzen im Gemeinderat nicht unbedingt undemokratisch wäre.

Zudem wies der Vertreter des Städtetags auf Untersuchungen hin, wonach die unechte Teilortswahl gerade durch die Einteilung in Wohnbezirke das Wahlergebnis verzerren kann und letztlich die Wahlfreiheit einschränkt. Es zeige sich nämlich, dass in Gemeinden ohne unechte Teilortswahl deutlich mehr Wähler ihr Stimmenkontingent ausschöpfen. Zudem führt diese Regelung durch Ausgleichsmandate zur Aufblähung der Gremien, ist kompliziert und damit fehleranfällig.

Andererseits werden dadurch die Ortschafts- und auch die Stadtteilbeiräte gestärkt. Da sollte dann, so Oberbürgermeister Ralf Eggert der Informationsfluss zum Gemeinderat funktionieren und sich weiter verstärken. Das Gremium könnte, so der OB, dann im Frühjahr nach Abschluss des Meinungsbildungsprozesse, eine Entscheidung über die Abschaffung der unechten Teilortswahl treffen.

Kommentar: Wir sind Calw

Alfred Verstl

Nein, eine Entscheidung, ob Calw, wie schon zuvor viele andere Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg, die unechte Teilortswahl abschafft, ist noch nicht gefallen. Doch schon beim Informationsabend in der Aula war mit Händen zu greifen, dass sich vier Jahrzehnte nach der Gemeindereform kaum noch Argumente für deren Beibehaltung finden lassen.

Im Gegenteil: Das Zusammenwachsen der Stadt sollte abgeschlossen sein. "Wir sind Calw!" ist ab und an auf den Bannern an den Zufahrten zu lesen. Das mag grammatikalisch fragwürdig sein, trifft aber das Thema. Gerade Calw mit seinen heterogenen Stadtteilen braucht noch immer Kräfte, die integrierend wirken.

Da ist die Aufteilung in fünf Wohnbezirke bei der Gemeinderatswahl der falsche Weg. Wenn alle Calwer ohne diese Beschränkung ihr Kommunalparlament wählen, ist das letztlich sogar gerechter.