Foto: Antje Bösl

Hermann Hesse-Festival in Hirsau. Klostersommer geht weiter.

Calw-Hirsau -  "Der Panikpreis hat in der Branche einen tollen Ruf", sagte Sebel. Der Sänger aus dem Ruhrpott belegte den zweiten Platz. Bei dem Wettbewerb der Udo Lindenberg Stiftung werden Musiker, Komponisten und Texter ausgezeichnet, die gegen den Mainstream schwimmen, ganz im Sinne von Udo Lindenberg; und von Hermann Hesse, beides Individualisten, die ihren Weg gegen alle Konventionen gegangen sind.

Sebel, als Sebastian Niehoff 1980 in Bochum geboren, ist schon länger im Geschäft. Er arbeitete unter anderem mit Stefan Stoppok. Sebel spielte seinen bekanntesten Titel "Heimat" sowie das "Lied vom allein sein" und "Engel" über eine enttäuschte Liebe.

Moderator Arno Köster, zudem Kuratoriumsmitglied und Projektleiter der Lindenberg Stiftung, freute sich, dass mit "2ersitz" aus Leipzig eine Band aus dem Osten gewonnen hatte. Sie präsentierte in ihrem unverwechselbaren Neo-Hippie-Pop drei Songs beim Hermann Hesse Festival in Calw, in dessen Rahmen der mit 15 000 Euro dotierte Preis vergeben wird. Platz drei belegte FEE. aus Frankfurt. Die Singer/Songwriterin holt sich Anleihen beim Punk und erzeugt damit einen frischen, unverwechselbaren Sound. Jeder der Preisträger erhält 5000 Euro.

Mit mehr als 600 Teilnehmern habe man eine Rekordbeteiligung verzeichnet, sagte Jury-Sprecher Udo Dahmen, Direktor der Pop-Akademie Mannheim. Dabei werde das Niveau zunehmend besser.

Caro Kunde erhielt den Sonderpreis der Sparkasse Pforzheim Calw für die beste Vertonung eines Hesse-Gedichts. Dabei hat sie "Im Nebel" mit einem eigenen Text verwoben und ragte nicht nur deshalb aus den anderen Bewerbern heraus, wie der Calwer Hesse-Experte und Jury-Mitglied Herbert Schnierle-Lutz betonte. Den mit 1000 Euro dotierten Preis überreichte Stephan Scholl, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse.

Der strömende Regen, der das Festival begleitete, brachte weder die Fans noch die Mitwirkenden aus der Fassung. Ein Raunen ging durchs Publikum, als Köster Schauspielerin Maria Furtwängler ankündigte. Sie erschien in einem strahlend weißen Hosenanzug auf der Bühne und verband die Auftritte der Preisträger mit von Schnierle-Lutz ausgesuchten Hesse-Texten. Da ging es im Gedicht "Der Dichter" um das Künstler-Leben, in einem Brief aus dem Jahr 1929 um Chaos und Verwirrung sowie in Auszügen aus Hesse-Romanen um Eigensinn und Musik.

"Ich möchte mal wieder das Wort Abrüstung hören", sagte der Musiker

Dann kam Udo live. Das Panikorchester hatte gerade eine erfolgreiche, ausverkaufte Stadion-Tournee hinter sich. Und Lindenberg legte mit der "Honky Tonky Show" und "Ich mach mein Ding" gleich richtig los. Dann allerdings geriet der Panikrocker etwas lange ins Schnacken, wie er am Ende selbst bekannte. Das begann mit seiner Liebe zu Hermann Hesse und der Gründung der Stiftung, führte über Kobolde und Elfen im Schwarzwald zu einer "Never Ending Tour" im Sinne Bob Dylans mit einem Konzert 2046 zu Udos 100. Geburtstag. Die Erzählungen endeten mit dem letzten Auftritt in München, wo Udo wegen des fehlenden Eierlikörs die Stimme versagte. Nun, daran hat es in Calw offenbar nicht gemangelt, gesanglich war die Nachtigall auf der Höhe. Nur hat irgendwas seinen Redefluss in Gang gesetzt. Mancher Musiker begann schon, spaßeshalber die Bühne zu verlassen.

Danach ging es allerdings in gewohnter Form weiter. Besonders eindrucksvoll wird es, wenn Lindenberg die "Kids on Stage" auf die Bühne holt und mit Liedern wie "Wozu sind Kriege da" und "Wir ziehen in den Frieden" gegen den Krieg und für den Frieden singt. "Ich möchte mal wieder das Wort Abrüstung hören", sagte der Musiker zu den Plänen von Verteidigungsministerin Annegret Kamp-Karrenbauer (CDU), den Wehretat zu erhören.

Zum Ende hin kamen dann die ganz großen Kracher. Da ging es weiter "Hinterm Horizont", es fuhr der "Sonderzug nach Pankow" los und die "Andrea Doria" legte ab. Das Panikorchester lief da in ganz großer Besetzung mit Bläsern und Background-Sängern zu Höchstform auf, und das in einem grandiosen Sound. Endstation des Abends, kurz nach Mitternacht, war die "Reeperbahn".