Thomas Schreckenberger mit der Raute Angela Merkels. Foto: Kunert Foto: Schwarzwälder-Bote

Kabarett: Einer der Besten seines Fachs in Deutschland / Publikum biegt sich vor Lachen / Ausverkauftes Haus

Calw. So groß war die Kleine Bühne Calw wohl noch nie: der Auftritt von Kabarettist Thomas Schreckenberger zeigte, wo die maximalen Kapazitätsgrenzen des Saals der Musikschule liegen. Das "ausverkaufteste Haus ever" für den Lokalmatador aus Gechingen.

Und das zurecht. Schreckenberger hat zweifelsohne derzeit die höchste Gag-Dichte im deutschen politischen Kabarett, kommt im "Regelbetrieb" auf fünf bis sechs Pointen pro Minute. Wenn er aufdreht, verdoppelt sich diese Quote sogar noch einmal. Und man meint, keine seiner Pointen davor schon mal gehört zu haben.

Und wir reden hier von echtem politischen Kabarett, der Königsdisziplin. Okay, mit bisschen Schwaben-Bashing geht’s los – quasi zum Aufwärmen. "Alles was sich bewegt, wird hier gegrüßt, alles was sich nicht bewegt, geputzt." Aber über Beckenbauer, Hoeneß und Schreckenbergers Leiden als Fahrer eines VW Golf geht’s zackig mitten hinein in die Abgründe der großen und kleinen Politik. Obwohl sein Programm "Ene, mene, muh – wem traust du?" bereits letztes Jahr Premiere hatte – die Ära Trump wird top-aktuell eingebaut: Merkels Antrittsgeschenk für den neuen amerikanischen Präsidenten? Ein Gutschein für eine Fahrt im offenen Cabrio durch Dallas. Der Gag braucht ein bisschen, bis er ankommt. Und "von unten herauf" seine auch etwas fassungslosen Lacher findet. Hat er das gerade wirklich gesagt!?

So richtig gut, wenn er böse ist

Oh ja, Schreckenberger ist besonders gut, wenn er richtig böse wird. Vor allem in seinen perfekten Parodien der aktuellen politischen Charakterköpfe. Oder in seiner ultimativen Paraderolle als Geist von Klaus Kinski – der im fulminantesten Solo des Abends Angela Merkel während einer Kabinettssitzung befällt. Der Kanzlerin, der doch auch endlich mal der Geduldsfaden reißen muss – zum Beispiel wegen Horst Seehofer, der doch nun wirklich nervt: "Ursula, ich will, dass du da sofort einmarschierst!" Wie gesagt, perfekt getroffen im Kinski-Ausraster-Tonfall.

In Schreckenbergers Version muss Ursula von der Leyen der Angela Kinski gestehen, dass das mit dem Einmarsch bei den Bayern nichts wird – weil die Waffen nicht funktionieren. Womit Schreckenberger "seine Kinski" erst so richtig verbal entgleiten lässt. Nichts, was man hier zitieren sollte. Weil eben sehr, sehr böse. Aber auch wirklich richtig gut. Eine echte Sternstunde des deutschen Kabaretts, ein echter Klassiker. Besser als alles, was man in diesem Genre in letzter Zeit auf der Mattscheibe sah. Deutsche Leitkultur mal ganz anders. Beifallsstürme. Wirklich krass. "Nahles, geh mal raus Kinder erschrecken." Eines der eher harmlosen Zitate.

Und Schreckenberger weiß, dass sein "Kinski" verdammt gut getroffen und interpretiert ist. Nach der Pause holt er ihn noch einmal raus – um zu erzählen, wie er damit eine Steuerprüfung frühzeitig beendete. "Es muss doch was bedeuten, wenn in Calw Finanzamt und Psychiatrie im selben Ortsteil liegen...".

Oder seine Kinder jeden Abend mustermäßig ins Bett bringt. Eigentlich kann es wahrlich nicht leicht sein, Kind eines solchen Vaters zu sein. Oder doch mordsmäßig lustig. Weil Ex-Lehrer Schreckenberger (neun Jahre Englisch, Geschichte und Gemeinschaftskunde an einer Realschule im Nordschwarzwald) seinen Nachwuchs gern in Pointen einbaut. Ein weiblicher Fan habe ihm mal nach einer Vorstellung gesagt: "›Thomas, ich will ein Kind von dir!‹ Na ja, ich habe drei davon zuhause, da könnte ich eines schon abgeben..."

Besondere Version von "Romeo und Julia"

Zum Schluss dann noch so ein Höhepunkt des politischen Kabaretts – "Romeo und Julia" in der Berliner Reichstags-Version; mit Horst Seehofer als Romeo und Angela Capulet als gar nicht so tragischer Julia, die lieber den Tod des vermeintlichen "Liebhabers" feiert als ihm in selbigen nachzufolgen. Noch so ein Szene gewordener Aberwitz der Spitzenklasse. Der das Publikum sich auf den Stühlen biegen lässt vor Lachen. Und das nun wohl darauf hofft, dass die Kleine Bühne Calw möglichst bald wieder zur ganz großen Bühne von und mit Thomas Schreckenberger wird. Dem Kabarettisten aus dem Kreis Calw, aus Gechingen. Womit wir alle hier doch auch ein bisschen – nein, nicht mehr Papst, sondern "Kabarett" sind. Jedenfalls mächtig stolz sind die Calwer auf "ihren" Schreckenberger. Dem derzeit wohl besten seines Fachs.