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Fünfteilige Serie beleuchtet Angebote der Fachstelle Sucht. Selbstverantwortung ist gefragt.

Calw - Ob Alkohol, illegale Drogen oder Glücksspiel – Suchtkrankheiten haben viele Gesichter. Beinahe ebensoviele Gesichter haben aber auch die Hilfsangebote der Fachstelle Sucht in Calw. In unserer fünfteiligen Serie stellen wir Ihnen einige davon vor. Teil zwei: die ambulante Rehabilitation.

Eine Suchtkrankheit kann jeden treffen. Und nicht immer haben die Betroffenen die Möglichkeit, sich stationär behandeln zu lassen – wenn beispielsweise Familie, Beruf oder unter Umständen auch Haustiere es unmöglich machen, monatelang von zu Hause weg zu sein.

"Früher war das ein eher exotisches Angebot", erläutert Peter Heinrich, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit bei der Fachstelle Sucht in Calw, deren Träger der baden-württembergische Landesverband für Prävention und Rehabilitation ist. Diese Sichtweise habe sich in den vergangenen rund 25 Jahren, in denen es das Angebot mittlerweile bei der Fachstelle Sucht gebe, aber verändert.

Vorteile

Wie Heinrich und Fachstellenleiterin Anja Tischendorf ausführen, kann es auch andere, ganz praktische Gründe geben, warum eine ambulante Therapie besser geeignet sei als eine stationäre. Bestimmte Probleme könnten in gewohnter Umgebung besser bearbeitet werden.

Darüber hinaus gebe es einen Bereich, den eine stationäre Behandlung nicht abdecken könne: "Zu Hause abstinent bleiben lernt man dort nicht", erklärt Tischendorf. Denn die Versuchungen warteten meist dort, wo man in der Vergangenheit konsumiert habe – zum Beispiel in der Kneipe um die Ecke. In einer Klinik sei man von diesem Alltag weit weg, in den man dann erst wieder hineinfinden müsse. Bei einer ambulanten Therapie hingegen gebe es eine ständige Konfrontation mit jenen Versuchungen. Insofern handle es sich auch um eine "Therapieform, die deutlich mehr Selbstverantwortung erfordert", ergänzt Suchtberaterin Annika Schüle.

Voraussetzungen

Auch, aber nicht nur deshalb ist diese Behandlung nur für Menschen geeignet, die in weitgehend intakten sozialen und beruflichen Verhältnissen leben und neben der Sucht keine schwerwiegenden körperlichen oder psychischen Störungen aufweisen.

Die Therapie

Eine ambulante Therapie in der Fachstelle Sucht dauert zwischen sechs und 18 Monaten und wird in der Regel von der Deutschen Rentenversicherung oder den Krankenkassen bezahlt. Die Betroffenen werden von ärztlichen, psychologischen und sozialpädagogischen Fachkräften behandelt.

Neben Einzel- und Gruppengesprächen gibt es unter anderem auch therapeutisch geleitete Freizeitangebote, beispielsweise Bogenschießen. "Das hat viel damit zu tun, dass die Leute dabei lernen, zur Ruhe zu kommen, sich zu konzentrieren oder auch Ängste in den Griff zu bekommen", führt Tischendorf dazu aus. Zudem sollen die Betroffenen lernen, wie sie ihre Freizeit gestalten können, ohne etwas zu konsumieren oder fernzusehen.

Ferner werden in der Therapie die Ursachen der Sucht aufgearbeitet und wie die Betroffenen mit diesen künftig umgehen können. Daher werden beispielsweise der Umgang mit Stress und Konflikten, Beziehungsprobleme, Suchtdruck oder neue Verhaltensweisen und Lebensperspektiven besprochen.

Verstöße

Doch was, wenn sich jemand nicht an die Regeln hält und heimlich weiter konsumiert? "Wir sehen uns da absolut nicht als Kontrollinstanz, sondern gehen davon aus, dass jemand, der zu uns kommt, auch abstinent bleiben will", erklärt Tischendorf.

Wer allerdings nicht an sich arbeite oder gar rückfällig werde, ohne das zuzugeben, dessen Therapie werde dann unter Umständen entweder beendet oder in eine andere Behandlungsform umgewandelt.

Glücksspiel

Eine ambulante Behandlung sei übrigens auch für pathologische Glücksspieler geeignet – unter anderem, weil bei dieser Suchtkrankheit häufig eine kürzere stationäre Behandlung bewilligt werde als bei anderen Süchten.

Kombitherapie

Die ambulante Therapie ist das intensivste Angebot, das die Fachstelle Sucht für Betroffene hat. Derzeit gibt es drei Gruppen – zwei davon in Calw, eine in Nagold –, in denen maximal zwölf Betroffene behandelt werden können. Bei Bedarf sei es aber auch möglich, weitere Gruppen zu schaffen, bekräftigen Heinrich und Tischendorf.

Eine spezielle Form dieser Behandlungsart ist die Kombitherapie. Hier wird der ambulanten Reha ein verkürzter, etwa sechs bis acht Wochen langer, stationärer Aufenthalt vorgeschaltet.