Früher mal eine echte Problemzone: Das oberste Parkdeck im Kaufland. "Aber in den vergangenen zwei Jahren ist es überall in der Stadt deutlich ruhiger geworden", sagt Polizei-Chef Thomas Huber. Foto: Kunert

Oberbürgermeister lädt zum Rundgang zu Brennpunkten der Stadt ein. Polizeibeamte zeigen große Präsenz.

Calw - Hat die Stadt Calw ein Sicherheitsproblem im öffentlichen Raum? Gefühlt für viele Bürger – ja. Zahlreiche Diskussionen unter anderem im Calwer Gemeinderat zeugen davon. Zeit also, sich das alles mal vor Ort unter realen Bedingungen anzuschauen – bei einem Rundgang mit der Polizei.

Samstagabend in Calw. "Ein ganz normaler Abend in der Stadt", sagt Oberbürgermeister Ralf Eggert, der seine Gemeinderäte zu diesem Rundgang eingeladen hat. Viele sind nicht gekommen – Tribut an die Ferienzeit. Die Fraktionen von CDU und "Gemeinsam für Calw" sind gar nicht vertreten, Freie Wähler, Neue Liste und SPD schon. Dazu der kommissarische Leiter des Calwer Polizeireviers, Thomas Huber – und die beiden Kollegen vom Gemeindevollzugsdienst, der Polizeibehörde der Stadt Calw: Christine Lang und Manuel Katke.

Ausreißer sucht und findet man am ehesten beim ZOB

Treff und erste Station der Gruppe: der Calwer ZOB. "Hier sind wir sehr oft", sagt Erster Polizeihauptkommissar Huber. Aber nicht in erster Linie wegen Beschwerden: "Wir haben in Calw rund 200 Vermisste im Jahr." Die Ausreißer sucht – und findet – man zuerst natürlich am ZOB, weil "man von hier am ehesten aus Calw wegkommt." Aber auch Fälle von Körperverletzung, "auch mal Raub", ab und zu Drogen-Delikte kämen am ZOB vor. Also – eine echte Problem-Zone?

Für Huber hält sich das alles noch im Rahmen, gerade in letzter Zeit. "Von 2016 auf 2017 haben wir für Calw einen ganz dramatischen Rückgang bei den Straftaten verzeichnet." Von 1300 Fällen im Jahr sank die Zahl auf 900. "Und im laufenden Jahr sind die Zahlen noch einmal besser." Nur drei bis vier schwere Straftaten gebe es im Jahresverlauf – wie etwa Raub. Huber kann Calw mit seinen Einsatzjahren in Karlsruhe-Kernstadt vergleichen: "Eine ganz andere Nummer. Da gibt es städtische Räume, da trauen Sie sich auch als Polizei nicht mehr rein." Dagegen sei Calw geradezu eine "Schlafstadt". Sicherer geht es kaum.

Das findet auch OB Eggert. Er möchte mit diesem Rundgang erreichen, dass gerade die Gemeinderäte damit aufhören, ihre Stadt schlechter zu reden als sie ist. "Wenn Probleme da sind – die verleugnen wir ja nicht – dann reagieren wir auch." Mit einem neuen Lichtkonzept für den ZOB zum Beispiel, der die "dunklen Ecken" ausleuchten und den Beton-Bunker optisch attraktiver machen soll – für das gefühlte Sicherheitssein. Dazu eine engmaschige Präsenz von Ordnungskräften. Schon einige Problem-Zonen habe man so "austrocknen" können.

Den Kinderspielplatz "Auf dem Brühl" am Nagoldufer zum Beispiel – Dauerthema im Gemeinderat. Alkoholverbot, Rauchverbot, Aufenthaltsverbot für Erwachsene ohne Kinder – wie zum Beweis bekommen die mitlaufenden Kollegen vom Gemeindevollzugsdienst gleich ein bisschen Arbeit, als die Rundgang-Gruppe hier (ein erstes Mal) vorbeischaut: ein Vater raucht auf einer Parkbank gleich neben den Spielgeräten. "Eigentlich sind rauchende Mütter hier das größte Problem", erläutert OB Eggert. Der Vater wird – extrem freundlich – aufgefordert, mit seiner Zigarette an den Rand der Spielflächen zu gehen. Man sieht, dass das Ego des Mannes eigentlich protestieren will – aber er leistet der Aufforderung dann doch Folge.

Da gibt es sicher Eskalations-Potenzial. Genauso wie bei den drei Männern mit südländischem Aussehen, die etwas Abseits des Spielplatzes – aber noch auf dem Spielplatz - sich hingesetzt haben. "Sollen wir die nun vertreiben, weil sie ohne Kinder hier sind?", fragt der OB – eher rhetorisch. Die Männer sind friedlich, zeigen kein auffälliges Interesse an den vielen Kindern, die an diesem lauen Sommerabend an der Nagold spielen. "Auf dem Brühl" ist einfach auch ein toller Naherholungsraum für alle. Calws gemütliches "Wohnzimmer" irgendwie. Deswegen werden auch die Männer in Ruhe gelassen. "Augenmaß" ist Eggerts Stichwort dazu.

Weiter geht es zum obersten Parkdeck im Kaufland. Davor werden gleich auch ein paar Falschparker aufgeschrieben. Dann zum Hesse-Garten, weiter zum Stadtgarten – alles ruhig. Einfach ein Idyll an diesem Abend. Auf dem Schulhof des Hesse-Gymnasiums laden die Jugendlichen dort die Gemeinderäte und den OB spontan zu einem Fußball-Match ein, weil "jetzt würd’s für zwei Mannschaften reichen." Aber die "All-Stars" vom Gemeinderat winken ab, es warten noch einige Stationen auf sie.

Das Parkdeck der Badstraßen-Schule zum Beispiel. Hier steht Rosemarie Reibels (Freie Wähler) Auto, sie wohnt ganz in der Nähe. "Früher war das wirklich unheimlich hier", vor allem bei Dunkelheit. Durch mutwillige Zerstörungswut waren immer wieder Lampen zerschlagen, Kabel herausgerissen worden. Seit sich die Lampen hinter Gittern befinden, die Kabel in Stahlrohren und ein Bewegungsmelder für Licht sorgt, sobald man das Parkdeck betritt – "fühle ich mich wirklich sicherer. Alles toll." Hinter Parkdeck und Schule – ein weiteres Idyll am Nagoldufer. "Hier waren wir früher als Kinder baden", erzählt Gemeinderätin Reibel.

Die nächsten Ziele sind nur mit dem Auto erreichbar: Heumaden-Schule, die evangelische Kirche Heumaden, das Neubaugebiet "Schafweg III". Die Sonne geht langsam unter – einfach traumhaft hier oben. Ja, es gab an all diesen Orten Probleme. Gab. Mit Polizei-Präsenz wurde es ruhiger.

Beim Welschen Häusle Knöllchen für Verkehrssünderin

Beim Welschen Häusle bekommt eine Verkehrssünderin noch schnell ein Knöllchen, die das hier herrschende Durchfahrverbot missachtet hat: 20 Euro Strafe. Dann geht’ s rüber auf den Galgenberg mit seinem atemberaubenden Ausblick auf die Stadt. "Kein Wunder, dass sich Jugendliche, junge Erwachsene hier gerne treffen." Es ist ein Traum – der leider zu oft vermüllt zurückgelassen wird. Aber auch hier ist die Polizei präsent – wie zur Bestätigung kommt gerade eine der beiden Calwer Polizei-Streifen vorbei, das Areal kontrollieren.

Die wird man später noch einmal wieder treffen – beim zweiten Besuch "Auf dem Brühl" – nach Sonnenuntergang. Vorher noch das Maria-von Linden-Gymnasium: eine vermüllte Sitzecke auf dem Schulhof wird vorgefunden. Und ein Klassenraum, in dem man vergessen hat, das Licht zum Ferienbeginn auszuschalten. Wird sich der OB drum kümmern.

Mittlerweile ist es nach 21 Uhr. Auf dem Brühl wird gerade von der Polizei-Streife ein junger Mann in Handschellen abgeführt. "Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz", resümiert Kommissar Huber. Aber keine Hektik, kein falsches Drama. Alles freundlich, geordnet. "Der junge Mann kommt mit auf die Wache, um dort noch mal komplett kontrolliert zu werden." Danach werde er wohl wieder auf freien Fuß gesetzt.

Fazit: Wo Menschen zusammenleben, gibt es immer wieder einmal Reibungspunkte – gerade weil, wie es der Oberbürgermeister ausdrückt, "unsere Gesellschaft immer bunter wird". Aber in Calw haben Stadt und Polizei ihre Problemzonen gut im Griff. Daher: Bitte diese tolle Stadt nicht ständig schlechter reden als sie ist. Wer das nicht glaubt, den lädt Kommissar Huber in seinen alten Dienstbezirk nach Karlsruhe ein. Danach weiß man den "sicheren Hafen" Calw wahrscheinlich wieder wirklich zu schätzen.