Familie Jourdan aus Neuhengstett vor einem ihrer Regiomat-Automaten, mit dem sie unter anderem die Direktvermarktung ihrer selbstproduzierten Eier aus Bodenhaltung betreiben. Foto: Kunert

Nachfrage so hoch wie noch nie. Direktvermarktung hilft Landwirten sich vom Preisdiktat der Discounter zu befreien.

Kreis Calw - "Die reißen uns die Eier aus den Händen." Das sagt Christa Rinderknecht aus Jettingen – die hier Freilandeier produziert. "Wir sind im Moment täglich abends ausverkauft." Das sagt Martin Jourdan aus Neuhengstett. Das Eier-Geschäft brummt derzeit in der Region – dank Fipronil-Skandal.

Eigentlich produzieren die Jourdans auf ihren Waldenserhof jetzt in den Sommermonaten vor allem Nudeln – weil eigentlich die Stammkundschaft in den Ferien ist und man unter solchen Bedingungen normalerweise auf einen Großteil der täglich 1200 bis 1300 Eier aus der hofeigenen Bodenhaltung sitzen bleibt. "Schauen sie das Bord dort", zeigt Landwirt Martin Jourdan auf eine lange Arbeitsplatte in der Vorhalle seines Hühnerstalls. "Dort müssten sich jetzt eigentlich die unverkauften Eier stapeln." Stattdessen: gähnende Leere und leere Eierkartons.

Schon früh für die Direktvermarktung entschieden

Ursache für den im Moment reißenden Absatz der jourdanschen Eier: klar, der Fipronil-Skandal, der aktuell von Belgien und Holland aus die gesamte Branche erschüttert. Millionenfach sind auch in Deutschland Eier in den Handel gelangt, die mit dem für Menschen gesundheitsschädlichen Insektizid Fipronil belastet sind. Nach bisherigen Erkenntnissen wurde das Insekten-Gift unerlaubterweise von einem auf industrielle Desinfektion spezialisiertem Betrieb eingesetzt, der damit bei Eier-Großproduzenten gegen Hühnerflöhe vorging. Diese Hühner-Parasiten tauchen auf, erläutert Landwirt Jourdan, wenn man es mit der Hygiene im eigenen Stall nicht so genau nimmt. "Regelmäßiges Ausmisten beugt dem sicher vor."

Allerdings: Die "Schuld" für den Fipronil-Skandal könne man nicht allein den Produzenten zuschreiben, bricht Jourdan eine Lanze für die Kollegen in der industriellen Eier-Produktion. "Was sollen die denn machen?" Hauptkunden sind für diese Produzenten die großen Handelsketten, die Discounter, die immer größeren Preisdruck auf die Hersteller ausübten – wie bei der Milch. "Da ist dann wenig Geld und Budget für gute Mittel da, wenn dann doch mal Probleme im eigenen Stall auftreten."

Die Jourdans haben sich schon früh dafür entschieden, als Direktvermarkter ihre Produkte selbst an den Mann und die Frau zu bringen – über heute insgesamt sieben umliegende Verkaufsstellen und zwei "Regiomat-Automaten". Das sichert höhere, marktgerechtere Margen für die Landwirte. "Und wir könnten uns dadurch im Zweifelsfall saubere, unbedenkliche und amtlich freigegebene Mittel im Tierschutz leisten." Wenn sie denn tatsächlich einmal benötigt würden.

Nicht eine Feder fehlt den Tieren

Auch die Rinderknechts in Jettingen setzen auf solche Verkaufsautomaten wie die Jourdans. Drei Exemplare davon bestücken sie täglich, darüber hinaus gibt es den kleinen Bioladen auf dem Hofgelände. Die beiden mobilen Eier-Ställe ihres Betriebes beherbergen jeweils 250 "glückliche Hühner" – die sofort reagieren, wenn Christa Rinderknecht mit Sohn Boas die auf einer Wiese "pickende" Hühner-Bande besuchen. Hier funktioniert auch noch der natürliche vorbeugende Flohschutz des Federviehs: das regelmäßige Staubbad im herrlich fruchtbaren Boden des Gäurands. Kerngesund sehen die Hühner der Rinderknechts schon auf den ersten Blick aus: Nicht eine Feder fehlt den Tieren in der munteren, lebhaften Hühner-Herde.

"Wir konnten uns aber auch schon vor dem Skandal nicht über den Absatz unserer Eier beklagen", erzählt die Landwirtin aus Leidenschaft. Weshalb Christa Rinderknecht der aktuelle Hype um ihre Freilandeier "auch manchmal weh tut" – nämlich immer dann, wenn sie im Moment Stammkunden ohne frische Eier nach Hause schicken muss, weil die gesamte Tagesproduktion bereits "weg" ist. "Die Stammkunden haben uns geholfen, die Eier-Produktion überhaupt aufzubauen."

Als man damit auf dem Hof der Rinderknechts vor gerade einmal zwei Jahren anfing, "hatten wir große Angst, die Eier überhaupt loszubringen". Weil sie wussten, dass sie preislich einfach mehr verlangen mussten als die Billigeier vom Discounter. Aber die höhere Qualität der extrem frischen Freilandeier vom Jettinger Höhenhof der Rinderknechts wurde damals sofort von der heutigen Stammkundschaft honoriert – "und nach nur zwei Monaten bestellten wir bereits den zweiten mobilen Hühnerstall". Da sei es schmerzlich, "diese tollen Kunden jetzt immer wieder enttäuschen zu müssen".

Gedanken an Expansion

Drängt sich die Frage auf, ob nicht jetzt für die Rinderknechts und die Jourdans der Punkt gekommen sein müsste, in den Ausbau ihrer Eier-Produktion zu investieren. Martin Jourdan zuckt mit den Schultern. "Wir denken schon über Expansion gezielt nach", erläutert er. Aber dafür müsste sich zeigen, dass der aktuelle Boom ihrer regional produzierten und vermarkteten Eier "sich auch auf Dauer stabilisieren" ließe. Genauso sieht es auch Christa Rinderknecht: "Wir sind sofort dabei, weitere mobile Ställe aufzustellen" – wenn sich die Nachfrage auch nach Abklingen des Fipronil-Skandals auf dem derzeit erreichten Niveau tatsächlich einpendeln würde. Oder noch weiter wachsen: "Da hätten wir natürlich auch nichts dagegen."

So gesehen

Geiz ist gar nicht geil

Von Axel H. Kunert

Eigentlich ist es ein Grund, stolz zu sein auf die hiesigen Konsumenten und Verbraucher: Im Land schwelt der Fipronil-Skandal – doch statt in totale Kaufverweigerung zu verfallen, wie zum Beispiel noch beim BSE-Skandal vor rund zwei Jahrzehnten, als selbst gar nicht betroffene Bio-Bauern durch den folgenden Boykott der Kunden oft in massive Existenznot gerieten, besinnen sich die Eier-Käufer zumindest hier im Nordschwarzwald und im Gäu heute auf die Produkte aus der Region. Und kaufen den hiesigen Landwirten dieser Tage die gesamten Warenbestände weg. Gut so.

Allerdings: Genau diese Landwirte haben es verdient, dass dieses gerade schlagartig veränderte Kaufverhalten von uns allen nicht bloß ein Strohfeuer bleibt – sondern zu einem nachhaltigen veränderten Verbraucherverhalten führt.

Und übrigens nicht nur bei Eiern. Der landwirtschaftliche Warenkorb, der sich bei den Erzeugern hier in der Region auf einem durchgängig hohem Niveau für uns Kunden jeden Tag zusammenstellen lässt, ist umfassend. Kaum eine Warengruppe fehlt: Mehl, Eier, Fleisch, Milch, Kartoffeln, Käse, Gemüse, Obst und Säfte, sogar Fisch – die gesamten Lebensmittel des täglichen Bedarf finden sich bei den hiesigen Erzeugern. In oft unübertroffenen Qualitäten.

Allerdings: Diese außergewöhnlichen Qualitäten haben natürlich auch ihren Preis. Sind aber eben auch den "Preis wert". Wie wir gerade jetzt beim Eier-Skandal eindrucksvoll erkennen dürfen: Konventionelle, industriell erzeugte Eier sind billig – durch das Preisdiktat der Handelsketten und Discounter. Die aber eigentlich damit nicht anderes abbilden als unser aller "Geiz ist geil!"-Mentalität. Geiz ist aber gar nicht geil. Weil Geiz allzu häufig auf Kosten der Qualität geht. Und bei Lebensmitteln heißt das: irgendwann eben auch auf Kosten unserer Gesundheit.

Es ist eine Vision, dass der Nordschwarzwald und das Gäu als Regionen Vorreiter werden auch für ein gesellschaftsweites Umdenken im Lebensmittelkonsum. Bisher sind Direktvermarktung und der "Bio-Trend" immer noch nur Nischen-Erscheinungen. Die richtig großen Umsätze machen andere. Deshalb müssen vor allem auch die Landwirte auf breiter Front umdenken lernen – und die Vorteile erkennen, die in der Direktvermarktung ihrer Produkte stecken: höhere Margen für sie selbst; Unabhängigkeit vom Preisdiktat der großen Aufkäufer. Und – das Wichtigste für jeden Landwirt: wieder echte Wertschätzung der Kunden für ihre Leistung.

Gar nicht so kleiner Nebeneffekt, der sich bei den aktuellen Beispielen wie dem Jourdan-Hof in Neuhengstett oder den Rinderknechts in Jettingen zeigt: Deren Verkaufsautomaten, in denen es heute bereits wesentlich mehr zu kaufen gibt als nur Eier, sind auch eine tolle Alternative zu den heute gängigen Öffnungszeiten des Handels. Wenn der Handel seine Läden geöffnet hat, arbeiten üblicherweise die meisten Menschen. Doppelverdiener in den Familien sind die Regel. Ein echtes Dilemma – wie der regelmäßige "Run" der Menschen auf Abend- und Wochenendverkäufe beweist. Die Automaten der Direktvermarkter haben rund um die Uhr geöffnet – und werden bereits rund um die Uhr auch lebhaft genutzt, wie die Jourdans und Rinderknechts bestätigen.

Info

Fipronil

Fipronil ist ein in vielen Ländern als Biozid und "systemisches Pflanzenschutzmittel" verwendeter Wirkstoff aus der Gruppe der Phenylpyrazole. Es wirkt als Kontaktgift schnell und lang anhaltend gegen Ackerschädlinge sowie Ektoparasiten wie Flöhe, Haarlinge, Tierläuse, Zecken, Raubmilben, Herbstgrasmilben und Räudemilben. Fibronil wurde 2017 vermutlich von einem belgischen Hersteller dem zur Verwendung in der Hühnerzucht und -produktion zugelassenen Desinfektions- und Reinigungsmittel "Dega-16" aus Eukalyptusöl, Menthol und anderen ätherischen Ölen zur "Produktverbesserung" beigemischt und ist über das Hühnerfutter, Haut und Federn in die Nahrungskette gelangt.