Viele Calwer zog es auf den Marktplatz, um Hesses Verfilmung »Die Heimkehr« als Public Viewing zu erleben. Foto: Bausch

"Die Heimkehr" wirft auch Fragen auf. Regisseur Jo Baier gefallen unangepasste Menschen.

Calw - Public Viewing ist doch schöner als Fernsehen auf dem heimischen Sofa. Jedenfalls für die Hunderte von Menschen, die sich am Montagabend auf dem Marktplatz die Verfilmung von Hesses "Die Heimkehr" ansahen. Zeitgleich lief dieser Streifen im Fernsehen.

Was die Besucher zu sehen bekamen, war dramaturgisch gesehen, ausgezeichnetes Filmkino. Heike Makatsch und August Zirner glänzten in den Hauptrollen dieses Heimatdramas. Auch die Neben- rollen waren gut besetzt. Wer jedoch gekommen war, um vielleicht eine bekannte Straße, einen stillen Winkel oder ein schönes altes Haus in der Calwer Altstadt zu erkennen, wurde bitter enttäuscht. Warum wurden die Filmaufnahmen in Schwäbisch Gmünd, Schwäbisch Hall und dem Freilichtmuseum Wackershofen gedreht, obwohl Hesse mit diesen Orten nie etwas am Hut hatte?, fragten sich viele. Die Antwort ist einfach: Zu der Zeit gab es hier viel zu viele Baustellen.

Wer Hesses Erzählung aus dem Jahr 1909 gelesen hat, konnte sich zudem nicht erinnern, dass sich dort die Bürgermeistergattin erhängt oder die geistig umnachtete Bertha einem hinterhältigen Brandanschlag zum Opfer fällt. Auch das gehässige Verhalten der Gerbersauer zur Außenseiterin Katharina Entriß war manchen Besuchern zu überzeichnet. Filmische Zugaben um die Spannung zu steigern? Wenn eine Hesse-Erzählung schon gegen den ausdrücklichen Willen des Autors verfilmt wird, warum dann nicht möglichst authentisch?

Abgesehen von solchen fantasievollen Zugaben sahen die Besucher des Abends und auch die Fernsehzuschauer einen äußerst ansprechenden, gut gemachten Film, der sicher viele neugierig machen und den Zugang zu Hesses Literatur erleichtern kann. Dass dies auch anders gehen kann, zeigte die anschließende Dokumentation "Hermann Hesse – Superstar" mit Interviews mit Prominenten wie Franz Beckenbauer, Udo Lindenberg, Konstantin Wecker, Starkoch Vincent Klink und Regisseur Jo Baier. Alle hatten sie den Zugang zum Nobelpreisträger hauptsächlich durch das Gedicht "Stufen" gefunden.

Fernsehmoderatorin Annette Krause konnte vor der Vorführung OB Ralf Eggert entlocken, dass er in seiner relativ kurzen Zeit in Calw immerhin schon einen Hesse-Band gelesen hat, dem aber weitere folgen sollen.

Drehbuchautor und Regisseur Jo Baier fand es gut, "dass es in Schwaben nach wie vor noch viele unangepasste Menschen gibt." Der Filmemacher bedankte sich bei dem ebenfalls anwesenden SWR-Fernsehfilmchef Manfred Hattendorf, der die Verfilmung dieses Stoffes erst ermöglicht habe.

Mehrere Besucher stellten schmunzelnd fest, dass das "schwäbische Bruddeln und Reden über andere Leute" auch heute noch genauso sei, wie Hesse es schon im 20. Jahrhundert beschrieb. "Mich hat besonders interessiert, wie Hesse eine Heimkehr nach mehr als 30 Jahren darstellt und wie das im Film umgesetzt wird, und ich habe das als ziemlich ernüchternd erlebt", so der Stammheimer Erwin Ritter.

Dagegen hat der promovierten Hirsauer Historikerin Gisela Volz sehr gut gefallen, wie die Stimmung in Calw zu Hesses Zeit in dem Streifen eingefangen wurde.