Auch dem Reichstag steigt Nina aufs Dach. Die 14-Jährige aus Calw-Alzenberg hat einen Tag lang hinter die Kulissen des Berliner Politikbetriebs geschaut. Ein Aufstieg in die gläserne Reichstagskuppel gehört natürlich dazu. Fotos: Buckenmaier Foto: Schwarzwälder-Bote

14-jährige Alzenbergerin blickt hinter die Kulissen und lernt sogar die Kanzlerin kennen

Von Roland Buckenmaier

Politik ist langweilig? Von wegen. Nina Langgärtner (14) aus Calw-Alzenberg hat dank der Aktion "Wünsch dir was" des Schwarzwälder Boten mit Unterstützung der Sparkasse Pforzheim Calw hautnah erlebt, wie spannend es hinter den Kulissen des Berliner Politikbetriebs zugeht. Sie hatte mit Hans-Joachim Fuchtel, dem CDU-Bundestagsabgeordneten aus dem Wahlkreis, ja auch einen mächtigen Fürsprecher, der Nina sogar die Tore ins Kanzleramt öffnete.

8.37 Uhr: Nina ist aufgeregt. Flug 6528 hebt am Stuttgarter Flughafen vom Boden ab. Es ist ihr erster Flug. Berlin, wir kommen!

9.42 Uhr: Noch ’ne Premiere: Nina betritt zum ersten Mal den Boden der Hauptstadt. Im Entwicklungsministerium erwartet man den Gast aus dem Schwarzwald schon.

10.34 Uhr: Empfang beim Parlamentarischen Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel. In lockerer Runde erzählt er, wie Politik funktioniert. Erst vor drei Tagen kam er aus Bangladesh zurück, wo vor anderthalb Jahren mehr als 1100 Menschen beim Einsturz einer Textilfabrik starben. Fuchtel will verhindern, dass so etwas noch mal passiert und hat deswegen Textilunternehmer in diesem Land zu einem Bündnis überredet, das bessere Arbeitsbedingungen und auch höhere ökologische Standards in ihren Fabriken garantieren soll. "Keiner hätte gedacht, dass uns das gelingt", sagt Fuchtel. Sein Credo: Wenn wir für eine Jeans im Laden nur einen Euro mehr bezahlen, könnten die Menschen in Bangladesh von ihrer Arbeit leben. Griechenland, Ukraine, Afrika – Hans-Joachim Fuchtel, Angela Merkels Troubleshooter, ist an vielen Orten der Welt im Einsatz. Nina hört gespannt zu. Aber die Zeit drängt. Unten wartet schon die dunkle Limousine...

11.30 Uhr: Nina steht vor dem Kanzleramt. Personenkontrolle. Schon die zweite heute. Conrad Häßler, einer der vielen außenpolitischen Berater der Regierungschefin, empfängt die 14-Jährige dort, wo sonst Staatsgäste begrüßt werden: vor der großen Treppe. Das Kanzleramt ist bombastisch und viel größer, als es von vorn erscheint. 500 Menschen sind hier Angela Merkel zu Diensten.

11.45 Uhr: Ein Aufzug, der aussieht wie aus dem Raumschiff Enterprise, bringt Nina in die Skylobby mit gigantischem Blick über Berlin. Und die junge Alzenbergerin darf ins Allerheiligste, wo "normale" Besucher keinen Zutritt haben: in den Kabinettssaal, wo sonst die Kanzlerin mit ihrer Ministerriege tagt. Auf dem Tisch steht eine goldene Konferenzuhr, die der erste Bundeskanzler der Republik, Konrad Adenauer, schon benutzt hat. Zwei Stockwerke drüber hat die Kanzlerin ihr Appartement.

12.07 Uhr: Hier trifft man Menschen, die man sonst nur aus dem Fernsehen kennt. Peter Altmaier, Merkels Kanzleramtsminister, steht im Aufzug und sagt Hallo. Noch schnell ein Foto an der Stelle, wo die Kanzlerin sonst ihre Pressekonferenzen gibt, und dann runter zum Kuriositätenkabinett. Was Kanzler nicht alles geschenkt bekommen...

12.27 Uhr: Nina verlässt das Kanzleramt. Markus Guth, Fuchtels Büroleiter, wartet schon. In Windeseile geht es rüber ins Abgeordnetenhaus.

12.40 Uhr: Personenkontrolle, die dritte.

12.57 Uhr: Nina steigt dem Reichstag aufs Dach. 230 Meter hoch. In der gläsernen Kuppel schaut sie staunend auf die Skyline Berlins. 230 Meter runter. "Das ist die schnellste Bundestagsführung aller Zeiten", sagt Guth und lächelt. Zum Essen bleibt keine Zeit. Zum Ausruhen auch nicht.

13.30 Uhr: Nina sitzt im Parlamentarischen Beirat der Unionsfraktion für nachhaltige Entwicklung mit am Tisch. Fuchtel berichtet über seine erfolgreichen Initiativen in Bangladesh. Seine Abgeordnetenkollegen sind begeistert. Endlich besetzt die CDU hier ein Themenfeld, das sonst eher die Grünen für sich reklamieren: nachhaltige Entwicklung und Schutz der Schöpfung. Auf dem Tisch stehen Nikoläuse aus fair gehandelter Schokolade.

14.27 Uhr: Fuchtel und Nina verlassen die Sitzung – die Kanzlerin höchstpersönlich erwartet sie gleich im Bundestag. Die Personenkontrolle fällt diesmal aus. Fuchtels Machtwort genügt: "Die gehören zu mir!"

15.02 Uhr: Nina Langgärtner schüttelt Angela Merkel die Hand. Die Kanzlerin gratuliert ihr, legt ihr die Hand auf die Schulter – und geht dann in die Fraktionssitzung. "Das war cool", sagt Nina und lächelt verlegen.

15.20 Uhr: Zurück im Entwicklungsministerium. Fuchtel trifft sich mit den Häkelhelden. "Was es nicht alles gibt", schüttelt Nina den Kopf. Das schrille Treffen hat einen ernsten Hintergrund: Auch hier geht es um Fair-Trade und nachhaltige Produktion, in diesem Fall von Baumwolle. So macht Hans-Joachim Fuchtel Politik – mit kleinen Schritten für ein großes Ziel.

16.20 Uhr: Höchste Zeit, um die Hauptstadt kennenzulernen. Gendarmenmarkt, Friedrichstraße, Checkpoint Charlie, Brandenburger Tor, Holocaustdenkmal, Regierungsviertel und dann noch zum Alexanderplatz. Das war garantiert die schnellste Stadtführung aller Zeiten – zu Fuß!

22.47 Uhr: Nina landet wieder in Stuttgart. Müde, aber glücklich. "Den Tag", sagt sie, "werde ich nie vergessen".