Die Praxis, dass der Landkreis die Verluste der beiden Kreiskliniken ausgleicht, ist laut BGH-Urteil rechtens. Foto: Fritsch

Bundesgerichtshof in Karlsruhe bestätigt Rechtmäßigkeit der Übernahme der Klinikverluste durch Landkreis.

Kreis Calw/Karlsruhe - Schon direkt nach der Verhandlung am Bundesgerichtshof in Karlsruhe hatte der Calwer Landrat Helmut Riegger ein ziemlich gutes Gefühl. Und das hat nicht getrogen. Der Kreis Calw kann im Musterprozess gegen den Bundesverband der Privatkliniken einen Erfolg verbuchen. Calw und andere Kreise dürfen ihre Kliniken weiter finanziell unterstützen.

Kernpunkt des bundesweit beachteten Verfahrens ist etwas, was im Kreis Calw fast schon eine Selbstverständlichkeit ist. Über die Jahre hat der Landkreis immer wieder aus Steuergeldern die Verluste der beiden Kliniken in Calw und Nagold ausgeglichen – 2012 und 2013 waren das 4,4 Millionen Euro, 2014 knapp 3,3 Millionen Euro. 2012 hatte der Kreistag einen entsprechenden Beschluss gefasst. Und auch mit anderen Mitteln hat man die beiden Kliniken finanziell gestützt.

Am Anfang war man nicht ganz so optimistisch

Diese weit über den Kreis Calw hinaus gängige Praxis stieß beim Bundesverband Deutscher Privatkliniken, dem 1000 Privatkliniken und Reha-Einrichtungen angehören, sauer auf. Man beschloss, am kleinen Landkreis Calw ein Exempel zu statuieren und verklagte ihn. Der Vorwurf: Die Zuwendungen des Kreises an seine Kliniken seien staatliche Beihilfen, die mangels Anmeldung bei der Europäischen Kommission rechtswidrig und dazu noch ein Wettbewerbsverstoß seien.

Vor zweieinhalb Jahren, als das erste Verfahren vor dem Landgericht Tübingen anstand, war man im Calwer Landratsamt nicht wirklich optimistisch, erinnert sich Helmut Riegger. Doch man war erfolgreich: Das Landgericht Tübingen wies die Klage der Privatkliniken im Dezember 2013 ab. Die Privaten gingen wie erwartet in Berufung, unterlagen aber auch im November 2014 vor dem Oberlandesgericht Stuttgart. Am Donnerstag ging es nun zur Verhandlung zum Bundesgerichtshof nach Karlsruhe.

Nur eine Stunde war für die Verhandlung vor dem 1. Zivilsenat angesetzt. Neue Argumente habe es nicht gegeben, berichtet der Kreischef im Gespräch mit unserer Zeitung. man trug Bekanntes vor. Der Landkreis seine Position, dass man als Kreis durch das Landeskrankenhausgesetz dazu verpflichtet sei, eine gute wohnortnahe stationäre Gesundheitsversorgung in Kliniken vorzuhalten. 365 Tage im Jahr, sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag. Prinzipiell könnten diesen Auftrag zwar auch die Privaten erledigen, doch die hätten die Möglichkeit wieder auszusteigen, wenn es sich wirtschaftlich nicht rechnet, so Riegger, der es so zusammenfasst: "Wir müssen die Versorgung vorhalten, die Privaten können."

Und diese 24-Stunden-Versorgung koste eben Geld. Geld, das sich die Privaten sparen. Das führe dann zu Vorfällen wie diesem: Bei einer Behandlung in einer Privatklinik außerhalb des Kreises sei es nachts zu Komplikationen gekommen. Da diese Klinik aber über keinen ärztlichen Notfalldienst verfügt habe, habe man den Patienten ins Nagolder Krankenhaus gebracht und dort versorgt. Am nächsten Morgen wurde der Patient dann wieder in die Privatklinik gebracht.

Riegger kontert den Vorwurf der privaten Klinikbetreiber, die Kommunen – in diesem Fall der Kreis Calw – betrieben bei den Kliniken Missmanagement, nicht nur damit, dass man im Gegensatz zu den Privaten keine "Rosinenpickerei" betreiben könne und einen 24-Stunden- Betrieb kostenintensiv aufrecht erhalten müsse, sondern auch damit, dass sich Bund und Land nur spärlich an ihre Verpflichtung halten, für die Investitionen in den Krankenhäusern aufzukommen.

Riegger: "Ich gehe davon aus, dass die Sache damit durch ist"

Das hat zur Folge, dass man die Investitionen selbst schultern müsse. Diese Ausgaben lassen über Abschreibungen und Tilgungen das Minus in den Bilanzen der Kliniken rasant in die Höhe schnellen.

Diese Argumentationen waren es, die Helmut Riegger auch dem Bundesgerichtshof vortrug. Darüber hinaus gab ihm der Senat auch noch die Gelegenheit zu einer persönlichen Erklärung aus Sicht des Landkreises. Schon das wertete der Kreischef als gutes Zeichen, dass man auch vor diesem Gericht Erfolg haben könnte. Und so kam es dann auch.

Der Senat folgte in weiten Teilen der Argumentation des Landkreises, erkannte die Calwer Praxis – und damit die vieler Kommunen in Bund und Land – unter bestimmten Voraussetzungen als rechtens an und verwies das Verfahren ans Oberlandesgericht Stuttgart zurück. Das soll jetzt noch klären, inwiefern es sich bei bestimmten Zuwendungen des Kreises an seine Kliniken in den Jahren 2012 und 2013 doch um meldepflichtige Beihilfen gehandelt hat. Der BGH bemängelte, dass beim Landkreis in diesen Jahren die nötige Transparenz "teilweise nicht ausreichend" gewährleistet gewesen sei. Ab 2014 habe man in dieser Sache aber alle nötigen Anforderungen erbracht, so das Gericht.

Nach dem Urteil zeigte sich Riegger gegenüber unserer Zeitung glücklich mit dem Ergebnis. "Wir sind zufrieden, das Urteil bestätigt uns und unsere aktuelle Vorgehensweise", so Riegger. Die angemahnten formalen Kritikpunkte, die das Gericht erkannte, und die jetzt noch einmal das Oberlandesgericht Stuttgart beschäftigen werden, hält Riegger für eher marginal. "Ich gehe davon aus, dass mit dieser Entscheidung die Sache durch ist", resümierte Riegger den Tag in Karlsruhe.