Sebastian Fielsch, Constanze Nübling und Ulf Lamparter (von links) vom sozialpsychiatrischen Dienst des AOP begleiten Betreutes Wohnen in Familien. Foto: Stocker Foto: Schwarzwälder-Bote

Aktionstag: Psychische Erkrankungen nehmen zu / AOP sucht helfende Gastfamilien und Einzelpersonen

Die Zahl der psychisch Erkrankten nimmt zu – und das bei Menschen aller Altersklassen. Schnell sind die Betroffenen mit einem Stigma behaftet, das der Arbeitskreis Offene Psychiatrie (AOP) aufbrechen will. Deshalb sucht er Wohnangebote.

Calw. "Nach klinischen und therapeutischen Maßnahmen soll das häusliche Umfeld die Brücke für Teilhabe an der Gesellschaft sein", fasste Sozialarbeiterin Constanze Nübling zusammen. Dafür werden Familien oder auch Einzelpersonen gesucht, die Betroffene in ihre Lebens- und Wohnverhältnisse integrieren. "Sie sollen durch die alltägliche Struktur ein Stück Normalität gewinnen auf ihrem Weg, und wir betreuen diese Entwicklung", umriss Nübling das Ziel. Mit dieser Nestwärme kann nämlich die Seele gestärkt werden.

Familie Müller (Name von der Redaktion geändert) engagiert sich seit nun schon 20 Jahren auf diese Art und Weise. "Man bekommt unheimlich viel zurück, wenn man bereit ist, jeden Menschen in seinem Anderssein anzunehmen", zieht sie im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten ihr Fazit. Ihr derzeitiger Gast, wie sie die betreffende Person nennen, ist im neunten Jahr in der Familie. Die Dauer des jeweiligen Aufenthalts hänge immer mit dem Krankheitsverlauf zusammen. Wenige Wochen oder Monate bis hin zu vielen Jahren könne das Zusammenleben dauern. "Denn auch unsere Gäste sind individuelle Persönlichkeiten, und manche brauchen noch klinische Betreuung, andere können mit Familienanschluss nicht umgehen und wieder andere überwinden die Krankheit und werden selbstständig", gibt Familie Müller zu bedenken.

In allen Verbindungen aber stehe einerseits der AOP mit dem sozialpsychiatrischen Dienst zur Seite, andererseits läuten Kennenlernen und Probewohnen die Aufenthalte ein. Im Verlauf der Jahrzehnte hätten sie auch ein Jahr Pause eingelegt für diese Begleitung und schnell gemerkt, dass ihnen etwas fehle, erzählte Familie Müller.

Und dabei ist das Ehepaar Müller selber auch berufstätig. "Die Entscheidung trafen wir immer auch gemeinsam mit unseren drei Kindern", erzählen die beiden Eltern. Während diese inzwischen ihren eigenen Weg gehen, springt die Tochter ein, wenn beispielsweise eine Urlaubsreise ansteht. Bis heute hat die Familie Kontakt zu ihren Gästen und empfindet alle Erfahrungen als Bereicherung.

Gefragte Wohnform

"Mit Blick auf immer knapper werdenden Wohnraum gewinnt diese Form der Betreuung an Bedeutung", sagte Sebastian Fielsch. Er leitet das stationäre AOP-Wohnheim. Familien oder Personen, die ein solches Umfeld bieten, erhalten dafür eine Vergütung. Interessenten können sich beim AOP in der Badstraße melden oder sich am Montag, 16. Oktober, ab 17.30 Uhr in der Aula beim Aktionstag der "Netzwerke gegen Armut und Abstiegsangst" erkundigen. Außer dem AOP werden dort weitere Organisationen und Einrichtungen ihre Angebote vorstellen.