Wenn der Zweckverband zügig gegründet wird, beginnen die Arbeiten in diesem Winter. Symbolfoto: © BildPix.de – stock.adobe.com Foto: Schwarzwälder Bote

Kommunales: In Debatte wird Gewerbegebiet aber grundsätzlich in Frage gestellt – und Alleingang diskutiert

Die Vorbereitungen für das geplante Gewerbegebiet Lindenrain bei Holzbronn befinden sich auf der Zielgeraden: Der Calwer Gemeinderat stimmte am Donnerstag zu, Mitglied in einem neu zu gründenden interkommunalen Zweckverband zu werden. In der Diskussion wurden jedoch nochmals grundsätzliche Zweifel geäußert.

Calw. Es ist eine altbekannte Aussage: Calw hat kein Ausgaben- sondern ein Einnahmenproblem.

Ausgangslage

Unter anderem mit dem Wegfall großer Firmen wie Bauknecht und der Deckenfabrik – und der damit fehlenden Gewerbesteuer – fiel die Stadt vor rund zwei Jahrzehnten finanziell gesehen in ein tiefes Loch. Und millionenschwere Investitionsmaßnahmen wie die Sanierung des Rathauses oder die Abwasserkonzeption Holzbronn-Liebelsberg trugen dazu bei, den Schuldenberg steigen zu lassen, der Ende des Jahres 2015 auf rund 34 Millionen Euro angewachsen war.

Mittlerweile wurde einiges dieser Verbindlichkeiten abgebaut; Ende 2018 wird die Stadt voraussichtlich "nur" noch rund 25,1 Millionen Euro abzuzahlen haben.

Zu verdanken war dies jedoch nicht sprudelnden Einnahmen sondern einer eisernen Spardisziplin in vielen Bereichen.

Mit dem Gewerbegebiet Lindenrain bei der Abzweigung von der B 296 nach Holzbronn, für das noch in diesem Winter die Rodungsarbeiten beginnen könnten, könnte der Stadt nun ein Schritt gelingen, um auch ihr Einnahmenproblem in den Griff zu bekommen – durch die erhoffte Gewerbesteuer der Unternehmen, die sich dort ansiedeln.

Widerstand

Umso erstaunlicher war es da, dass in der jüngsten Sitzung des Gemeinderates das Vorhaben nach Jahren der Diskussion und Planung in Frage gestellt wurde. So begründete Hans Necker (Neue Liste Calw) seinen Widerstand dagegen damit, dass die Erschließungskosten innerhalb eines Jahres von 90 auf 110 Euro pro Quadratmeter gestiegen seien und sich für das ganze Gebiet mittlerweile auf rund 21 Millionen Euro belaufen würden. Dies sei eine sehr große Summe – und es sei für ihn fraglich, ob der Nutzen überhaupt in einem vernünftigen Verhältnis zu diesen Kosten stehen würde. Auch, weil schließlich Bund und Land über die Gewerbesteuerumlage einen Teil der erhofften Steuereinnahmen für sich beanspruchen.

Dieter Kömpf (Freie Wähler) hielt dem entgegen, dass die Erschließungskosten wohl schon über den Verkauf der Grundstücke abgedeckt würden. Und die später zu erwartende Gewerbesteuer komme der Stadt definitiv zugute. Denn, so Kömpf: "Viele Möglichkeiten hat eine Kommune nicht, um Einnahmen zu generieren."

Jürgen Ott (Gemeinsam für Calw) äußerte die Ansicht, dass vermutlich nicht nur die Erschließungskosten, sondern auch die Grundstückspreise mit der Zeit steigen würden – nicht zuletzt, weil Bauland auch für Gewerbetreibende ein rares Gut geworden sei, das vielerorts kaum noch zur Verfügung stehe. Calw stelle da keine Ausnahme dar. "Wir haben doch keinen Fleck mehr", erklärte er.

Fehlende Prognosen?

Fraktionsübergreifend störten sich jedoch sowohl Necker als auch Sebastian Nothacker und Udo Raisch (beide CDU) darüber hinaus daran, dass die Stadtverwaltung keine Prognose abgegeben habe, mit wie viel Gewerbesteuer gerechnet werden könne, sobald das Gebiet bebaut sei. Oberbürgermeister Ralf Eggert entgegnete darauf, dass eine Schätzung kaum möglich sei, "weil ich nicht weiß, wer kommt". Finanziell erfolgreiche Firmen zahlen beispielsweise mehr als weniger erfolgreiche.

Ohne Zweckverband?

Für Diskussionen sorgte aber auch das eigentliche Thema des Abends, über das es abzustimmen galt: die Gründung eines interkommunalen Zweckverbands, zusammen mit Gechingen und Bad Teinach-Zavelstein, an dem Calw mit 80 Prozent, die beiden anderen Kommunen mit jeweils zehn Prozent beteiligt wären.

So stellte beispielsweise Raisch in den Raum, ob Calw überhaupt Teil eines Zweckverbandes werden solle, statt das Gewerbegebiet allein zu nutzen – eine Position, die in der CDU-Fraktion offenbar bereits für Diskussionen gesorgt hatte. Denn, so erklärte Nothacker: Die CDU sei sich zwar einig, das Gewerbegebiet grundsätzlich zu wollen; Uneinigkeit herrsche aber bei der Frage ob mit oder ohne Zweckverband. Auch Bernhard Stopper (Neue Liste Calw) war skeptisch. "Wir haben die Arbeit gemacht, sind in Vorleistung gegangen und jetzt springen die anderen auf", gab er zu bedenken.

Nothacker gefielen darüber hinaus Teile der Zweckverbandssatzung nicht – zum Beispiel, dass für die meisten Entscheidungen eine Vier-Fünftel-Mehrheit der Mitglieder des Verbandes gebraucht würde. Die beiden "kleineren" Partner könnten Calw durch diese Regelung blockieren.

Eggert erklärte daraufhin, dass sowohl Gechingen als auch Bad Teinach-Zavelstein mit investierten und entsprechend auch verständlicherweise ein Mitspracherecht einforderten. Beim Interkommunalen Gewerbegebiet Würzbacher Kreuz, bei dem die Stadt mit Oberreichenbach und Bad Teinach-Zavelstein zusammenarbeitet, habe man überdies bereits Erfahrungen gesammelt, dass eine solche Zusammenarbeit problemlos ablaufe.

Zeitdruck?

Doch Nothacker monierte auch, dass die Verwaltung den Gemeinderat in Zeitdruck gebracht habe. So müsse nun schnell über eine Zweckverbandsgründung entschieden werden, da sich die Erschließung des Gewerbegebiets, beispielsweise bei Änderungen der Satzung, zeitlich zu verschieben drohe.

Eggert erwiderte darauf, für ihn sei klar gewesen, dass Lindenrain ein interkommunales Gebiet werde. Und auch niemand aus dem Gremium könne "so tun, als kommen wir aus heiterem Himmel" mit diesem Vorhaben. Im Laufe dieses Jahres sei er dann davon überrascht worden, dass manche Mitglieder des Gemeinderats dies nicht unbedingt wollten. Zu dieser Zeit habe er bereits damit begonnen, Gespräche mit umliegenden Gemeinden zu führen. Zeitdruck sei außerdem auch dadurch entstanden, dass er noch im April den Auftrag vom Rat bekommen habe, zunächst nur mit drei statt mit allen angrenzenden Gemeinden in Verhandlungen zu treten. Hätte das Gremium damals bereits Gesprächen mit allen zugestimmt, hätte man im Anschluss überlegen können, mit wem das Projekt umgesetzt werden solle. Dies sei aber erst kurz vor der Sommerpause geschehen.

Die Entscheidung

Am Ende stimmte der Gemeinderat letztlich einer Mitgliedschaft der Stadt Calw im neu zu gründenden Zweckverband "Interkommunaler Gewerbepark Lindenrain" bei sechs Gegenstimmen zu. Auch die Zweckverbandssatzung wurde damit abgesegnet.

Die Partner

Der Gemeinderat von Bad Teinach-Zavelstein hatte einer Beteiligung am Zweckverband bereits an diesem Montag zugestimmt; der Gechinger Gemeinderat wird am kommenden Dienstag darüber beraten. Angesichts der kontroversen Diskussion in Calw betonte Eggert am Ende schließlich noch, dass die Debatte nicht gegen Bad Teinach-Zavelstein oder Gechingen gerichtet gewesen sei. Vielmehr habe das Gremium über eine ganz allgemeine, grundsätzliche Haltung zum Thema "interkommunales Gewerbegebiet ja oder nein" gesprochen. "Die Gechinger sind uns auf jeden Fall herzlich willkommen", unterstrich er mit Blick auf deren Gemeinderatssitzung am Dienstag.