Google als Arztersatz? Das ist in vielen Fällen gar keine gute Idee. Foto: Pleul

Calwer Mediziner Karl Köllhofer erklärt: Nach Symptomen im Internet suchen kann verunsichern.

Calw - Herbstzeit ist Erkältungszeit. Da liegt die Versuchung nahe, erste Krankheitssymptome erst Mal übers Internet zu suchen, statt zum Arzt zu gehen. Doch ist das eine gute Idee? Und was sagt der Calwer Arzt Karl Köllhofer dazu? Ein Selbstversuch.

Sobald die Tage kürzer werden, ist es bei vielen Menschen beinahe programmiert: die Nase läuft, der Kopf schmerzt. Da ist eine Erkältung oft nicht weit. Aber deshalb extra einen Mediziner aufsuchen? Ist das in Zeiten von Google nicht unnötig geworden? Die Internet-Suchmaschine scheint doch auf alles eine Antwort parat zu haben. Kann sie also auch Krankheiten zielsicher erkennen? Nun – genau das will ich heute ausprobieren.

Mit meiner Recherche beginne ich ganz vorne: dem Symptom. Ich tippe den Begriff "Kopfschmerzen" bei Google ein. Kaum eine halbe Sekunde später habe ich fast acht Millionen Vorschläge vorliegen.

Da ich – wie die meisten Menschen – weder Zeit noch Lust habe, alle dieser Vorschläge zu prüfen, klicke ich die erstbeste Adresse an. Sofort werde ich von einer Fülle an Informationen erschlagen: Etliche Formen von Kopfschmerzen springen mir ins Auge, hunderte Zeilen über Symptome, Ursachen, Folgen. Das alles lesen? Nein danke.

Ich mache mir eine gängige Praxis von Internet-Nutzern zu eigen – und gehe den umgekehrten Weg: Da ich eine Annahme habe, weiß ich, wie ich suchen muss. Ich gehe davon aus, erkältet zu sein – also kann es sich bei meinen Beschwerden eigentlich nur um "sekundäre oder symptomatische Kopfschmerzen" handeln, die – so heißt es im Internet – "Schmerzen sind, die infolge von anderen Krankheiten auftreten". Doch was genau sind sekundäre Kopfschmerzen?

Schon bin ich auf dem Weg zum nächsten Klick. Ich lande auf einer weiteren Seite – und was ich hier finde, gefällt mit überhaupt nicht: Neben Kältekopfschmerz oder Medikamentenmissbrauch werden hier auch Vergiftungen, Schädelhirntrauma, Schlaganfall oder Gehirntumor als mögliche Ursachen aufgelistet.

Manchmal kann das Netz sinnvoll weiterhelfen

Heißt das nun, mein Ende ist nahe? Habe ich etwa einen Gehirntumor? Das erscheint mir unwahrscheinlich. Eine Meinung, die auch der Allgemeinmediziner und Vorsitzende der Kreisärzteschaft Calw Karl Köllhofer teilt.

"Junge Patienten mit Migräne haben etwa genau so häufig einen Gehirntumor wie Leute, die überhaupt keine Migräne haben", sagt der Arzt. Den Gebrauch von Google als Diagnosemittel sieht er kritisch, wenn auch manchmal als hilfreich.

So könne es sinnvoll sein, sich nach einem Arztbesuch im Internet über jene Krankheiten zu informieren, die der Mediziner zuvor festgestellt habe. Auch bei bestimmten Beschwerden könne das Netz weiterhelfen – sofern die Informationen von Quellen wie beispielsweise Universitätskliniken stammten.

Wovon Köllhofer hingegen abrät, ist das so genannte "Drauflosgoogeln", bei dem ein Suchbegriff eingetippt und das erstbeste Ergebnis der Suchmaschine gelesen wird. "Das kann zu großer Verunsicherung führen", warnt der Mediziner. Auf vielen Internetseiten werde nicht zwischen "häufig" und "selten" unterschieden. Bei einem Zeckenbiss sei zum Beispiel oft ein Krankheitsbild zu sehen, wie es selten vorkomme – und ein Arzt es nur "ein oder zwei Mal im Leben sieht". Dieses Bild wirke aber wie der Normalfall.

Noch kritischer als manche Informationsseiten sieht Köllhofer Online-Foren oder -Chats. Dort gebe es nicht selten "Leute, die nicht viel Ahnung haben, aber ihre eigene, persönliche Erfahrung missionarisch nach außen tragen".

Im Zweifelsfall sei daher eine Untersuchung durch einen Arzt die erste Wahl. Mediziner seien geschult, Fragen nach "Red Flags" zu stellen – also nach Warnzeichen, die auf eine ernste Erkrankung eines Patienten hindeuten.