Ankunft des Airbus in Lübeck Foto: KSK

Übungs-Flieger für Geiselnahmen legt in zwei Wochen 2000 Kilometer zurück.

Calw - Bald kann das Kommando Spezialkräfte (KSK) mit Sitz in Calw unter realitätsnahen Bedingungen Geisel-Szenarien in großen Flugzeugen üben – und das sogar in der heimischen Kaserne. Nach einer frostfreien Phase im Frühjahr sollen die Teile eines Airbus A320 von einer zivilen Firma auf dem KSK-Gelände zusammengebaut werden, die im Dezember vergangenen Jahres nach Calw transportiert wurden – über eine Strecke von 1981 Kilometer, übers Meer und quer durch Deutschland, mit insgesamt fünf Schwerlastzügen. Eine abenteuerliche Reise, in die das Kommando Spezialkräfte unserer Zeitung nun exklusiv Einblick gegeben hat.

Auf den Airbus musste das KSK lange warten: Bereits vor einigen Jahren wurde geplant, ein Flugzeug für Trainingssituationen anzuschaffen. Dies erwies sich letztlich als gar nicht so einfach. Denn einerseits, so führt KSK-Pressesprecherin Hauptmann Nadine Henke aus, sollte es ein bestimmter Flugzeugtyp sein – und zwar ein Modell, das zu den am häufigsten geflogenen zählt. Und der Markt an ausrangierten Flugzeugen sei nicht gerade groß, die Modelle und deren Teile begehrt und unter Umständen zudem ziemlich teuer.

Der nun gekaufte Airbus erwies sich insofern als Glücksfall: Bei einem Trainingsflug am 28. Februar vergangenen Jahres war die Maschine aus etwa drei Metern Höhe im estnischen Tallin zu hart vom Piloten aufgesetzt worden und in der Folge flugunfähig. Eine Art Maklerfirma hatte den Airbus, der seit 18 Jahren im Einsatz war, daraufhin erworben und an das KSK weiterverkauft – für rund 150 000 Euro. Neuwertig kostet ein solcher Flugzeugtyp heute rund 100 Millionen US-Dollar (etwa 87 Millionen Euro).

Da schlagen auch die Transportkosten von ungefähr 150 000 Euro verhältnismäßig wenig zu Buche – vor allem angesichts des gewaltigen Aufwands, den der Transport erforderte. Denn bereits die Flügel sowie Seiten- und Höhenleitwerk mussten mit jeweils einem separaten Schwerlastzug (insgesamt also vier) die fast 2000 Kilometer von Estland nach Calw gebracht werden.

Viele Hindernisse säumen den Weg des Schwertransports

Die größte Herausforderung wartete jedoch mit dem Rumpf, der eine Woche später transportiert wurde. Und dabei lief keineswegs alles reibungslos ab: Der Schwertransport hatte bereits vor rund drei Wochen für Schlagzeilen gesorgt, weil der Rumpf des Airbus nachts in einem Kreisverkehr bei Althengstett (Kreis Calw) mehr als drei Stunden stehen musste. Am Anhänger des Transports war, vermutlich wegen Überlastung, ein Hydraulikschlauch geplatzt, als das Flugzeugteil angehoben wurde, um über die hohe Mittelinsel des Kreisverkehrs zu gelangen. Da hatte das Flugzeugteil den spannendsten Teil des Weges aber bereits zurückgelegt.

Los ging es im Hafen des estnischen Paldiski Richtung Lübeck. Drei Tage lang fuhr das Schiff durch die Ostsee nach Lübeck, von wo aus es am Ankunftsabend gegen 22 Uhr mit Lastwagen und Anhänger weitergehen sollte. Letztlich startete der Transport dann aber etwas später – was für ein zeitlich eng getaktetes Vorhaben ein echtes Problem sein kann. Denn bestimmte Engstellen einer Strecke müssen bei Schwertransporten von eigens engagierten Firmen mit Warnbaken abgesperrt werden. Firmen, die auch andere Kunden, andere Termine und andere Strecken in ihren Auftragsbüchern stehen und entsprechend wenig Zeit übrig haben. Trotz Verzögerung klappte es dann aber doch.

Die nächste Schwierigkeit wartete in der Nähe von Hamburg: Eine Autobahnbrücke erwies sich für den Schwertransport als zu niedrig; der Konvoi musste eine Abfahrt nehmen. Und einen Umweg von rund acht Kilometern fahren, bis das Fahrzeug wenden konnte, um schließlich an beinahe derselben Stelle – nur eben hinter der Brücke – wieder auf die Autobahn einzubiegen. Dabei fiel dem Transport auch ein Verkehrsschild zum Opfer, das im Wendekreis des Fahrzeugs stand und weggeflext werden musste.

Über Hannover ging es weiter nach Magdeburg zu einem Rastplatz, wo das Flugzeugteil den Tag über stehen blieb (Schwertransporte müssen wegen der Verkehrsbelastung in der Regel nachts vorgenommen werden). Ein Umweg über Ostdeutschland, der erforderlich war, weil auf der direkten Verbindung Richtung Süden – der A 7 – zu viele Bauwerke (wie Brücken) warten, die nicht für einen solchen Schwertransport geeignet sind.

In der folgenden Nacht legte der Konvoi die Strecke bis Schwabach zurück. In der Nähe von Nürnberg war erneut eine Brücke zu niedrig, ein ähnliches Manöver wie bei Hamburg nötig. Und in einer dritten Etappe ging es schließlich nach Calw, wo es kurz vor dem Ziel zur Panne kam – und die ganze Mannschaft stundenlang im Regen auf das nötige Ersatzteil wartete.

Zwei Wochen waren die Teile des Flugzeugs insgesamt unterwegs. Mehrere Jahre werden sie nun wohl noch im Einsatz sein – wenn auch nicht mehr in der Luft, sondern als Übungs-Kulisse. Natürlich auch für die Ausbildung künftiger Kommandosoldaten, verrät Pressesprecherin Henke. Das Kommando Spezialkräfte freue sich über diese neue Möglichkeit, seine Fähigkeiten zu trainieren und so noch besser für den Ernstfall vorbereitet zu sein.