Mit einer gelungenen Mischung aus Lesung und Musik wurde im Hirsauer Klosterareal der diesjährige Gerbersauer Lesesommer eröffnet. Unser Bild zeigt die Sprecher Martina Volkmann und Florian Ahlborn Foto: Bausch Foto: Schwarzwälder-Bote

Auftakt des Gerbersauer Lesesommers in Hirsau

Von Bettina Bausch

Calw-Hirsau. In stilvoller, passender Kulisse wurde die Eröffnung des Gerbersauer Lesesommers ein ganz besonderes Erlebnis. "Geheimnisvolle Klosterwelt" lautete das Motto der eindrucksvollen Lesung am Geburtstag von Hermann Hesse. Erstmals fand deshalb die traditionelle Reihe literarisch- musikalischer Hesse-Lesungen in der Ruine der Klosterkirche St. Peter und Paul statt. "Wir haben jetzt einen neuen wunderbaren Veranstaltungsort gefunden", freute sich Programmgestalter Herbert Schnierle-Lutz.

Und so empfanden es auch die zahlreichen Besucher des Abends, die trotz der hochsommerlichen Temperaturen zum idyllischen Platz auf dem Klosterareal gekommen waren. Dort wurden sie von fürsorglichen Helfern im Auftrag der Stadt Calw zunächst kostenlos mit Getränken versorgt. Anschließend ließen sich bei stimmungsvoller Musik und ausgewählten Hesse-Texten in die zauberhafte und geheimnisvolle Welt des Klosterlebens mitnehmen.

Die Passagen, die Schnierle-Lutz ausgesucht hatte, zeigten, wie der Dichter in vielen seiner Werke vom Kloster Hirsau und noch mehr vom Kloster Maulbronn inspiriert wurde. Dort hatte der große Sohn Calws in den Jahren 1891/92 einige Monate als Schüler des evangelischen theologischen Seminars verbracht. Leseproben aus dem Roman "Unterm Rad" zeugten vom Leiden und unglücklichen Ende des sensiblen jugendlichen Hermann in der rauen Wirklichkeit einer damaligen Internatsschule. Mit Leseproben aus "Narziß und Goldmund" erlebten die Zuhörer einen verbotenen nächtlichen Ausflug der unter strenger Aufsicht stehenden Klosterschüler des Mittelalters.

Spannend und geradezu zu Herzen gehend waren dann im weiteren Verlauf Auszüge aus der Erzählung "Erwin". Auch hier waren erneut stark autobiografische Züge unverkennbar, die stark an Hesses Zeit in Maulbronn erinnerten. In diesem Werk beschreibt ein jugendlicher Ich-Erzähler seine zarte und innige Freundschaft zu Erwin, einem sympathischen, geheimnisvollen Mitschüler. Beide Freunde sind unglücklich in der Internatsschule und verlassen diese vorzeitig. Beide dichten und lieben die Künste. Mit viel Einfühlungsvermögen schildert Hesse die letzten Gedanken und Empfindungen des sterbenden Freundes.

Dass Hesse später seine unglückliche Zeit in Maulbronn ohne Bitterkeit sehen konnte, zeigt sein besinnliches Gedicht "Im Kreuzgang", mit dem die stimmungsvolle Lesung ausklang. Dort lautet eine Strophe: "Hier wird mein erster Traum zunichte, an schlecht geheilter Wunde litt ich lang, nun liegt er fern und wird zum Traumgesichte und in guter Stunde zum Gesang."

Die professionellen Sprecher Martina Volkmann und Florian Ahlborn trugen mit ihrer beeindruckenden, packenden Vortragsweise wesentlich zum Gelingen des literarischen Abends bei. Weitere wichtige Bausteine waren sorgfältig ausgewählte Musikstücke mit zumeist be schwingten, barocken Melodien, die hervorragend auf die Texte abgestimmt waren und auflockerten.

Andreas Hiller (Gitarre) und Johannes Hustedt (Querflöte) spielten zauberhafte Musik von renommierten Komponisten wie Tomaso Albinoni, Diego Ortiz und Domenico Scarlatti. So wurde der Auftakt zu den diesjährigen Hesse-Lesungen zu einem großartigen künstlerischen und emotionalen Erlebnis.