Es ist nur schwer in Worte zu fassen, was die zwölf Trommlerinnen und Trommler der japanischen Gruppe Gocoo beim Calwer Klostersommer in Hirsau geboten haben. Dabei ist die Musik gar nicht so unbekannt, kennt man die Rhythmen doch aus Werbespots und aus der »Matrix«-Filmreihe. Jedenfalls zauberten die Musiker mit ihren Beats, Sounds, Klängen und Schlagkaskaden den Zuhörern in den Hirsauer Klosterruinen Fantasie-Bilder in die Köpfe. Foto: Fritsch

Gocoo schlagen Brücke von Ost nach West. Nach dem Konzert verlassen zwölf glückliche Künstler die Bühne.

Calw-Hirsau - Kann man ein Sinfonie-Orchester fast ausschließlich nur mit Trommeln besetzen? Man kann.

Wie das dann klingt, davon konnte man sich am Mittwoch beim Calwer Klostersommer überzeugen – angesichts der maximalen akustischen Präsenz der Trommeln der Gruppe Gocoo wahrscheinlich in ganz Hirsau.

In Worten auszudrücken, was Gocoo für Musik macht, daran haben sich schon viele Journalisten abzuarbeiten versucht. Auf jeden Fall braucht man jede Menge Superlative: "Ein flackerndes Rhythmusgewitter …überwältigender Energie" (FAZ), "eine fantastische Rhythmus-Orgie" (Wiesbadener Kurier) oder "kraftvoll und energiegeladen … urgewaltige Trommelwirbel" (Kölner Stadtanzeiger). Alles richtig. Und doch reichen Worte nicht, dieses Ereignis erschöpfend zu beschreiben. Man muss es selbst gehört haben, um zu begreifen, wer oder was Gocoo sind und was für Musik und damit Emotionen sie verursachen.

Nahezu jeder kennt die Musik von Gocoo; das dürfte überraschen. Hat sie vielleicht schon im Werbefernsehen gehört, wo zu diesen charakteristischen Trommelschlägen freches Special Utility Vehicel (SUV) eines japanischen Autoherstellers durch eine urbane Landschaft tobt und Farbattacken ausweicht. Auch in der zweiten und dritten Folge der "Matrix"-Trilogie sind die Taiko-Trommeln der Japaner zu hören.

Nicht nur deshalb sind Gocoo Kult in der weltweiten Anime- oder Manga-Szene, die auch die "Matrix"-Filme inspirierten. So sah man auch in Hirsau den ein oder anderen Anima-Enthusiasten, der eigens zu diesem Konzert im stilechten Kimono angereist war – denn Gocoo-Auftritte sind mehr Event als nur Konzert.

Die Grenzen zum Tanztheater sind fließend. Und hier liegt auch eines der Geheimnisse, warum ein Dutzend Trommeln eine solche Faszination auslösen können: Diese Musik, wenn man diese Beats und Sounds, Klänge und Schlagkaskaden einmal weiter so nennen will, zaubert reale Fantasie-Bilder in den Kopf. Taiko-Trommeln sind reine Meditation, vor nahezu 2000 Jahren von Schamanen erfunden.

Daher war wohl auch noch nie einer Musik-Gruppe, die im Kloster Hirsau auftrat, derart bewusst, wo sie da eigentlich ihre Klangkunst ausbreitete: Was unterscheidet ein (ehemaliges) christliches Kloster schon von einem Shinto-Schrein? Nichts! Es sind beides spezielle, spirituelle Orte, in denen man sich dem Göttlichen, dem Transzendenten öffnen kann, wenn man es will.

Zwischen Taiko, Techno und Trance

Kaoly Asano, der Chefin und eindrucksvollen Frontfrau von Gocoo, war es in ihren Moderationen wichtig, ihre begeisterten Zuhörer mitzunehmen auf diese Traumreisen. Kein Kommentator hat es bisher geschafft, den Stil von Gocoo irgend einem bestimmten Genre zuzuordnen – irgendwo zwischen traditionellem Taiko, Techno und vor allem Trance. Denn in "Trance" versetzen, ja, das schaffen diese völlig entfesselten Trommeln mit ihren bis zu 200 Schlägen pro Sekunde von zwölf Musikern, die das eigene Ohr erreichen.

Zum Schluss ein Kompliment an das Hirsauer Publikum: Standing Ovations während der gesamten Zugaben – das sieht man nicht oft. Und selten sah man solch glückliche Künstler eine Bühne verlassen, wie die sieben jungen Frauen und fünf Männer von Gocoo.

Man kann sicher sagen: Taiko-Trommeln "made by Gocoo" verbinden Herzen von Ost nach West.