Das Interesse der Bevölkerung am Kloster Hirsau nimmt laut Klaus-Peter Hartmann immer mehr zu. Foto: Fritsch

Erste Schritte sind eingeleitet. Antrag läuft. Bis dahin noch ein weiter Weg.

Calw-Hirsau - Die ersten Schritte sind eingeleitet. Die Klöster Hirsau und Cluny sollen immaterielles Kulturerbe bei der Unesco werden. Bis dahin ist es aber freilich noch ein weiter Weg.

Der Verein Freunde Kloster Hirsau hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Erforschung und Darstellung der Klostergeschichte zu unterstützen und zu fördern. Die Erhaltung der historischen Zeugnisse sowie die Verbreitung von Kenntnissen darüber sind gemeinsame Zielsetzungen. Hierzu gehört ferner die Förderung des Klostermuseums. Der Verein ist als gemeinnützig anerkannt und dient ausschließlich ideellen Zwecken. Die dafür notwendigen Mittel erlangt er aus steuerlich absetzbaren Mitgliedsbeiträgen, Spenden und Erlösen, die nur für die genannten Aufgaben Verwendung finden. Seit der Gründung 1983 konnte der Verein zahlreiche Einzelaufgaben initiieren, unterstützen und finanzieren. Mitglieder haben die Möglichkeit, an Exkursionen teilzunehmen sowie kostenlos Vorträge und das Klostermuseum zu besuchen. Kontakt: Geschäftsstelle, Aureliusplatz 10, 75365 Calw; www.kloster-hirsau.de.

"Der Antrag läuft", sagt Klaus-Peter Hartmann, Vorsitzender des Vereins Freunde Kloster Hirsau. Gespräche laufen demnach vor allem in Frankreich. Oberbürgermeister Ralf Eggert nimmt regelmäßig an den jährlichen Sitzungen der "Fédération Européenne des Sites Clunisiens" im französischen Cluny teil. Wie der Calwer OB berichtet, stehen die Chancen gut. Zumal alle Teilnehmer, die aus vielen Ländern Europas kommen, hinter der Idee stehen.

Ein französischer Amtskollege von Eggert aus einer cluniazensischen Gemeinde ist als Mitglied der von Präsident Emmanuel Macron gegründeten Partei "La République en Marche" Abgeordneter der Nationalversammlung. Er hat gute Verbindungen zum Parlamentspräsidenten und will diese Kontakte nutzen, um erste Schritte einzuleiten. Wichtig sei, so der OB weiter, dass auch in den anderen Ländern, die Mitglied der Vereinigung sind, Abgeordnete entsprechend initiativ werden. Eggert geht trotz des guten Willens davon aus, dass es Jahre dauert, bis das Verfahren abgeschlossen sein wird.

In Wissenschaft und Forschung nimmt Interesse zu

Die Benediktiner-Klöster Cluny und Hirsau waren Ausgangspunkt einer umfassenden Reformbewegung im elften und zwölften Jahrhundert. Das führte zur Gründung weiterer Klöster im Geiste dieser Reform. Der mitteleuropäische deutschsprachige Raum war von Hirsau beeinflusst; Gründungen in Frankreich, Spanien, Italien und England gingen von Cluny aus. Somit gab es damals schon Verbindungen in Europa über Ländergrenzen hinweg, die, so Eggert, ohne Autobahn, Flugzeuge und moderne Kommunikationsmittel funktionierten.

Die Reformbewegung beschränkte sich nicht allein auf das klösterliche Leben, sondern hatte Einfluss auf Politik und Gesellschaft. Hartmann nennt die Trennung von Kirche und Staat. Er verweist zudem auf eine Regel des heiligen Benedikt, alles in richtigem Maß zu tun. Demnach teilt sich der Tag in acht Stunden Arbeit, acht Stunden Freizeit und Gebet sowie acht Stunden Schlaf. Auf Einhaltung dieser Regel hat der Hirsauer Abt Wilhelm (um 1030-1091) strikt geachtet – für Hartmann ein Vorbote des europäischen Arbeitsethos. Somit seien es nicht Karl Marx (1818-1883) oder die Sozialdemokraten gewesen, die als erste solche Forderungen erhoben haben.

Neu war vor allem die Aufnahme von Laien in die Klöster. Bislang konnten nur Adelige Mönche werden. Empörte Proteste des Adels waren die Folge. Es wurden damals Werte geprägt, die sich bis heute in Europa gesellschaftlich und politisch auswirken. Gerade darum geht es bei der Anerkennung als immaterielles Kulturgut und, wie Eggert sagt, weniger um die klösterlichen Ruinen. Gleichwohl stehen sie als Symbol und stoßen zunehmend auf Interesse, wie Hartmann feststellt. Als er zusammen mit seiner Ehefrau Angelika während des Klostersommers Abend für Abend die neuen Flyer des Vereins verteilte, waren beide erstaunt, wie groß das Interesse der Festival-Besucher war.

Schon seit einiger Zeit zeigen die Zahlen steigende Tendenz. Entsprechend verstärkt wahrgenommen werden Klostercafé und Gastronomie in Hirsau. Allein 2017 haben mehr als 200 Führungen stattgefunden. Aber auch in Wissenschaft und Forschung nimmt das Interesse am Kloster Hirsau zu. Es steigt die Zahl der Publikationen, es werden zunehmend Master-, Bachelor- und Diplom-Arbeiten zu dem Thema vergeben.

Das ist nach Hartmanns Beobachtung auch darauf zurückzuführen, dass die historische Forschung ihre Quellen einer neuen Bewertung unterzieht. "Sie werden regional, zeitlich und inhaltlich neu fokussiert und bewertet", so der frühere langjährige Leiter der Calwer Volkshochschule. Dabei spielen soziologische, psychologische und ökonomische Aspekte eine Rolle. So entstehe eine neue Sicht auf die historischen Quellen. Dabei hat sich unter anderem herausgestellt, dass die Rolle der Frauen im Mittelalter weitaus positiver eingeschätzt wurde als bislang angenommen.

In jüngster Zeit sind weitere Klöster bekannt geworden, die auf den Hirsauer Reformen fußen. Über diese Hirsauer Reformlandschaft wird Hartmann voraussichtlich im November ein Buch veröffentlichen. Auch der Umfang der Veröffentlichungen der "Freunde Kloster Hirsau" nimmt zu. Umfasste die erste Publikation 1983 noch 14 Seiten sind es heute zwischen 45 und 50.

Hartmann verweist auf einen internationalen Workshop unter Beteiligung mehrerer deutscher sowie zwei US-amerikanischer Universitäten aus Ohio und New York, der Ende 2017 in Hirsau stattgefunden hat. Denis Drumm, ein junger promovierter Historiker an der Universität Tübingen, hat sich Hirsau als eines seiner Schwerpunktthemen gewählt.