Bei der Vesperkirche waren täglich im Durchschnitt zwischen 500 und 550 Menschen. Foto: Rousek

Hilfsaktion gut angenommen: 6000 Essen von 400 Helfern verteilt. Rahmenprogramm kommt gut an.

Calw - Zehn Tage, rund 6000 Essen, 620 Kuchen und 400 Helfer: So in etwa lautet die Bilanz der dritten Calwer Vesperkirche. Doch es steckt noch viel mehr dahinter als nur Zahlen. Denn was wirklich wichtig ist, betont Pfarrer Dieter Raschko, sind die Menschen, die man erreicht.

"Es war wieder klasse", betont Sebastian Kirsch, Teamleiter der Wohnungslosenhilfe der Erlacher Höhe. Die Vesperkirche sei jeden Tag gut gefüllt gewesen, im Durchschnitt kamen rund 550 Besucher. "Doch das allein ist ja noch kein Zeichen von Qualität", betont Raschko. "Es kann auch mit 300 toll sein, wenn die Richtigen da sind." Doch wer sind die Richtigen in diesem Fall? "Unser Kernklientel", erklärt der Pfarrer. Jene, die bedürftig seien – egal ob an Geld oder an sozialen Kontakten.

Überdies sei es wichtig, dass auch sogenannte "Solidaritätsgäste" kommen, also solche, die eigentlich nicht bedürftig sind. "Nur dadurch wird es inklusiv, und alle fühlen sich geborgen", sagt Raschko. Auch was das angeht, war die Vesperkirche ein Erfolg.Noch kurz vor dem Beginn der diesjährigen Vesperkirche hatte der Pfarrer Sorgen geäußert – ob das Interesse der Bürger auch beim dritten Mal noch so groß ist? Wenn der Reiz des Neuen erst einmal fort ist? Doch alle Bedenken stellten sich als unbegründet heraus.

"Die Leute haben verstanden, warum es wichtig ist, dass sie kommen", meint Raschko. Und Kirsch fügt hinzu: "Es ist ein Effekt, der über Jahre entsteht – die Menschen merken nach und nach, dass das eine tolle Sache ist." Viele, die in der Erlacher Höhe betreut werden, fiebern regelrecht auf die Vesperkirche hin. "Für die ist es auch nicht leicht, dass es jetzt wieder vorbei ist", sagt Kirsch. Dort fühlten sie sich aufgehoben, konnten mithelfen. "Das beobachten wir oft, dass aus Gästen irgendwann Mitarbeiter werden."

Wartezeiten beim Segnen und Salben

Insgesamt wirkten rund 400 Helfer bei der Vesperkirche mit. Als Bedienung, beim Aufbauen, bei der Essensausgabe oder beim Rahmenprogramm. "Das hat alles ganz toll geklappt", lobt Raschko. Auch wenn das Einteilen der ehrenamtlichen Helfer eine riesige Aufgabe ist, ein "Full-Time-Job" ab zehn Tage vor und natürlich während der Aktionstage. "Jeden Abend gilt es, den Dienstplan für den nächsten Tag zu machen. Unter zwei Stunden geht da gar nichts", erzählt Raschko.

Viele andere Tätigkeiten, wie beispielsweise die Logistik, nehme mittlerweile deutlich weniger Zeit in Anspruch. Vor allem weil man auf die Hilfe der Friedrich Bauer Spedition zählen kann, die beim Abmontieren der Kirchenbänke hilft, diese während der Vesperkirche lagert und sie wieder mit einbaut. "Ohne sie wäre das nicht zu stemmen", sagt Raschko. Zudem sind die Aufgaben klar aufgeteilt. Es gibt ein Referat für Öffentlichkeitsarbeit, eins für Technik, eins für die Seelsorge und noch weitere. So wisse jeder, was seine jeweiligen Aufgaben sind. Das Zusammenspiel mit teilnehmenden Institutionen, wie beispielsweise dem Kinderschutzbund oder der Erlacher Höhe klappe sehr gut. "Das ist wesentlich für das Gelingen", so Raschko.

Das Rahmenangebot, oder wie der Pfarrer es ausdrückt, die "Speise für die Seele", wurde in diesem Jahr besonders nachgefragt. Seelsorger, Anwälte, Integrationsbeauftragte und er als Pfarrer selbst hatten alle Hände voll zu tun. Gerade beim Segnen und Salben habe es zuweilen sogar Wartezeiten gegeben. "Das ist auch ein Indikator für den Erfolg, wenn die Angebote angenommen werden", sagt Kirsch. "Das heißt, sie sind stimmig."

Selbiges gelte auch für das Essen. Man habe sich vornehmlich für klassische Speisen entschieden – Linsen mit Spätzle, Leberkäse mit Spinat, Schnitzel. Und immer eine vegetarische Alternative. "Das ist einzigartig bei uns", betont der Pfarrer. In anderen Vesperkirchen gebe es das nicht.

Besonders gefreut haben sich die Organisatoren, dass auch Muslime mitgeholfen haben. Die interreligiöse Arbeit – auch ein Weg für die Zukunft? Raschko geht jedenfalls davon aus, dass es nächstes Jahr wieder eine Vesperkirche geben wird. Als Gegenmodell zu einer Gesellschaft, die immer mehr von Egoismus und Aggression geprägt zu sein scheint. Raschko: "Das stand auch oft in unserem Gästebuch: ›Hier bin ich noch etwas wert‹."