Paul von Hindenburg Foto: dpa Foto: Schwarzwälder Bote

Geschichte: Held von Tannenberg war kein großer Stratege / Diskussion um Straßennamen hält an / Erläuterungen an Schildern

Nicht einmal ein großer Stratege auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs ist er gewesen. Den Mythos Paul von Hindenburg hat Calws Stadtarchivar Karl J. Mayer bei einem Vortrag der Nachmittagsakademie (NAK) der Evangelischen Erwachsenenbildung nördlicher Schwarzwald, auseinandergenommen.

Calw. Zum Mythos wurde Hindenburg (1847-1934), Generalfeldmarschall und von 1925 bis 1934 Reichspräsident, als Held von Tannenberg, einer legendären Schlacht gegen die russische Armee um Ostpreußen zu Beginn des Ersten Weltkriegs im Herbst 1914. Er hat, so Mayer, nichts anderes getan als die Pläne seiner Kommandeure abgesegnet – die schließlich zum Erfolg geführt haben. Gleichwohl habe es Hindenburg verstanden, die Lorbeeren für den militärischen Sieg einzuheimsen.

Es waren schwierige Zeiten damals und sie wurden mit dem weiteren Verlauf des Kriegs nicht einfacher. Viele wussten um die tatsächlichen Vorgänge der Schlacht, haben es laut Mayer jedoch bewusst unterlassen, den Mythos zu zerstören, um den Menschen die Hoffnungen nicht zu nehmen. Zumal Hindenburg, bedingt durch sein ausgeprägtes Phlegma, eine große Ruhe ausstrahlte.

Der einstige General wurde 1925 zum zweiten Reichspräsidenten der Weimarer Republik gewählt und ernannte 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler. Hindenburg hat damit zum Ende der Demokratie und zum Beginn der NS-Diktatur mit all ihren schrecklichen Folgen beigetragen.

Für den Historiker Mayer, der sich in seiner Promotion mit der Weimarer Republik beschäftigt hat, geht es weniger darum, dass Hindenburg Hitler zum Reichskanzler ernannt hat, sondern vielmehr darum, wie er sich nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten bis zu seinem Tod 1934 verhalten hat. Ganz schnell haben Hitler und NSDAP die bürgerlichen Rechte eingeschränkt, die ersten Konzentrationslager eingerichtet und Juden schikaniert. Das alles hat der Reichspräsident schweigend hingenommen.

Körperlich angeschlagen, geistig aber hellwach

Dafür, dass Hitler 1934 rund 100 Männer der SA samt ihres Chefs Ernst Röhm ohne Gerichtsurteil kaltblütig umbringen ließ, hat sich Hindenburg beim Reichskanzler "von Herzen" bedankt. Im Übrigen, so Mayer, sei Hindenburg keineswegs, wie lange vermutet wurde, als Folge seines hohen Alters senil gewesen. Er war zwar körperlich angeschlagen, geistig aber hellwach.

Hindenburg, so Mayers Fazit, sei kein Kriegsheld und kein Demokrat gewesen. Ihm schwebte eine national oder gar nationalistisch geprägte Volksgemeinschaft vor unter Ausschaltung des Parlaments, in dem er und viele preußische Konservative eine "Quasselbude" gesehen haben. Hindenburg und seine Gesinnungsgenossen wollten nicht die dadurch bedingten Zufallsentscheidungen, sondern politische Kontinuität. Die durch SPD und das katholische Zentrum geprägte Weimarer Republik war den protestantischen Preußen sowieso suspekt.

Schnell tauchte in der Diskussion nach dem Vortrag die Frage auf, warum nach Hindenburg in Calw eine Straße benannt ist. Das lasse sich nach Mayers Auffassung schon deshalb hinterfragen, weil die Benennung 1933 erfolgte und auf Initiative des Calwer NSDAP-Kreisleiters Georg Wurster zurückging.

Der Calwer Gemeinderat hatte im vergangenen Jahr beschlossen, die NS-belasteten Straßennamen zu belassen. Dazu zählen neben Hindenburg die Schriftstellerin Auguste Supper, Heinz Schnaufer, Pilot im Zweiten Weltkrieg, und Otto Göhner, Calwer Bürgermeister von 1918 bis 1946. Vor der Debatte im Gemeinderat hatte sich ein Arbeitskreis historisch interessierter Bürger eingehend mit dem Thema beschäftigt. Und der Beschluss führte dazu, dass auf der Homepage der Stadt ausführliche Darstellungen zu Hindenburg, Supper, Schnaufer und Göhner zu finden sind. An den Straßenschildern selbst werden dieser Tage Erläuterungen und in der kommenden Woche QR-Codes angebracht. Das erklärte Oberbürgermeister Ralf Eggert auf Anfrage unserer Zeitung. Er ist froh, dass um das Thema weiter kontrovers diskutiert wird. Dies sei schließlich das Ziel des Beschlusses gewesen. Für Mayer gilt es, den Beschluss zu akzeptieren. Das sei mehr als bislang erreicht worden sei.