So das heutige Firmengelände von Groz-Beckert im Süden von Ebingen im Jahre 1968 aus... Foto: Landesarchiv/StAL/EL68IX-15953

Halb Hamburg ist Hafen, halb Ebingen Groz-Beckert – den Eindruck könnte gewinnen, wer im Jahre 2022 auf der B463 das Werksareal passiert. 1968 war das noch etwas anders.

Albstadt-Ebingen - Beim ersten oberflächlichen Blick auf das 54 Jahre alte Luftbild fällt es nicht ganz leicht, irgendetwas zu erkennen – so viel hat sich im Lauf der Jahrzehnte verändert. Die Bebauung von damals wirkt lockerer und kleinteiliger – und längst nicht alles, was heute Groz-Beckert ist, zählte 1968 schon dazu. Ganz links zum Beispiel, gleich östlich der Karlsbrücke, erkennt man zwei Fabrikkomplexe und ein Wohnhaus, die damals noch zur Samtfabrik Ott gehörten. Die existierte noch bis 1977; erst danach ging das Gelände in den Besitz von Groz-Beckert über und wurde neu überbaut – die südliche Hälfte 1988, die nördliche Mitte der 1990er Jahre.

Wo der Geist der Gründerväter weht

Eine Gebäudezeile weiter rechts hatte ebenfalls die Firma Ott Grundsteine gelegt; der sogenannte Shedbau und das südlich angrenzende Ott-Hochhaus waren zum Zeitpunkt, als das Luftbild entstand, allerdings schon Eigentum von Groz-Beckert. Noch einen Block weiter östlich befindet man sich dann vollends im "Stammland" von Groz-Beckert: Mit Ausnahme des unmittelbar an die Bundesstraße angrenzenden Gebäudes und des Logistikhofs an der Theodor-Groz-Straße, der erst 2015 gebaut wurde, sind alle Gebäude in diesem Areal vor 1960 entstanden – die beiden ältesten, die den Logistikhof östlich und westlich flankieren, bereits 1911 respektive 1921. Hier, könnte man meinen, weht noch der Geist der Gründerväter.

Als der Fahrstuhl passen musste

Wer vor 2010 zu Gast bei Groz-Beckert war, der wurde im Hochhaus am Parkweg empfangen. Auf dem Foto von 1968 sucht man es vergeblich; es wurde erst 1970 gebaut, zusammen mit der Groz-Beckert-Messe, die in den folgenden Jahrzehnten zur heimlichen Stadthalle von Albstadt avancierte – nirgendwo waren auch nur annähernd so viele Menschen unterzubringen. Kein Wunder, dass die Volksbank Ebingen dort viele Jahre lang ihre Vertreterversammlungen ausrichtete, zu der sie regelmäßig politische und andere Prominenz der höchsten Kategorie einlud, darunter etliche Außenminister, wenn auch keine amtierenden. Klaus Kinkel und Hans-Dietrich Genscher kamen als Elder Statesmen, Joschka Fischer zu einer Zeit, als er noch nicht Chef der deutschen Diplomatie war. Bei seinem Besuch musste die überaus leistungsfähige Infrastruktur im Hochhaus ausnahmsweise einmal passen: Der gut gefüllte Fahrstuhl signalisierte, dass das maximale Transportgewicht überschritten war. Einer stieg darauf aus, allerdings nicht der Gewichtigste – der war schließlich Ehrengast!

Lautlinger Textilbeton

Die baulichen Investitionen, die Groz-Beckert im neuen Jahrtausend vor allem in der Osthälfte des heutigen Firmenareals tätigte, waren millionenschwere Bekenntnisse zum Standort Albstadt. Wo sich 1968 noch Werkswohnungen befanden, entstand zwischen 2008 und 2010 das Technologie- und Entwicklungszentrum, kurz "TEZ", dessen Einweihung ganz offiziell eine neue Ära einläutete: Fortan stand nicht mehr nur das Produkt "Nadel" im Mittelpunkt der Entwicklungsarbeit, sondern die systemische Lösung, in der die Nadel ein Element unter anderen war. Nicht von ungefähr investierte das Unternehmen in dieser Zeit auch verstärkt in die textile Zukunft; als prominentestes Beispiel sei die Lautlinger Textilbetonbrücke genannt – das aktuelle Foto ist natürlich nicht groß genug, um sie auch zu zeigen.

Aufs TEZ folgt das GEBIZ

Dabei blieb es nicht: 2013 erhielt der Werkzeug- und Maschinenbau ein neues Domizil auf dem früheren Hartner-Gelände in der Theodor-Groz-Straße, und zeitgleich nahm auf der Südseite der Bundesstraße, wo sich 1968 noch grüne Wiese erstreckte hatte, das GEBIZ den Betrieb auf, das neue Gesundheits- und Bildungszentrum mit firmeneigener Grundschule und Kindergarten. Ursprünglich war es als reine Tagesstätte für die Kinder der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen konzipiert worden, aber dann hatte Groz-Beckert beschlossen, Nägel mit Köpfen zu machen und die Schule in die Planung aufgenommen – dass es in Zeiten des Fachkräftemangels nicht zuletzt darum ging, attraktiver für junge Familienväter und -mütter zu werden, daraus machte man kein Hehl.

Die jüngste Großinvestition von Albstadts größtem Industrieunternehmen ist auch auf der jüngeren Luftaufnahme nur andeutungsweise zu erkennen: 2,2 Hektar aus der Hartner-Erbmasse erstrecken sich vom TEZ bis zur Otto-Gußmann-Straße; dort entstehen derzeit weitere Produktionsstätten, die 2023 fertig werden sollen. Wer Groz-Beckert dann überfliegt, wird schon wieder ein ganz anderes Bild aufnehmen.