Hobel-Emma hat viel zu erzählen, nicht nur über Produkte aus Edelstahl. Foto: Rapthel-Kieser Foto: Schwarzwälder Bote

Veitsmarkt: Wie die Händlerinnen in der Josengasse die Fahne und das Mütchen hoch und die Tradition am Leben halten

"Ich hab keinen Nachnamen", sagt Hobel-Emma mit einem schallenden Lachen. Braucht sie auch nicht, jeder kennt sie. Sie ist nur eins der Originale auf dem Burladinger Veitsmarkt. Ein Besuch bei den unermüdlichen Händlerinnen, die schon Jahrzehnte überdauern.

Burladingen. In der Josengasse ist es noch ruhig, als ich meine Runde beginne. Dabei ist es schon fast Mittagszeit und die Leute sollten sich hier am Freitag eigentlich drängeln. Beste Einkaufszeit. Innenstadt. Aber Fehlanzeige. "Es ist so langweilig, wenn so wenig los ist", klagt Helena Gscheidle. Sie ist 70 Jahre alt, aus Unterdigisheim und seit vier Jahrzehnten mit ihrem Marktstand, auf dem sie elegante und robuste Damenhüte, Strohhüte und karierte Mützen verkauft, im Südwesten unterwegs.

Diese Woche war besonders schlimm. "Ich war so oft draußen, dass ich selber noch gar nicht zum Einkaufen gekommen bin. Ich habe nichts zu essen mehr im Haus", sagt sie, "und noch kaum was verdient". Den Stand betreibt sie, seit ihr Mann vor einigen Jahren gestorben ist, ganz alleine. "Es ist viel ruhiger geworden", kommentiert sie den mäßigen Andrang auf dem Veitsmarkt und erinnert sich an bessere Zeiten.

Gegenüber ruft eine resolute Händlerin ein paar der wenigen Leute zusammen. Was sie da so lautstark anpreist und mit kräftigen Bewegungen gleich vorführt, ist ein "Gigant-Multihobel aus Edelstahl in Gastroqualität", wie die bunten Schilder es verraten. Und der sei "dreimal schneller" als die anderen. Vielleicht auch, weil die Marktfrau es eben echt drauf hat mit dem Karotten-, Weißkohl- und Gurkenhobeln, denke ich mir und gehe weiter.

Andrang nur beim Essen

Eine Warteschlange gibt es dann doch. Die vor dem Stand mit der Currywurst, den Heißen Roten und den Schupfnudeln. Hier herrscht Andrang. Gegessen wird eben immer. Vorbei an Haushaltswaren, Hosenträgern, Schuhen und Textilien bahne ich mir den Weg zum Ende der Josengasse. Hier wie am Eingang werden jede Menge bunte Fahnen und T-Shirts so ziemlich aller Fußball-Nationalmannschaften verkauft. Der Veitsmarkt im WM-Fieber.

Einen der letzten Stände in der Josengasse hat Ingrid Dogan aus Hechingen. Socken-Dogan heißt ihr Geschäft und zu den Strumpfhosen, Diabetikersocken und denen aus Wolle oder Baumwolle verkauft sie auch Wollknäuel für die, die ihre Socken gleich selber stricken wollen. Und Schmuck. Der Frauengruppe, die da einige der Silberringe anprobiert sagt sie: "Alles muss raus. Wir lösen das Sortiment auf."

Und dann verrät sie noch gleich, dass sie im kommenden Jahr in Rente geht und danach nur noch einige wenige große Märkte besuchen will. Burladingen, das sei früher einmal ein interessanter Standort für Marktbeschicker gewesen. Der Veitsmarkt sei bis weit nach hinten in die Josengasse gegangen. Heute nicht mehr. Jetzt ist ihr Stand schon der letzte. Immer weniger Menschen kommen, um zu kaufen, dadurch kommen auch immer weniger Händler. "Die Leute haben nicht mehr so viel Geld wie früher", sagt Ingrid Dogan.

Aber sie gibt mir, weil ich so viel wissen will über den traditionellen Veitsmarkt, gleich mit verschwörerischem Flüstern noch einen Rat: "Sie müssen zu ›Hobel-Emma‹. Die ist ein echtes Original und geht normalerweise nur auf die ganz, ganz großen Messen und Märkte."

Ich verstehe, das muss sie sein, die Stimmgewaltige mit dem Gigant-Multihobel aus Edelstahl. Also, auf zu "Emma". Die schlürft gerade ganz gechillt einen Aperól aus der Eisdiele direkt hinter ihrem Stand und packt von ihrem gehobelten Gemüse der Standnachbarin Helena Gescheidle ein paar hundert Gramm Weißkohl in eine Tüte.

"Das mach ich mir heute Abend mit Zitrone und Salz", freut sich die Huthändlerin. Jetzt muss sie nicht mehr einkaufen gehen. Hobel-Emma ist eigentlich aus Hausen im Killertal und hat inzwischen Besuch von Rosi. Die ist auch Marktfrau, aber heute ohne Stand vor Ort. Ganz privat, nur so zum Plauschen. "Seit 50 Jahren kennen wir uns schon", lacht sie mit kehliger Stimme, erzählt, dass sie früher oft gemeinsam unterwegs waren und fordert Hobel-Emma dazu auf, doch mal jene Geschichte zu erzählen, als die beiden in Kassel waren und auf einem Parkplatz im Auto übernachteten.

Lustig und gefährlich

Morgens um fünf habe der Wagen auf einmal "geschaukelt wie verrückt". Eine Gruppe der Bundeswehr war angekommen und hat sich mit den schlafenden Frauen einen Scherz erlaubt, aber schließlich die Gulaschkanone angeschmissen und gutherzig das Frühstück mit den beiden geteilt. "Das war lustig", sagt Emma. Aber einmal, so berichtet sie, hätten sie auch einen Motorbrand gehabt. Allein auf der Straße. Das war weniger lustig. "Der Markt darf doch nicht sterben", hat Ingrid Dogan zu mir gesagt. Bloß nicht, denke ich. Wer muss eigentlich auf einen groß angekündigten Fischmarkt mit Profi-Schreiern aus Hamburg, wenn er hier gleich in der Nachbarschaft die Rosi, Hobel-Emma, Socken-Ingrid und Hut-Helena hat?