Heiko Gieser wünscht sich mehr Netz. Foto: Seidel/Kästle

Spediteuren und Maschinenbauern fehlt Infrastruktur. Auch IT-Firmen leiden unter schlechtem Netz.

Burladingen/Möckmühl - Wer im Südwesten Glasfaseranschluss hat, kann sich zu den Glücklichen zählen. Doch Spediteuren und Maschinenbauern fehlt die Leitung in die Zukunft. Auch IT-Firmen leiden unter dem schlechten Netz.

Berthold Barth hat eine klare Vorstellung davon, wie die Datenwelt aussehen müsste: "Jedes kleine Nest ist an eine öffentliche Straße angebunden, in jedem Haushalt kann man einen Wasserhahn öffnen, und es kommt frisches Wasser", sagt der geschäftsführende Gesellschafter der Spedition Barth in Burladingen (Zollernalbkreis), die 650 Mitarbeiter und 77 Mio. Euro Umsatz zählt. "So müsste es auch in der digitalen Welt sein", betont Barth. Doch "zwischen Münsingen und Merklingen bleibt die Infrastruktur unserer Lastwagen hängen", berichtet der Spediteur. Der Grund: Es hapert beim Mobilfunk, die blau-gelben Transporter fahren ins Funkloch. Nicht nur auf der Alb - auch auf der B 27 zwischen Hechingen (Zollernalbkreis) und Stuttgart könne dies passieren.

Doch solche Probleme gibt es nicht nur auf der Alb. "Willkommen im Notstandsgebiet", sagt Peter Vogel. Er wohnt in Bittelbronn, einem Ortsteil von Möckmühl (Kreis Heilbronn). An der Längstalstraße gibt es Bauernhöfe, einen Biomarkt und etliche Wohnhäuser. Der Geschäftsführer von Fischer Gebäudetechnik nimmt abends auch Arbeit mit nach Hause. Immerhin hat er seit Ende Juni endlich Hybridempfang, ist also über das Kupferkabel ebenso wie über Funk mit der weiten Welt verbunden. Die Antenne hat er auf dem Dach seines Hauses installiert – und hat mit seinem Anschluss Glück. Über Bittelbronn ist der Himmel aber geteilt: Auf der anderen Seite der Straße ist kein Mobilfunkempfang möglich. "Heimarbeit geht bei uns nur mit dem Kugelschreiber", kritisiert Ortsvorsteher Heiko Gieser.

Telekom hat im Land 85.000 Kilometer Glasfaser verlegt

Eine abenteuerliche Geschichte kann Christian Gmehling erzählen: "Noch im vergangenen Jahr bin ich mit dem Fahrrad nach Hause gefahren, wenn ich größere Datenmengen herunterladen musste." Gmehling ist Marketingchef beim IT-Dienstleister L-Mobile Solutions in Sulzbach/Murr (Rems-Murr-Kreis), sein Wohnort ist das einige Kilometer entfernte Murrhardt. Bis vor einigen Monaten behalf sich der Entwickler von Software für firmeninterne Logistik mit seinen 175 Mitarbeitern noch mit einem Richtfunkanschluss zu einem Hotel im Ort, das eine gute Kabelanbindung hat.

Seit Kurzem aber ist die Lage besser in dem noch relativ neuen Gewerbegebiet: Jetzt wird das Unternehmen mit bis zu 1000 Mbit in der Sekunde versorgt. Und in einem Besprechungsraum ist zu sehen, was noch vor ein paar Monaten undenkbar gewesen wäre – eine Videokonferenz mit Beschäftigten in der tunesischen Niederlassung. "Breitband ist wichtiger als die Straße", sagt Gmehling.

Eine Videokonferenz ist auch beim Softwarehaus Compdata in Albstadt (Zollernalbkreis) möglich. "Allerdings geht dann bei uns im Haus bei Internetzugriffen nicht mehr viel", sagt der geschäftsführende Gesellschafter Reiner Veit. "Durch die langsamen Leitungen verlieren wir jede Menge Zeit, es ist wie im Stau." In Albstadt hat nach seiner Beobachtung so mancher private Haushalt einen besseren Anschluss als so manches Unternehmen.

Dass die Verbindungen auf dem flachen Land besser werden, ist nicht nur für die Unternehmen dort wichtig. "Rund 80 Prozent unserer Kunden sind kleine Unternehmen mit etwa 25 Beschäftigten und fünf Maschinen, viele dieser Firmen sitzen auf dem Land", sagt Thomas Schneider, Geschäftsführer für Forschung und Entwicklung bei Trumpf. Der Werkzeugmaschinenbauer aus Ditzingen (Kreis Ludwigsburg) rüstet Maschinen mit Künstlicher Intelligenz aus – doch gerade diese braucht ganz enorme Datenmengen. Werden die Netze nicht besser, nützen auch die modernsten Maschinen nichts.

Die Telekom hat bisher in Baden-Württemberg 85 000 Kilometer Glasfaser verlegt, Tendenz steigend: 2016 kamen 3600 Kilometer dazu, dieses Jahr werden es 5500 Kilometer zusätzlich sein. Insgesamt seien im Südwesten 3,3 Mio. Haushalte an das Breitbandnetz angeschlossen, meint ein Sprecher.

"Der Staat muss die Infrastruktur zur Verfügung stellen"

Bei der Breitbandversorgung mit mehr als 50 Mbit/s ist Baden-Württemberg indes keineswegs ein Musterland. Dies jedenfalls zeigt ein Blick in den Breitbandatlas des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Bei der Breitbandversorgung der Haushalte liegt der Südwesten unter den Flächenstaaten bei der Versorgung mit mehr als 50 Mbit/s lediglich auf Platz 5. 83,5 Prozent der Haushalte zwischen Main und Bodensee haben einen solchen Anschluss. An der Spitze rangiert Nordrhein-Westfalen mit 88,3 Prozent. Natürlich wird ob der vielfach beklagten Mängel oft über die Telekom geschimpft, Veit aber hat noch eine ganz andere Stoßrichtung, ähnlich wie Barth: "Der Staat muss die Infrastruktur zur Verfügung stellen", fordert der geschäftsführende Gesellschafter von Compdata – "bei Glasfaser ebenso wie bei Straßen. Das darf man nicht einem privaten Unternehmen überlassen."