Illegale Leiharbeit, der Hauptangeklagte stammt aus einem Burladinger Teilort, wird vor Gericht verhandelt. Foto: Holger Luck – stock.adobe.com

Hauptzollamt schließt Ermittlungen ab und errechnet Sozialbetrug von 235.000 Euro. Drei Unternehmen betroffen.

Burladingen/Hechingen/Tübingen - Die beiden Burladinger Angeklagten im Prozess um die illegale Leiharbeit reißen weitere Baufirmen aus der Region in einen Strudel von Ermittlungen, Strafbefehlen und Gerichtsprozessen. Dies bestätigen das Hauptzollamt Ulm und die Staatsanwaltschaft Hechingen auf Anfrage unserer Zeitung.

Der 63-jährige Hauptangeklagte aus einem Burladinger Teilort und seine mehr als 80-jährige Mutter hatten ihre scheinselbstständig beschäftigten Saisonarbeiter an Firmen regelrecht verliehen. Dort wurden sie nicht nur um ihren Lohn gebracht, sondern auch diese Firmen haben die Sozialkassen um erhebliche Summen betrogen.

Geschäftsbeziehungen zu drei weiteren Firmen

Auf Anfrage des Schwarzwälder Bote gaben das Hauptzollamt Ulm und die Hechinger Staatsanwaltschaft eine gemeinsame Erklärung ab. In der heißt es:

"Die Angeklagten unterhielten Geschäftsbeziehungen zu drei Firmen aus den Bezirken Zollernalb und Tübingen und setzten die slowakischen Leiharbeitnehmer dort ein. Es handelt sich dabei um zwei Abbruchunternehmen und eine klassische Baufirma. Gegen die Geschäftsführer beziehungsweise Inhaber dieser Unternehmen wurden ebenfalls Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft eingeleitet und durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) Pfullingen zeitgleich, beziehungsweise parallel bearbeitet.

Mutter-Sohn-Duo soll AOK betrogen haben

Tatvorwurf war auch hier der Paragraf 266a des Strafgesetzbuches – "Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt". Durch die illegale Arbeitnehmerüberlassung wurden die Entleiher zum Arbeitgeber der Slowaken, so dass die Pflicht, Sozialversicherungsbeiträge für die Bauarbeiter abzuführen, auch an die Entleiher überging.

Durch die Auswertung der Rechnungen zwischen Entleiher und Verleiher einerseits und Verleiher und Leiharbeitnehmer andererseits, konnte nachvollzogen werden, welcher Leiharbeitnehmer in welchem Umfang bei welchem Entleiher tätig waren.

Siehe auch: Neue Details zu illergaler Leiharbeit bekannt

Dadurch konnte die Deutsche Rentenversicherung auf jeden der Entleiher bezogen eine konkrete Berechnung des entstandenen Beitragsschadens machen. Diese betragen in zwei Fällen etwa 100.000 Euro und einmal etwa 35.000 Euro.

Verfahren stehen an

Die einzelnen Beamten, welche im Rahmen der Verhandlung vor Gericht zur Aussage geladen sind, bereiten sich durch Aktenstudium vor. Ansonsten ist derzeit kein Beamter beziehungsweise keine Abteilung mehr mit dem Fall befasst, da die Ermittlungen abgeschlossen sind.

Die Verfahren gegen die Verantwortlichen der im Zollernalbkreis ansässigen Entleihfirmen, die durch die Staatsanwaltschaft bereits im Frühjahr 2017 mit Anklage beziehungsweise Antrag auf Erlass eines Strafbefehls beim Amtsgericht Hechingen anhängig gemacht wurden, sind dort noch nicht abgeschlossen. Das dritte Verfahren wurde an eine andere Staatsanwaltschaft in dortiger Zuständigkeit abgegeben.

Siehe auch: Fall um illegale Leiharbeit wird immer dubioser

Es wird also nach diesem derzeit laufenden Prozess, bei dem der Vorsitzende Richter mit noch einmal maximal zwei Verhandlungstagen rechnet, noch weitere Prozesse in Sachen illegale Leiharbeit und Lohnbetrug gegen Firmen aus dem Zollernalbkreis geben. Die Verhandlung gegen den Burladinger wird am Mittwoch dieser Woche weitergeführt.

Kommentar: Schwein gehabt

Nicht auszudenken, was hier im Zollernalbkreis passiert wäre, hätte das Hauptzollamt in Ulm und Polizei und Staatsanwaltschaft hier vor Ort in Hechingen einem Unverbesserlichen nicht schon 2014 das Handwerk – diesmal wohl endgültig – gelegt. Denn die Arbeits- und Wohnverhältnisse der osteuropäischen Saisonarbeiter in der Baubranche sind mit denen in den Schlachtbetrieben durchaus vergleichbar. Scheinselbständigkeit, keine Sozialversicherungen, unterirdischer Lohn und unmenschliches Eingepferchtsein mit den anderen Kollegen.

Wie weit es da für einige Landkreise, ja gar ein ganzes Bundesland kommen kann, machen die Vorgänge rund um die Tönnies-Fleischfabrik in Rheda-Wiedenbrück in Nordrhein-Westfalen deutlich. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), der zu lange diesem so bedeutenden Wirtschaftszweig in NRW nach dem Munde geredet hat, kann jetzt, nachdem er in einem ersten Statement den Arbeitern die Schuld gab, nur noch Schaden begrenzen.

Auch auf der Alb hätte es angesichts der Zahl involvierter Firmen statt offener Freibäder und Reisefreiheit schnell ein Zurück zu Quarantäne und Massentests geben können. Schwein gehabt – oder eben eine gründliche Judikative.