Deißlingens Bürgermeister Ralf Ulbrich (von links), Landrat Wolf-Rüdiger Michel, BRS-Geschäftsführer Eberhard Ludwig, Betriebsleiter Martin Handke und die Landräte Sven Hinterseh und Stefan Bär Foto: Terkowsky

Biogasanlagen sind heutzutage weit verbreitet. Biogasaufbereitungsanlagen hingegen sind noch verhältnismäßig neu. Sie ermöglichen es aus Biomasse gewonnenes Gas statt Strom ins öffentliche Netz einzuspeisen. Eine solche Anlage wurde nun in Deißlingen eingeweiht.

Auf dem Gelände der BRS Bioenergie GmbH sieht man, wenn man sich deren neueste Errungenschaft anschaut, als Laie auf den ersten Blick nur ein graues Häuschen mit drei auffällig großen Schornsteinen. Doch dahinter und darunter verbirgt sich modernste Technik. Denn dort wurde nun eine Biogasaufbereitungsanlage eingeweiht, so dass von künftig Erdgas statt Strom ins Netz eingespeist werden kann.

Ein zukunftsträchtiger Schritt und ein „großes Zeichen für den Zusammenhalt in der Region“, betont der Rottweiler Landrat Wolf-Rüdiger Michel während der Eröffnungsfeier. Und nicht nur er war gekommen. Denn die Anlage steht zwar auf Deißlinger Boden, verwertet aber den Biomüll der Landkreise Rottweil, Schwarzwald-Baar und Tuttlingen. Und somit war es sowohl für die Landräte Sven Hinterseh aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis und Stefan Bär aus Tuttlingen, als auch für den Deißlinger Bürgermeister Ralf Ulbrich eine Selbstverständlichkeit an der Einweihungsfeier teilzunehmen.

Methan ist „Abfallprodukt“

Doch zuerst die technischen Hintergründe. In Biogasanlagen wird aus Biomasse, wie Gülle, Pflanzen oder eben den Inhalten der braunen Tonnen, durch Vergärung unter Ausschluss von Sauerstoff Biogas gewonnen. Dabei nutzen Mikroorganismen die Biomasse als Nahrung, wobei als „Abfallprodukt“ der Energierohstoff Methan entsteht. Jedoch entstehen bei diesem Prozess, neben dem Gärrest, der häufig als Dünger verwendet wird, auch andere Stoffe wie Kohlendioxid oder Schwefelwasserstoff. Darum benötigt das Rohbiogas eine weitere Behandlung, bevor es verwendet werden kann.

In klassischen Biogasanlagen, wie sie häufiger in landwirtschaftlichen Betrieben zu finden sind, wird das Rohbiogas direkt vor Ort getrocknet, entschwefelt und in einem Blockheizkraftwerk genutzt. Der erzeugte Strom wird ins Netz eingespeist und die Abwärme vor Ort genutzt, beispielsweise zum Heizen von Gebäuden, Trocknen der Ernte oder für den Betrieb von Aquakulturanlagen. Ein großer Teil geht jedoch an die Umgebung verloren – das mindert die Effizienz.

Hoch ragen die drei Aufbereitungskolonnen von dem unscheinbaren Häuschen auf. Foto: Terkowsky

Um das zu vermeiden kann das Biogas weiter zu Biomethan (Bioerdgas) aufbereitet werden, so dass es in das öffentliche Gasnetz eingespeist werden kann. Der Vorteil bei der dezentralen Vor-Ort-Verwendung ist, dass die Abwärme dann fast vollständig genutzt werden kann. Dies ist jedoch ein hochkomplexer Prozess und wird vorerst nur in sehr modernen Anlagen genutzt – wie seit neuestem in Deißlingen.

Anlage 2003 eröffnet

Für den Standort Deißlingen habe man sich einst entschieden, weil es sich, ungefähr, in der geografischen Mitte der drei Landkreise Rottweil, Schwarzwald-Baar und Tuttlingen befindet, erzählt BRS-Geschäftsführer Eberhard Ludwig. 2003 wurde die Anlage eröffnet. Seitdem wurden dort jährlich mehr als 25 000 Tonnen Biomüll verwertet – der Biomüll der mehr als 500 000 Einwohner der gesamten Region Schwarzwald-Baar-Heuberg.

2021 habe man dann damit begonnen die Anlage auf den neuesten technischen Stand zu bringen. Damit einher gingen die Erhöhung der Verwertungskapazität auf bis zu 40 000 Tonnen Biomüll jährlich, eine Tunnelkompostierung, der Bau von Vorratsbehältern für Flüssiggärprodukte und eben die Umstellung von Strom- auf Bioerdgasproduktion.

Große Zukunftspläne

Für die Zukunft plant man bei BRS eine große Photovoltaik-Anlage, um sich möglichst komplett von der Nutzung fossiler Brennstoffe zu lösen. Auch eine Anlage zur CO₂-Aufbereitung sei in der Planung, um das anfallende und gereinigte CO₂ beispielsweise in der Nahrungsmittelindustrie verwenden zu können, erklärt Betriebsleiter Martin Handke. „Diese Anlage ist ein Aushängeschild für die Region, den Tüftlergeist und wie man sich ständig neu erfindet“, lobt Landrat Michel abschließend.