"Er ist satt und will jetzt nichts mehr." Rosemarie Kluge streckt Distelfink "Willi" das Futterschälchen vergebens entgegen. Foto: Hahnel Foto: Schwarzwälder Bote

Tiere: Vogel-Mama Rosemarie Kluge kümmert sich um einen jungen Distelfink

"Willi könnte bei mir überwintern wollen, das ist schon möglich." Die Brigachtalerin Rosemarie Kluge ist eine ausgewiesene Vogel-Mama und hat mit dem jungen Distelfink Willi einen ganz besonderen Zögling.

Brigachtal. Seit nun 40 Jahren nimmt sich die heutige Ruheständlerin verwaister Vogelküken an und päppelt diese auf, mehreren Hundert Piepmatzen hat die 78-Jährige schon das Leben gerettet.

So ein Exemplar wie Willi aber hatte sie vorab noch nicht, der vier Wochen alte und nun gut flugfähige Fink ist ein ordentlicher Nesthocker. "Tagsüber ist Willi überwiegend bei mir in der Wohnung, er scheint sich nicht auf die Reise begeben zu wollen. Man muss jetzt abwarten, die Zeit für den Zug nach Süden drängt", sagt Kluge mit leichter Besorgnis.

Willi hingegen hat die Ruhe weg und zeigt sich putzmunter, dass er sich tagsüber gern in der guten Stube von Rosemarie Kluge aufhält, mag auch an den immer und vor allem passend gefüllten Futterschälchen liegen. In den Abendstunden freilich zeigt sich der Jungvogel freiheitsliebend und will hinaus. "Willi übernachtet draußen, kommt aber jeden Morgen wieder zu mir in die Wohnung", berichtet Rosemarie Kluge.

Mit dem doch etwas artfremden Verhalten des Distelfinks muss sich die Brigachtaler Vogel-Mama nun auseinandersetzen, die Dame mit dem so großen Herzen für aus dem Nest gefallene oder verstoßene Vogelküken betritt tatsächlich noch einmal Neuland.

Rosemarie Kluge zieht pro Jahr rund 20 Jungvögel groß und hat daran viel Freude. In der Region ist sie quasi Fachfrau für Mauersegler und Schwalben, selbst in der Freiburger Tierklinik kennt man ihren Namen. "Vor dem ersten Flügelschlag muss ein Mauersegler kurz fallen, das ist eine Eigenart. Schwalben starten mir aus der Hand, die Segler nicht. Der Umgang mit ihnen erfordert schon einige Kenntnisse", weiß Kluge.

Haushund Chicco hat bislang übrigens keinem einzigen Vögelchen eine Feder gekrümmt. Wenn Willi durch die Wohnung flattert, ist das dem gutmütigen Vierbeiner egal, dessen Plüschtier erweckt deutlich mehr Aufmerksamkeit. Der Blick in die Zukunft ist bei Rosemarie Kluge nicht gänzlich ungetrübt, über das Interesse der jungen Generation würde sie sich riesig freuen: "Ich bin nun eben nicht mehr ganz jung. Es wäre wirklich schön, wenn sich eine Nachfolge abzeichnen würde."

Die Aufzucht von eigentlich dem Tod geweihten jungen Wildvögeln kann sehr befriedigend sein, Rosemarie Kluge ist das deutlich anzumerken. "Man muss das nicht nur gesehen, sondern auch gehört haben.

Die erstarkten Vögel treten ihren Erstflug nicht selten mit einem regelrechten Jubellaut an. Schließlich sind sie oben und fliegen weg, das ist einfach schön", geht Rosemarie Kluge in sich.

Weg sind alle in Brigachtal bislang aufgezogenen Küken, auch die 17 in diesem Jahr gefundenen und zu Rosemarie Kluge gebrachten 18 Exemplare. Wohin sie geflogen sind weiß niemand. Willi allerdings ist noch da.