Der vorbeugende Brandschutz an Baudenkmälern ist für alle Beteiligten eine Herausforderung. Foto: Mierendorf

Wenn Denkmalschutz, vorbeugender Brandschutz und Eigentümerinteressen aufeinandertreffen.

Stuttgart - Regelmäßig knirscht es im Gebälk, wenn Denkmalschutz, vorbeugender Brandschutz und Eigentümerinteressen aufeinandertreffen. „Insbesondere sogenannte Sonderbauvorschriften wie die Versammlungsstättenverordnung bergen große Konflikte, wenn es darum geht, historische Gebäude diesen neuen Vorgaben anzupassen”, so der Architekt Gerd Geburtig in seinem im Fraunhofer IRB Verlag erschienenen Buch „Brandschutz im Baudenkmal”.

Das liegt nach Ansicht des Architekten und Prüfingenieurs für Brandschutz vor allem daran, weil die bestehende Substanz entweder nicht den Anforderungen entspricht oder zumindest häufig keine den aktuellen Prüfnormen, Zulassungen oder Prüfzeugnissen entsprechenden Übereinstimmungsnachweise geführt werden können. Ein Grund: viele Aus- und Umbaumaßnahmen scheitern vor allem am fehlenden zweiten Rettungsweg.

Ein Beispiel von vielen: manch ein alter Wasserturm wäre vermutlich schon längst ein kleines Café oder ein Museum, wäre da nicht das Problem mit dem zweiten Rettungsweg. Oft führt im Innern des Turms eine Treppe hinauf, doch im Brandfall wäre das zu wenig. Zwar könnte man theoretisch auch außen noch eine Treppe als zweiten Fluchtweg anbringen, doch hier könnte das Denkmalamt intervenieren, da es sich bei vielen dieser Gebäude um technische Denkmäler handelt. Eine vertrackte Situation.

Für den Architekten Gerd Geburtig ist dies nachvollziebar, denn „eine gedankenlose Anpassung des Denkmals würde zwangsläufig zu irreversiblen Beeinträchtigungen der wertvollen Gebäudesubstanz oder an den vorhandenen Ausstattungen führen”.

Bei der Branddirektion Stuttgart ist Markus Hauser für den vorbeugenden Brandschutz zuständig. Seine Dienststelle führt jedes Jahr rund 180 Brandverhütungsschauen durch, viele auch bei Gebäuden, die unter Denkmalschutz stehen. Zu den größten Herausforderungen im vorbeugenden Brandschutz gehören für die Feuerwehr die Treppenhäuser. Während bei Neubauten ab einer gewissen Höhe nicht brennbare Treppenstufen verbaut werden müssen, findet man in vielen unter Denkmalschutz gestellten Gebäuden noch Holztreppen. Diese stellen neben den oft nicht mehr zeitgemäßen Abschlüssen zu den einzelnen Wohnungen die Feuerwehr vor große Herausforderungen, wenn es wirklich einmal brennen sollte, so der Experte.

Seite 2: Gesetze sind Auslegungssache

Beim Brandschutz sei nicht alles nur schwarz oder weiß. Es gebe auch einen Ermessensspielraum, wie man die Gesetze auslege, so der Experte. So gelte nach der neuen Landesbauordnung bei den Maßen für die Rettungsfenster eine Größe von 90 mal 120 Zentimetern. Für den Denkmalschutz seien diese Maße aber oft problematisch, da deren Einhaltung unter Umständen die Fassade verändern könnte. Hier sei der vorbeugende Brandschutz durchaus auch kompromissbereit, sich mit dem Mindestmaß von 60 mal 90 Zentimetern zufriedenzugeben. „Eine bestimmte Untergrenze werden wir allerdings auch für den Denkmalschutz nicht unterschreiten”, betont Hauser.

Diese Kompromissbereitschaft gibt es aber nicht zum Nulltarif. Die Brandschutzexperten erwarten im Gegenzug vom Bauherrn, dass er unter Umständen eine Brandmeldeanlage oder eine Löschanlage installiert. „Das ist wie eine Waage. Wenn ich auf der einen Seite etwas wegnehme, muss ich es auf der anderen Seite wieder dazugeben, damit das Sicherheitsniveau stimmt, erklärt der Brandschutzexperte. Deshalb gebe es gerade bei denkmalgeschützten Objekten auch keine Entscheidung „von der Stange”. Jedes Gebäude müsse stets individuell beurteilt werden.

Gerd Geburtig setzt indes auf beiden Seiten - dem Denkmalschutz wie dem vorbeugenden Brandschutz - auf das nötige Fingerspitzengefühl und viel Kreativität. Der Architekt hat bei seiner Arbeit festgestellt, dass die Unsicherheiten im Umgang mit den Abweichungen bei Baudenkmälern häufig zu übertriebenen Eingriffen führen würde. Einfache und mögliche, wenig beeinträchtigende Nachrüstungen würden oft übersehen und stattdessen wertvolle Bauteile dadurch auch unsinnigerweise vernichtet.

Erst seit 1984 verlangt die Landesbauordnung einen zweiten Rettungsweg. Davor war es nicht Bestandteil der Baugenehmigung. Besitzer müssen jetzt aber nicht fürchten, generell zu aufwendigen Umbauten verpflichtet zu werden, da der Bestandsschutz in der Landesbauordnung sehr hoch bewertet sei, beruhigt der Brandexperte. Hinzu kommt, das oft eine Umnutzung der einzige Weg ist, ein Denkmal überhaupt einer Nutzung zuzuführen.

Ob allerdings bei Sonderbauten auch für unter Denkmalschutz stehende Gebäude ein Bestandsschutz besteht, ist nach Ansicht von Gerd Geburtig nicht immer so eindeutig wie bei einem Museum. Viele historische Gebäude dienten heute einer anderen Nutzung als der, für die sie ursprünglich einmal vorgesehen waren. Deshalb sei es wichtig, den Brandschutz so früh wie möglich in eine Planung mit einzubeziehen.

Deshalb erlaube die Landesbauordnung nach Abwägung aller Interessen und einer Fachdiskussion der Sachverständigen durchaus, auch ganz andere Lösungen zu treffen. Diese müssten auch nicht zwangsläufig allen Detailauflagen der Landesbauordnung entsprechen, ergänzt Markus Hauser. Wichtig sei, dass die Menschen eine Möglichkeit haben, sich aus dem Gebäude zu retten. Bei dem unter Denkmal stehenden Tagblatt-Turm in Stuttgart wurde zum Beispiel mangels eines zweiten Rettungsweges das Treppenhaus so umgebaut, dass im Falle eines Brandes sich die Mieter gefahrlos in Sicherheit bringen können. „Diese individuellen Lösungen sind aber nicht immer die billigsten”, weiß auch der Experte von der Feuerwehr. Dennoch sei es gerade bei älteren Gebäuden die einzige Möglichkeit, es trotzdem nutzen zu können. Denn ohne Brandschutz bleibt in vielen Fällen nur der Abriss übrig.