Der Wildgansweg in Neugereut Foto: 7aktuell.de/Eyb

Um 2 Uhr bricht Feuer in einer Tiefgarage aus: Die Feuerwehr räumt eine Wohnanlage. Es gibt neun Schwerverletzte, 92 Anwohner sind betroffen. Die Ursache ist noch unklar.

Stuttgart - Gegen 2 Uhr wurde Christa Kulik unsanft aus dem Schlaf gerissen. „Wir hatten uns ungefähr eine halbe Stunde vorher schlafen gelegt und plötzlich klingelte es Sturm“, sagt Kulik, die im ersten Stock eines Mehrfamilienhauses in Stuttgart-Neugereut wohnt. Zuvor hatte die kleine Familie gemeinsam mit dem Sohn auf das neue Jahr angestoßen. Kulik servierte eine Schinkenplatte, es gab Wildschwein- und Rehbraten, ein Silvesterabend wie aus dem Bilderbuch.

Als die Stuttgarterin die Tür öffnete, zog es ihr fast den Boden unter den Füßen weg. In der Luft hing Rußgeruch, dicker Qualm waberte vor dem Wohnhaus. „Die Feuerwehr hat uns sofort rausgeholt.“

Kulik und ihr Ehemann blieben unversehrt. Bei dem Feuer, das in der Tiefgarage unter ihrem Wohnhaus ausbrach, gab es laut Polizei 39 Verletzte. Darunter neun Anwohner mit schweren Verletzungen und Rauchvergiftungen, die Helfer in Krankenhäuser brachten. Die restlichen 30 Anwohner betreuten Sanitäter ambulant vor den sieben Häusern im Wildgansweg. Insgesamt waren von der Evakuierung, die erst am nächsten Mittag endete, 92 Anwohner betroffen.

Feuerwehr bringt Anwohner in Turnhalle

Das Feuer hatte einen Großeinsatz von Polizei und Feuerwehr ausgelöst: Insgesamt 160 Feuerwehrleute kämpften bis in die frühen Morgenstunden gegen die Flammen in der Tiefgarage. Aus bisher unbekannten Gründen brannten laut Polizei kurz vor 2 Uhr zunächst zwei Motorräder, die weitere Fahrzeuge in Brand setzten. Der Qualm zog aus der Tiefgarage durch offen stehende Türen hinauf in die Treppenhäuser der Mehrfamilienhäuser.

Christa Kulik und die Anwohner, die ihre Wohnungen verlassen mussten, verbrachten die Nacht in der Turnhalle der nahe gelegenen Jörg-Ratgeb-Schule. Am Donnerstagmittag sitzt Kulik mit ihrem Ehemann in einem Kleinbus der Feuerwehr, der direkt vor ihrem Wohnhaus parkt. Sie wartet darauf, dass die Helfer sie in ein Hotel fahren. Ihr Wohnhaus ist das einzige der sieben, in das die Anwohner noch nicht zurückkehren dürfen. „Das Haus befindet sich auf einem einsturzgefährdeten Bereich“, sagt Christian Haas, Einsatzleiter der Feuerwehr. Er steht vor einem Absperrband, das die Feuerwehrleute weitläufig vor den Wohnhäusern aufgespannt haben. „Ein Statiker des Baurechtsamts muss das Gebäude zunächst untersuchen und prüfen, ob es sicher ist“, sagt Haas. Das Haus befindet sich direkt über dem Hauptbrandbereich in der Garage.

Erst um 6.30 Uhr haben die Feuerwehrleute die Flammen gelöscht

Die Ursache für den Brand in der Tiefgarage blieb bis Donnerstagabend ungeklärt. Klarheit herrschte aber über den Ablauf. „Um 1.56 Uhr erreichte uns der Notruf“, sagt Markus Heber, Sprecher der Stuttgarter Polizei. Ein Dutzend Autos brannten komplett aus. Alle etwa 100 Fahrzeuge in der Tiefgarage waren zumindest mit Ruß bedeckt, viele fahruntüchtig.

Augenzeugen berichteten, dass Flammen aus den Luftschächten der Tiefgarage kamen und ein lauter Knall zu hören war. „Wenn Reifen zerknallen oder Tanks bersten, ist das durchaus möglich“, sagt der Sprecher der Feuerwehr.

Über den Schaden konnte die Feuerwehr keine Auskunft geben. „Der Einsatz zog sich hin. Erst gegen 6.30 Uhr konnte wir melden, dass das Feuer aus war“, sagt Heber. Gegen 13 Uhr brachten die Feuerwehrleute die Anwohner aus der Turnhalle wieder in ihre Wohnungen.

Am Nachmittag sind die Schäden des Feuers zu besichtigen. Auf den hellen Fassaden hat sich Ruß festgesetzt. Die Bewohner haben die Fenster der Treppenhäuser weit geöffnet. Elvira Brand geht mit ihrer sechs Jahre alten Enkeltochter an der Wohnanlage vorbei. Sie trägt eine Stofftasche, in der sie eine Puppe verstaut hat. „Meine Tochter wohnt mit meiner Enkelin hier. Wir haben einige Dinge aus der Wohnung geholt.“ Die drei wollen zunächst in die Wohnung der Großmutter, um den Schock zu verdauen.

Es war nicht der einzige Einsatz der Feuerwehr in dieser Nacht. Sie fährt in der Silvesternacht teils achtmal so viele Einsätze wie sonst, sagt Sprecher Markus Heber. Mehrere Brände wüteten auch in diesem Jahr, etwa in Botnang. Der mit Abstand größte Einsatz erfolgte aber in Neugereut.