Ein Lok-Mittel seit 25 Jahren für Nostalgiker und Technikbegeisterte: Eisenbahnromantik, wie meistens unter Volldampf. Foto: SWR

Lokführer und SWR-Moderator Hagen von Ortloff die Weichen neu. Jubiläumsfest findet in Blumberg statt.

Blumberg/Waiblingen - Er schwärmt: "Neunundneunzig, sechs, dreiunddreißig." Dann blickt Hagen von Ortloff (67) so verzückt, als hätte ihm Aphrodite ihre Maße verraten. Seine Göttin der Schönheit, Liebe und sinnlichen Begierde ist allerdings, wie soll man sagen, schon etwas in die Jahre gekommen. Außerdem von barocker Statur, ziemlich durstig und heiß auf die Kohle derer, die sie verehren. Führt der Weg bergan, kommt sie schon mal ins Schnaufen. Ab und zu lässt sie mächtig Dampf ab oder sie pfeift auf dem letzten Loch. Aber das nimmt ihr keiner übel. Seit 1991 kommt sie zuverlässig immer dann in Fahrt, wenn die Zeit reif ist für ein bisschen Eisenbahnromantik. Dann schiebt sich die 1899 in der Maschinenfabrik Esslingen Geborene ins Bild, Hagen von Ortloff grüßt freundlich im Pantoffelkino, und aus den Gesichtern seiner Zuschauer scheint das Glück so vollkommen wie die Sonne vom wolkenlosen Himmel.

Natürlich ist der Zug der Zeit auch an diesem Dauerbrenner deutscher Fernsehkultur nicht spurlos vorübergegangen. Die gute alte 99 633 dient zwar noch immer als Lok-Mittel für ein halbes Stündchen Nostalgie im Dritten, aber die Mitfahrer bedienen die Signale längst nicht mehr nur über ihre Fernbedienung. Eisenbahnromantik hat die Weichen schon vor Jahren auch auf online gestellt. Mit Beiträgen in der SWR-Mediathek oder im eigenen You-Tube-Kanal.

Großer Bahnhof auf der Sauschwänzlebahn zwischen Blumberg und Warthausen

Der, der einst alles aufs Gleis setzte, sagt: "Ich bin all die Jahre analog geblieben." Beruflich wie auch privat. Und seine Zuschauer haben ihm den Verzicht auf den Schnickschnack moderner Bildschirm-Inszenierung gedankt. Mit hohen Einschaltquoten und selten gewordener Treue zum Sendeformat. An diesem Wochenende feiert die Eisenbahnromantik ihr 25-jähriges Bestehen: In Südbaden mit großem Bahnhof auf der Sauschwänzlebahn zwischen Blumberg und Warthausen.

Hagen von Ortloff klettert dann, mit leichter Verspätung, zum letzten Mal aus dem Führerhaus der Lok, die so unverhofft zur Zugnummer wurde. Der frühere Sport- und Nachrichten-Reporter ist seit zwei Jahren offiziell in Rente. Der Eisenbahnromantik durfte er aber noch bis zum Jubiläum als moderierender Zugbegleiter dienen. Wer vermutet, der TV-Dino könnte nun ein wenig aus der Spur geraten in einem Leben ohne gültige An- und Abfahrtszeiten, der denkt in die falsche Richtung. Man wird ihn jetzt eben öfters treffen auf der Waiblinger Schwaneninsel, Blickrichtung Rems – bei einem Schorle weiß-sauer. Und wer ihn höflich bittet, dem wird er die verrückte Geschichte vielleicht erzählen: wie alles begann.

Eigentlich forschten sie im Spätherbst 1990 beim Süddeutschen Rundfunk nur nach einem Lückenfüller fürs Weihnachtsprogramm. Weil Hagen von Ortloff schon immer ein Faible hatte für die Geheimnisse des schienengebundenen Nah- und Fernverkehrs, bot er zwei, drei Filme an. Nur über ein paar Minuten. Die Streifen stiegen schnell in der Gunst der Sendeleiterin: Man konnte sie ohne Probleme kürzen. Wenig später fürchtete die Dame schon wieder unprogrammiert im Sackbahnhof zu enden. "Herr von Ortloff, wir haben diesmal eine Lücke von 25 Minuten." Er konnte helfen. "Wie nennen wir den Streifen?"

"Also, ich würde sagen: Eisenbahnromantik!"

Die erste Folge ging am 7. April 1991 auf Sendung, zehn weitere kamen in kurzer Zeit hinzu. Die Einschaltquoten stiegen im Eilzug-Tempo. Zum Erstaunen der Programm-Experten. "Im Jahr darauf", erinnert sich Hagen von Ortloff, "hatten wir mehr Zuschauer als die Sendung vor und nach uns." Zeitweise über eine Million. Meistens Männer, meistens schon ein bisschen älter. Es gab einen festen Sendeplatz: Immer sonntags, um 17.30 Uhr. Zur Eisenbahnromantik drängte das Familienoberhaupt wieder nach Hause.

Als habe sich ein Altachtundsechziger verlaufen: Frauen rieten ihm zum Friseur

Vielleicht auch deshalb, weil das Leben schon in den 90er-Jahren anfing unübersichtlich zu werden. Und die Sehnsucht wuchs, in seine eigene kleine und heile Welt zu flüchten. Vor dem Fernsehschirm, aber auch mit der Modelleisenbahn im Hobbykeller oder unterm Dachstuhl. Die einen Nostalgiker, die mit dem Krokodil auf Spur HO ihr Hin und Zurück in die Kindheit lösten, die anderen Technikbegeisterte, auf jedes Detail versessen. So oder so müde belächelt als wunderliche Käuze.

Vieles spricht dafür, dass auch damit der Erfolg der Sendung zusammenhängen könnte. Hagen von Ortloff hat sich jedenfalls nie schmunzelnd über die Pufferküsser erhoben, die jede Schraube einer Lok benennen können, Fahrpläne büffeln wie eine Fremdsprache und ihre letzten Groschen opfern, um einmal im Leben die Strecke ihrer Träume abzufahren. Aber er hat diesen faszinierenden Teil der Technikgeschichte auch nie zum Mythos erhoben. "Ich wollte eigentlich immer nur alles so erklären, dass es jeder auf Anhieb versteht", sagt Hagen von Ortloff, und er wollte zeigen: "Schau mal, wie schön das ist."

Dass er dabei in den Anfangsjahren den Eindruck machte, als habe sich ein Altachtundsechziger auf die Bahngleise verlaufen, gehört zu den skurrilen Seiten dieser eigenartigen Fernsehgeschichte. Frauen rieten ihm in Briefen, dringend den Friseur aufzusuchen. Und mit Blick auf seine Schlipsmode hätte durchaus die Frage aufkommen können, ob es sich um eine Krawatte handle, oder ob doch nur die Zunge heraushänge. Und bis heute gibt es Kritiker, die das Testbild für spannender halten.

Warum Hagen von Ortloff der Eisenbahnromantik trotzdem treu geblieben ist? Vielleicht, weil er sich als kleiner Junge in einem Spielzeuggeschäft in Dresden etwas aussuchen durfte. Er wählte eine kleine Holzeisenbahn, die gerade mal auf die Handfläche des Zweijährigen passte. Später flüchteten seine Eltern in den Westen. Sie wollten ihm die Mühsal der Flucht ersparen. Er blieb bei der Oma, sollte so schnell wie möglich nachkommen. Die DDR ließ ihn erst als Elfjährigen ausreisen. Die winzige Eisenbahn erinnerte ihn all die Jahre an seine Eltern. Und irgendwie ist es dabei wohl geblieben.

Info: Das Jubiläumsfest

Der Südwestrundfunk feiert das 25-jährige Bestehen der Sendung Eisenbahn-Romantik von Freitag bis Sonntag – mit dem Sauschwänzlebahn-Fest in Blumberg. Mit einem Film über die landschaftlich reizvolle Strecke, die Wutachtalbahn heißt, ging die Eisenbahn-Romantik am 7. April 1991 erstmals auf Sendung.

Historische Dampfzüge: Zum Jubiläum gehen zwei historische Dampfzüge auf die rund 20 Kilometer lange Strecke zwischen Blumberg und Warthausen, die durch zahlreiche Kurven und einen Kreiskehrtunnel führt.

TV-Moderator vor Ort: Über die gesamten drei Tage finden Autogrammstunden mit TV-Moderator Hagen von Ortloff am Eisenbahn-Romantik-Zelt statt.

Weitere Programmpunkte: Offene Türen im Eisenbahnmuseum und im Reiterstellwerk, Vorstellung weiterer Museumsbahnen aus Baden-Württemberg, Zeitreisen mit dem Baaremer Landadel, ein ökumenischer Gottesdienst im Festzelt am Sonntag, Programm für die kleinen Eisenbahn-Fans.