Gesprächsabend: Silvia Pauli und Frieder Meyer-Krahmer berichten im Bisinger Museum

"Prägende Familiengeschichten" – unter diesem Titel lädt der Verein Gedenkstätten KZ Bisingen zu einem "Enkelgespräch" am Montag, 7. Mai, um 19.30 Uhr ins Museum Bisingen ein.

Bisingen. Im Jubiläumsjahr 2018 ist viel von den "68ern" die Rede, deren Rolle für die gesellschaftspolitische Entwicklung der Bundesrepublik – je nach Standpunkt – als Aufbruch zu mehr Freiheit oder als total überschätzt betrachtet wird. Ein Verdienst, das man den aufbegehrenden Jugendlichen der 60er-Jahre gemeinhin anrechnet, ist deren Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen der eigenen Eltern.

Das kollektive Beschweigen in den 1950er-Jahren sei nun mit unbequemen Fragen nach den Verstrickungen der eigenen Väter aufgebrochen worden. Dass solche Generationenkonflikte aber eher die Ausnahme darstellten, wird jeder aus der eigenen Familiengeschichte kennen. Entweder schaltete man als Jugendlicher bei den alten und oft stereotypen Kriegsgeschichten der Väter und Großväter gelangweilt auf Durchzug, oder das Thema wurde in der Familie ganz ausgespart.

Paulis Großvater war Lagerführer des Bisinger Konzentrationslagers

Worin sich – Studien zufolge – fast alle Nachgeborenen einig waren und sind, bringt der Sozialforscher Harald Welzer auf die einfache Formel: "Opa war kein Nazi." Silvia Pauli aus Riehen bei Basel kann sich mit diesem Satz nicht selbst beruhigen. Und sie will es auch nicht. Ihr Großvater Johannes Pauli war 1944/45 Lagerführer des Konzentrationslagers in Bisingen und nachweislich für den Tod und das Leiden von vielen hundert Häftlingen verantwortlich.

In ihrer Familie wurde hartnäckig darüber geschwiegen, aber Silvia Pauli spürte, dass etwas nicht stimmte. Seit einigen Jahren setzt sie sich entschlossen mit ihrer Familiengeschichte auseinander und hat schon mehrfach – auch in Bisingen – über diesen Prozess gesprochen. Zuletzt im Oktober bei einer Tagung des Gedenkstättenverbunds Gäu-Neckar-Alb und am Folgetag in einem Interview, das im Bisinger Museum für den Schweizer Rundfunk aufgenommen wurde.

Die Bisinger kennen Silvia Pauli in der Tracht der Kommunität Diakonissenhaus Riehen. Wenn sie am 7. Mai erneut nach Bisingen kommt, um am Gesprächsabend des Gedenkstättenvereins im Museum teilzunehmen, wird sie die Schwesterntracht abgelegt haben. Was diese einschneidende Entscheidung mit ihrer Familiengeschichte zu tun hat, wird sicher ein Gesprächsthema sein.

Der Opa von Frieder Meyer-Krahmer war Widerstandskämpfer

Auch sonst verspricht der Abend unter dem Titel "Prägende Familiengeschichten" interessant zu werden. Silvia Paulis Gesprächspartner war zwar bisher nicht in Bisingen, ist aber alles andere als unbekannt. Frieder Meyer-Krahmer ist ein Enkel des ehemaligen Leipziger Oberbürgermeisters Carl Friedrich Goerdeler, der maßgeblich an den Planungen des Stauffenberg-Attentats vom 20. Juli 1944 beteiligt war. Nach einem erfolgreichen Staatsstreich sollte er das Amt des Reichskanzlers übernehmen. Am 2. April 1945 wurde Goerdeler zusammen mit anderen Widerstandskämpfern in Berlin-Plötzensee hingerichtet.

Frieder Meyer-Krahmer ist der Sohn von Goerdelers Tochter Marianne. Der promovierte Volkswirtschaftler Meyer-Krahmer war unter anderem in leitender Funktion am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin tätig, leitete das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe und war von 2005 bis 2009 Staatssekretär im Bundesforschungsministerium.

Frieder Meyer-Krahmers Großvater war also eindeutig "kein Nazi". Dennoch bezeichnet er, wie Silvia Pauli, seine Familiengeschichte als "prägend". Ob es dabei einfacher ist, Enkel eines Widerstandskämpfers zu sein als Enkelin eines KZ-Lagerführers, ob auch in der Familie Goerdeler Schweigegebote herrschten und welche persönlichen Verpflichtungen Pauli und Meyer-Krahmer aus ihrer jeweiligen Familiengeschichte ableiten, werden Fragen sein, die beim Enkelgespräch im Museum in Bisingen aufgeworfen werden.

Die Veranstaltung beginnt um 19.30. Der Eintritt ist frei. Nach dem Podiumsgespräch besteht für die Besucher die Gelegenheit, Fragen zu stellen.