Konstantin Schönleber und Nadja Diemunsch sind Jugendguides in den Bisinger KZ-Gedenkstätten. Die nächste Führung mit Jugendguide findet am Sonntag statt. Foto: Brenner Foto: Schwarzwälder-Bote

KZ-Gedenkstätten: Bisinger Jugendguides halten Erinnerung wach / Nächste Führung ist am Sonntag

Bisingen. Sie haben einen besonderen Zugang zu Schülern und einen wichtigen Job: Seit mehreren Jahren gibt es an den KZ-Gedenkstätten Bisingen Jugendguides. Sie halten Erinnerungen wach an ein düsteres Kapitel in Bisingens Geschichte und die Gräueltaten, die im Bisinger Konzentrationslager verübt wurden. Zwei der jungen Guides sind Nadja Diemunsch und Konstantin Schönleber, die regelmäßig Besucher und Schulklassen über den Lehrpfad und durch das Museum führen. Nadja Diemunsch aus Albstadt-Laufen ist 19 Jahre alt und absolviert derzeit ein FSJ Kultur im Staatsarchiv in Sigmaringen. Konstantin Schönleber, 18 Jahre, wohnt in Tübingen und studiert Rechtswissenschaften. Auf Honorarbasis übernehmen sie Führungen in Bisingen. Wir haben mit den beiden über ihr Engagement gesprochen.

Was denkt ihr, ist denn der Vorteil am Einsatz von Jugendguides?

Konstantin: Bei Schülergruppen ganz klar, dass man das Wissen auf Augenhöhe vermittelt. Wir wirken nicht so lehrerhaft. Nadja: Ich denke auch, wir sind einfach näher dran. Da herrscht gleich eine andere Atmosphäre bei so einer Führung.

Ab wie viel Jahren kann man in Bisingen Jugendguide werden und wie seid ihr dazu gekommen?

Nadja: Man muss mindestens 15 Jahre, höchstens 23 Jahre alt sein. Manche bewerben sich aber schon mit 14 und ein paar durften auch in diesem Alter anfangen. Die Jugendguidestellen werden jedes Jahr ausgeschrieben. Man absolviert eine Basis-Qualifizierung beim Kreisarchiv in Tübingen und sucht sich dann eine oder mehrere Gedenkstätten aus, an denen man Führungen übernehmen möchte. Konstantin: Genau, die Workshops in der Ausbildung sind eher allgemein gehalten und man spezialisiert sich dann auf eine oder mehrere Gedenkstätten in der Region. Neben der Bisinger Gedenkstätte übernehme ich zum Beispiel auch noch Führungen am Stauffenberg-Schloss in Lautlingen. Seine Führung stellt man sich als Guide selbst zusammen, so dass man dann individuelle Schwerpunkte setzen kann.

Was sind denn eure Schwerpunkte bei einer Führung durch die Bisinger Gedenkstätte?

Konstantin: Bedingt durch mein Studium interessiert mich besonders die juristische Aufarbeitung der Verbrechen, die sich im Bisinger Lager ereignet haben. Nadja: Ich finde es spannend, wie die Bisinger Bevölkerung damit umgeht, dass sich in ihrem Ort ein KZ befand.

Die Erinnerung an den Holocaust und die Geschehnisse in Konzentrationslagern während der Nazizeit wach zu halten, ist eine große Verantwortung. Ist das nicht manchmal schwer für euch?

Nadja: Nein, im Gegenteil. Es ist etwas Positives, sich für diese Erinnerungsarbeit zu engagieren, damit kommt man ja dieser wichtigen Verantwortung auch nach. Konstantin: Viele der Zeitzeugen von damals sind inzwischen gestorben, daher ist es auch legitim, diese Erinnerungsarbeit mit einem neuen Ansatz anzugehen.

War es schwierig für euch, eure erste Führung zu übernehmen und vor so vielen Leuten zu sprechen?

Konstantin: Also ich war vor meiner ersten Führung echt furchtbar nervös. Vor jeder Führung herrscht bei mir so eine gewisse Grundanspannung, aber man bekommt mit der Zeit Routine. Nadja: Bei mir ging es eigentlich, ich hatte zum Glück bei meiner ersten Führung einen erfahrenen Kollegen an der Seite.

Was ist die Besonderheit der Gedenkstätten in Bisingen?

Nadja: Das Besondere ist eigentlich, dass man in Bisingen gar nichts mehr von dem Lager sieht – nur noch Ruinen des Ölschieferwerks. Dennoch ist das alles da und es haben sich schreckliche Dinge dort abgespielt. Wir haben deshalb große Mappen mit Bildern, die wir bei Führungen zeigen. Konstantin: Genau, ich finde immer, da kann man ganz gut mit den Erwartungen der Besucher spielen. Gerade Leute von weiter weg erwarten oft, dass sie jetzt Gaskammern sehen, aber dann ist da einfach nur diese schwäbische Idylle, was das Ganze irgendwie makaber macht. Schüler sind manchmal fast schon enttäuscht, dass es nicht groß etwas zu sehen gibt. Und deshalb ist es auch notwendig und wichtig, sich dafür einzusetzen, dass die Geschichte des Bisinger KZs nicht in Vergessenheit gerät. Da spielt auch der lokale Aspekt eine Rolle, dass es eben nicht nur die Konzentrationslager irgendwo im Osten gab, sondern genau vor unserer Haustür.  Die Fragen stellte

Julia Brenner

  Jugendguides sind Jugendliche und junge Erwachsene, die in Gedenkstätten NS-Geschichte vermitteln. In der Gedenkstätte Bisingen sind aktuell fünf Jugendguides tätig, die Führungen für Schulklassen und Erwachsenengruppen übernehmen. Der Landkreis Tübingen bildet in einem speziellen Qualifizierungslehrgang Jugendguides aus. Wer eine Führung bei einem Jugendguide buchen will, wendet sich an die E-Mail

museum@bisingen.de oder an Telefon 07476/89 64 14.

Die nächste öffentliche Führung mit einem Jugendguide findet am Sonntag, 19. November, von 14. 30 Uhr an  durch die Ausstellung "Mut zur Erinnerung" im Museum Bisingen mit Konstantin Schönleber statt. Die Ausstellung dokumentiert die Geschichte des KZs Bisingen und des Ölschieferwerks, in dem ab 1944 im Rahmen des "Unternehmens Wüste" Ölschiefer zur Treibstoffgewinnung abgebaut wurde. Die Besucher erhalten einen Einblick in die unmenschlichen Arbeitsbedingungen und die Grauen des Lageralltags, ebenso wie in die Entwicklung der Erinnerungskultur in Bisingen nach 1945. Die Teilnahme an der Führung ist kostenlos.