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Interview: Ab dem Jahr 2020 entstehen im Industriegebiet Teile für Elektroautos / Nur ein Hype?

Bisingen. Martin Gern ist in Hechingen geboren, hat an der Fachhochschule Konstanz studiert, sich in der Schweiz selbstständig gemacht und derzeit baut er im Industriegebiet Nord ein neues Firmengebäude. Auf den gut 1000 Quadratmetern Produktionsfläche sollen ab Anfang 2020 Ladestationen für Elektroautos zusammengebaut werden. E-Auto-Besitzer können die an Starkstrom anschließen und ohne weitere Einrichtungen den Akku in ihrem Auto aufladen. Ein kritisches Gespräch über Akkus, Problemmüll und ob E-Mobilität nicht viel zu teuer ist.

Herr Gern, die einfachste Frage zuerst: Warum lassen Sie sich gerade in Bisingen nieder?

Die Infrastruktur in Bisingen ist hervorragend und zum Glück waren wir früh dran. Die Nähe zu unseren Kunden im Automobilbereich, die unsere Technik in der Fahrzeugerprobung einsetzen, ist wichtig. Am Entwicklungsstandort im Thurgau am Bodensee haben wir das Know-How und gute Ingenieure. Für den zukünftigen Endkundenmarkt und den Vertrieb brauchen wir die Produktion in Deutschland. Bisingen liegt für uns geografisch in der Mitte genau richtig.

Aber mit ihrem Akku kommen Sie trotzdem keine zehn Meter weit. Da erreichen Sie Bisingen ja nie.

(lacht) Im Gegenteil: Die heutigen Fahrzeuge können zwischen 300 bis 500 Kilometer weit fahren. Statistisch gesehen fahren wir 37 Kilometer am Tag und nur achtmal im Jahr über 160 Kilometer und wo fahre ich 300 Kilometer hin und habe nur zwei Minuten Zeit, um den Akku wieder aufzuladen? Inzwischen gibt es viele öffentliche Ladepunkte an den Autobahnen. Wer gut vorausplant und nicht in Hektik reist, kommt sogar meist kostenlos mit Ladestationen von Hotels, Restaurants und Discountern klar.

Viele Verbraucher dürften die hohen Einstiegspreise abschrecken.

Die Preise sind derzeit tatsächlich klar oben. Ein Renault Zoe mit elektrischem Antrieb gibt es ab 25000 Euro. Wer ein E-Auto kauft, erhält aber auch eine Prämie von 4000 Euro. Und gebraucht gibt es den Renault Zoe schon für unter 10000 Euro.

Und den Neuwagen muss man erst einmal eine halbe Stunde aufladen, wenn man ihn beim Autohaus abholt.

Die Neuwagen kommen voll geladen und auch nach dem Werkstattbesuch gehört es zum guten Ton, dass man nicht ohne Strom nach Hause fährt.

Wie viel kostet ein E-Auto im Unterhalt?

Unser Renault mit 41 Kilowattstunden Akku hat einen typischen Verbrauch von etwa 15 Kilowattstunden pro 100 Kilometer. Die Kilowattstunde kostet derzeit 27 bis 28 Cent. Bei den Wartungs- und Reparaturkosten hat man klare Vorteile, es gibt keinen Ölwechsel, keine Abgasuntersuchung und weniger Verschleißteile. Die Servicekosten für meinen ersten Zoe aus 2013 lagen nach 50 000 Kilometer bei exakt 269 Euro.

Dann rentiert sich ein E-Auto wohl vor allem für die, die viel Auto fahren?

Ich bin aber davon überzeugt, dass es für Vielfahrer bereits günstiger ist als ein vergleichbarer Benziner. Wer täglich die Strecke von Bisingen nach Stuttgart pendelt, fährt auf Dauer billiger.

Muss man wegen der Abbaubedingungen in Kobalt-Minen des Kongo und Lithiumgewinnung in Chile als E-Auto-Fahrer ein schlechtes Gewissen haben?

Die Abbaubedingungen sind immer noch katastrophal. Den Verbrennungsmotor gibt es seit mehr als 100 Jahren. Das heißt: Man hatte 100 Jahre Zeit, um Prozesse zu optimieren. Die E-Mobilität und die Herstellung stecken noch in den Kinderschuhen. Man wird in den nächsten Jahren technische Lösungen und Wege finden, wie man die Produktion und Recycling mit weniger Ressourcen auch ökologischer hinbekommt. In jedem Verbrenner steckt ein Bleiakku, danach kräht kein Hahn, weil die Rücknahme und das Recycling bereits gut organisiert sind.  Die Fragen stellte Alexander Kauffmann.

Martin Gern ist Geschäftsführer der Firma crOhm. Das Unternehmen mit Sitz in der Schweiz stellt Ladesysteme für Elektroautos her. Gegründet wurde es von Gern im Jahr 2013. Auch Onboard Ladegeräte im Fahrzeug gehören zum Portfolio. Mit der Fertigung am Standort Bisingen will das Unternehmen weiter wachsen.