Die L 360 ist bei Motorradfahrern eine beliebte Route für Ausfahrten. Foto: Witte

Beliebt ist die L 360 auf der Strecke von Thanheim nach Onstmettingen. Im Sommer sind Kontrollen geplant.

Bisingen-Thanheim - Auf dieser kurvenreichen Strecke geht es steil die Alb hinauf: Unter Motorradfahrern ist die L 360 auf der Strecke von Thanheim nach Onstmettingen eine beliebte Route für Ausfahrten. Anwohner beklagen, hier finden illegale Rennen statt.

"Das geht schon jahrelang so", sagt ein Anwohner aus Thanheim. "Jedes Wochenende und teilweise auch unter der Woche", fügt der Mann mittleren Alters hinzu, dessen Haus nahe der Onstmettinger Straße steht. Und nicht nur er vermutet: Die L360 hinauf auf die Alb dient den Motorradfahrern als Ersatz für den Lochenpass, der mittlerweile an Wochenenden und Feiertagen für Motorradfahrer gesperrt ist.

Laut Informationen des Polizeipräsidiums Reutlingen werden auf der L 360 (Stich) zwischen Thanheim und Onstmettingen regelmäßig Kontrollen durchgeführt – wie auf allen anderen beliebten Motorradstrecken auch. Das ist dem Anwohner auch bekannt: "Wenn die Polizei kommt, dann gehen sie und sobald sie weg ist, sind sie wieder da". Er wohnt bereits seit 26 Jahren nahe des Stichs, den anscheinend viele Motorräder und Autos mit überhöhter Geschwindigkeit die Alb hinaufrasen.

Wie die meisten der Anwohner, mit denen unsere Zeitung spricht, möchte der Mann lieber anonym bleiben. Warum es heikel ist, den eigenen Namen in dieser Angelegenheit zu nennen, bei der es um Verkehrslärm durch unangepasstes Fahren geht, wird zunächst nicht klar. Es sei eben ein schwieriges Thema – sein Nachbar etwa fahre auch Motorrad, so der Anwohner.

Im Sommer sind Kontrollen geplant

Innerorts werden in Thanheim in der Onstmettinger Straße regelmäßig Geschwindigkeitskontrollen durchgeführt. Außerorts sind Geschwindigkeitsüberwachungen in diesem Sommer geplant", bestätigt Julia Wegner vom Landratsamt Zollernalbkreis in einer E-Mail an unsere Redaktion die Tätigkeit der Verkehrspolizei. Weitere Maßnahmen für die Strecke würden jedoch erst dann in Erwägung gezogen, wenn eine Unfallhäufung vorliege.

"Jeder weiß das" lautet auch die Antwort einige Häuser weiter. "Die Motorradfahrer treffen sich auf dem Parkplatz der Firma Gess, um dann die Strecke hochzuheizen, zurückzufahren und dort wieder zu wenden", sagt Monika Christensen. "Im Garten kann ich bei schönem Wetter durch den Lärm gar nicht sitzen", sagt die 66-jährige Rentnerin. Und nachts habe sie deshalb die Fenster geschlossen, auch im Sommer. "Früher habe ich mitten in Stuttgart gelebt und da war es manchmal ruhiger als hier", fügt Christensen hinzu. Es sei, als wohne sie direkt neben einer Rennstrecke: "Der Lärm kommt eindeutig nicht von Fahrzeugen in normaler Geschwindigkeit".

Als Treffpunkt dient der Gess-Parkplatz

Eine Nachbarin von der gegenüberliegenden Seite schränkt ein: "Ob es Rennen sind, weiß ich nicht – aber ich bekomme nicht ganz so viel mit wie die Anwohner gegenüber". Und auch Martin Raff vom Polizeipräsidium Reutlingen informiert: "Über Verkehrsunfälle infolge illegaler Kraftfahrzeugrennen liegen uns keine Erkenntnisse vor". Einer ad-hoc-Anzeige über ein illegales Kraftfahrzeugrennen würde aber selbstverständlich unverzüglich nachgegangen werden.

Sie könne sich schon vorstellen, dass es für Motorradfahrer reizvoll sei, die kurvige Strecke entlang zu düsen, sagt die Anwohnerin abschließend – und so ist es auch, wie zwei junge Motorradfahrer bestätigen. "Wenn das nicht zu lange dauert" sind sie bereit, ein paar Fragen zu beantworten. Hanna Schaller (18) wirkt sehr zierlich auf dem großen Motorrad – sie steht gerade mit ihrem Bekannten Sergej Heck (21) auf dem Wanderparkplatz Traufgang Zollerblick. "Das sind nicht unsere Maschinen", erklärt Heck. Ein Motorradhändler in Filderstadt habe derzeit eine Aktion: Wer vor weniger als einem Jahr den Motorradführerschein gemacht hat, kann sich kostenlos eine Maschine für einen Tag lang ausleihen, um diese zu testen.

Ein verlockendes Angebot – aber ob die anspruchsvolle Strecke auf der L  360 wohl eine so gute Wahl ist, um als Fahranfänger ein fremdes Motorrad zu testen? Man wolle eben ausprobieren, was die Motorräder können, sagt der junge Mann, und verspricht: Mit den fremden Maschinen gingen sie ja nicht "bis ans Limit".

Ihr gefalle am Motorradfahren schon auch der Adrenalinkick, gesteht Schaller. Vor zwei Jahren sei einer ihrer Kumpel verunglückt, fügen sie noch hinzu – die Gefahren auf der Straße seien ihnen also schon bewusst – und durch den Vorfall habe sich ihre Sicht auf das Hobby etwas verändert. Was Beschwerden durch die Bewohner angeht, könne sie sich schon in die hineinversetzen, sagt Schaller.

Motorradfahrer machen das "Männchen"

D as trifft auch auf Eberhard Stiefel, der die Stichwirtschaft auf der gegenüberliegenden Straßenseite betreibt, zu: "Natürlich verstehe ich die jungen Leute", sagt der Wirt, dessen Sohn auch Motorrad fährt. Was er schildert, erzeugt aber Unbehagen: "Die machen das Männchen", sagt der Wirt – was bedeutet, dass die Motorradfahrer mit dem Vorderrad in die Luft steigen: "Die meisten fahren mehrmals hoch und runter, versuchen sich durch riskante Fahrweise gegenseitig etwas zu beweisen und erzeugen ohrenbetäubenden Lärm, indem sie die Maschinen aufheulen lassen".

Nicht selten schreckt Ehefrau Hannelore Stiefel nachts auf: "Das ist nicht mehr normal", sagt sie. Und es seien nicht nur Motorradfahrer unter den Verkehrssündern. Erst kürzlich beobachtete das Wirtspaar, wie sich ein Porsche mehrmals drehte und von der Straße abkam – der Fahrer hatte Glück und konnte danach einfach weiterfahren. "Ich habe das gehört und dachte, jetzt knallt es", sagt sie.

Sorgen macht sich das Paar auch um die Gäste der Wirtschaft. Vor ein paar Jahren kam eine Frau, die bei ihnen Essen gehen wollte, beim Überqueren der Straße um – ein Autofahrer hatte sie zu spät gesehen. "Er war nicht mal zu schnell unterwegs", sagt Stiefel. Es handelt sich also prinzipiell um eine gefährliche Stelle – auf der einen Seite der Parkplatz, gegenüberliegend die Wirtschaft und dann die motorisierten Fahrer, die teilweise die Steige hinaufrasen.

"Normalerweise gehört hier ein versetzter Kreisverkehr hin, um die Fahrer auszubremsen", sagt der Wirt. Es sei oft davon geredet worden, etwas zu ändern – geschehen sei aber nichts bis auf dass die Straße neu gemacht wurde. "Ich verstehe es einfach nicht – die wollen doch Geld machen – wieso kann man hier keine Ampel hinbauen oder einen Blitzer aufstellen?", sagt Hannelore Stiefel. Das Paar vermutet: Es muss erst ein größeres Unglück passieren, bevor etwas getan wird.

"Bezüglich der Einmündung L 360/K 7141 sind uns keine Überlegungen bekannt, dort einen Kreisverkehrsplatz zu bauen oder eine Ampel aufzustellen", so die Antwort von Wegner dazu. Und weiter: Die Einmündung sei bezüglich des Unfallgeschehens unauffällig, es gebe dort keine Probleme mit der "Leistungsfähigkeit".

Rennstrecken sind zum Austesten da

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehen bereits neue Motorradfahrer, Stefan Mayer und Holger Haarer machen einen Tagesausflug. Nein – sie heizen nicht durch die Gegend, versprechen die beiden Männer mittleren Alters. Zum Austesten seien schließlich Rennstrecken da und: "Ich will ja zurück nach Hause zu meinen Kindern", sagt Mayer, bevor sie gemeinsam wieder die L 360 herunter fahren. "Nur ausnahmsweise drehen wir um und fahren noch einmal hoch", sagt der Familienvater mit einem Augenzwinkern. "Die Kontrollen werden auch in Zukunft fortgesetzt", so Martin Raff vom Polizeipräsidium Reutlingen – mehr kann im Moment wohl nicht getan werden.

2019 ereigneten laut Polizeipräsidium Reutlingen sich auf der L 360 zwischen Bisingen-Thanheim und Albstadt-Onstmettingen acht statistisch erfasste Verkehrsunfälle. Es waren elf Autos und ein motorisiertes Zweirad beteiligt. Der Motorradfahrer kam alleinbeteiligt von der Fahrbahn ab. Es wurden acht Personen leicht verletzt. In sieben der acht Unfälle war zu hohe Geschwindigkeit eine der Unfallursachen.

Im Jahr 2019 ereigneten laut Polizeipräsidium Reutlingen sich auf der L 360 zwischen Bisingen-Thanheim und Albstadt-Onstmettingen acht statistisch erfasste Verkehrsunfälle. Es waren elf Autos und ein motorisiertes Zweirad beteiligt. Der Motorradfahrer kam alleinbeteiligt von der Fahrbahn ab. Es wurden acht Personen leicht verletzt. In sieben der acht Unfälle war zu hohe Geschwindigkeit eine der Unfallursachen.