Die Verantwortlichen schreiten zur Tat – die neue Gedenktafel ist enthüllt. Foto: Wahl Foto: Schwarzwälder Bote

Feierstunde: Gedenktafel am Kindergarten Spatzennest enthüllt / Hoffnung, "dass Demokratie und Frieden erhalten bleiben"

Bisingen  (jw). In feierlicher Umrahmung wurde am Freitag die Gedenktafel für die aus Steinhofen vertriebenen "Zigeuner" und deren Anwalt Julius Klink enthüllt. Als Platz wurde im Vorfeld jene Stelle ausgewählt, wo früher das Gasthaus Sonne stand und heute der Kindergarten Spatzennest seinen Platz hat.

Zuvor trafen sich die rund 70 Personen in den Räumlichkeiten des Kindergartens. Darunter auch Nachfahren der Familie Reinhardt. Eine Ansprache von Bürgermeister Waizenegger, ein Beitrag zum geschichtlichen Hintergrund durch Paul Münch und Grußworte standen dabei im Mittelpunkt des Geschehens. Mit feuriger und für den Rahmen passenden Musik stimmte das Musikerduo mit Peter Weiß (Akkordeon) und Jochen Brusch (Violine) in die Feierstunde ein.

Die große Besucherzahl zeige den hohen Stellenwert dieses Events, meinte Bürgermeister Roman Waizenegger zu Beginn seiner Rede. Als Ehrengäste hieß der Schultes die ortsansässigen Nachfahren von Julius Klink, nämlich Ursula Mosch (Annette Binder) sowie die Familie Fischer willkommen. "Ihr Vorfahre war eine mehr als bemerkenswerte und außergewöhnliche Persönlichkeit. Wir in Bisingen sind stolz, einen solchen Mitbürger in unseren Reihen gehabt zu haben", so Waizenegger.

In seine Grüße band er aber auch Andre Raatzsch als Vertreter des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma sowie Historiker Paul Münch ein, der überhaupt erst den Stein ins Rollen brachte und von diesem die Initiative ausging.

Wo sich heute der Kindergarten Spatzennest befindet, stand einst das Gasthaus Sonne von Julius Klink. Von 1932-1938 konnten fahrende Händler und Handwerker oder wie damals genannt "Zigeuner" ihre Planwagen auf dem Gelände abstellen oder sich dort einmieten. Die ständige Anwesenheit dieser Familien stieß im Ort aus vielerlei Gründen auf Widerstand, der sich mit dem Nazi-Regime verstärkte.

Mut und Charakter gefragt

Der Schultes betonte, dass damals das Einstehen für Andere sehr viel Mut und Charakterstärke erforderte. "Auch wir leben heute in einer Gesellschaft, wo es zusehends wichtiger wird, für Mitmenschen, gleich welcher Herkunft, Nationalität oder Glaubensrichtung offen einzutreten", so der Ortschef.

Mit der Gedenktafel sollen gerade die Geschehnisse der damaligen Zeit rund um die "Zigeuner" und insbesondere ihres Anwalts Julius Klink nicht in Vergessenheit geraten und einen sichtbaren Platz im öffentlichen Gedächtnis der Gemeinde haben.

Paul Münch aus Wessingen gab Aufschluss über die Historie und das geschehene Unrecht. Anfang 1938 sei das Schicksal der Zigeuner in Steinhofen besiegelt gewesen, und Sonnenwirt Julius Klink musste aufgrund Konzessionsentzug und Denunziationen durch die Nazis Kopf über Hals nach Lindau fliehen. Was die Familie von Julius Klink nach 1938 noch über sieben Jahre hinweg durchmachen musste und über sich ergehen lassen musste, war furchtbar und menschenunwürdig.

Lediglich die Tatsache, dass der Ehemann von Tochter Julie Fischer als Soldat an der Front kämpfte, brachte der zurückgebliebenen Familie wenige Pluspunkte ein. Jannik Fischer (Ur-Ur-Enkel von Julius Klink) berichtete im Namen seiner Familie darüber.

Ein weiteres Grußwort sprach Andre Raatzsch. Er sprach die Hoffnung aus, dass Demokratie und Frieden erhalten bleibe und sich solch ein Schicksal nicht wiederhole. Im Anschluss folgte im Freien die offizielle Enthüllung der Gedenktafel.

Danach fand noch ein Stehempfang mit Umtrunk im Kindergarten statt, wo auch interessante Gespräche zustande kamen.